Hamburg. Aus dem beschaulichen Georgiweg ist eine gefährliche Straße geworden. Anwohner sind in Sorge und wehren sich gegen Burger-Kette.
Einst war der Georgiweg eine verschlafene Wohnstraße. Eine Sackgasse, versteckt hinter der quirligen Borsteler Chaussee gelegen. Bungalows schmiegen sich an die eine Seite des Straßenverlaufs, Einfamilien- und Reihenhäuser mit altem Baumbestand stehen auf der anderen. Hier wuchsen schon einige derjenigen auf, die nun im Großeltern-Alter sind.
Doch so idyllisch ist es hier schon länger nicht mehr. Denn: Dort, wo die Kehre der Sackgasse fast an die Borsteler Chaussee stößt, eröffnete im Jahr 2017 eine Filiale der Burger-Kette Burger Me. Ein Lieferservice, dessen Aushängeschild es ist, in 25 Minuten nach Eingang der telefonischen Bestellung Pommes, Cheeseburger und Milchshakes zur Haustür zu bringen. „So schnell kann lecker sein“, der passende Slogan. Schnell mit dem Auto. Durch den Georgiweg.
Groß Borstel: Bis zu acht Lieferfahrzeuge rasen immer wieder durch die Sackgasse
Und mit dem Starten der Motoren beginnt eine Geschichte, die viele Facetten birgt: Da geht es um Lebensqualität, um unternehmerisches Handeln, um die Nichtbeachtung der Straßenverkehrsordnung, um den gesellschaftlichen Stellenwert von Kindern. Um die Belebung des wachsenden Stadtteils und um Umweltschutz.
Es geht aber vor allem darum, dass die Anwohner des Georgiwegs es nicht mehr akzeptieren wollen, dass der Lieferservice täglich, vermehrt am Wochenende, mit überhöhter Geschwindigkeit durch ihre Straße rast, vorbei an Küchenfenstern, Vorgärten und Terrassen.
„Wir alle können unsere Kinder hier nicht mehr draußen spielen lassen, dauernd kommen hier Lieferfahrzeuge vorbei, fahren schneller als 30 Kilometer pro Stunde“, berichtet Hartmut Koch. Er wohnt mit seiner Frau Anna Maria und den drei jüngeren Kindern im mittleren Bereich des etwa 200 Meter langen Wegs. „Unsere Nachbarn und wir lassen die Kinder nur noch bei der Kurve auf den Bürgersteigen Roller oder Einrad fahren, denn da müssen die Lieferfahrzeuge abbremsen.“
Anwohner am Georgiweg sind in Sorge: Kinder spielen hier nicht mehr sicher
Das Medizinerehepaar beobachtet seit Jahren, dass die Fahrer in der Kehre starten, dann losfahren und während der ersten Meter in ihre Handys die Zieladresse eingeben. „Sie achten dabei definitiv mehr auf ihr Telefon als auf die Situation auf der Straße“, so Anna Maria Koch.
Das bestätigt Wolf Lüders, der Rentner wohnt an der Ecke zur Köppenstraße im Georgiweg. „Ich habe das ‚Pech‘, dass mein Garten zur Straße hin ausgerichtet ist“, sagt Lüders, der hier schon als Kind lebte. „Daher bekomme ich die täglichen Touren mit, ebenso aber auch, wenn zweimal pro Woche die Lebensmittel angeliefert werden.“ Dann nämlich rangiere sich ein mächtiger Lastwagen meist rückwärts im Schritttempo durch die schmale Wohnstraße. „Das ist laut und blockiert natürlich für diese Zeit alles.“
Am Wochenende, wenn das Bestellaufkommen noch höher ist als unter der Woche, fegten dementsprechend mehr Lieferfahrzeuge durch den Georgiweg. Geballt zur Mittagessen- oder Abendbrotzeit.
Tempolimit werde ignoriert: „Eigentlich warten wir nur darauf, dass etwas passiert“
Wolfgang Jäger wohnt etwas näher am Wendehammer, seit 1984 schon. „Es hat sich hier viel verändert“, sagt er, „sicher sind im Stadtteil schon grundsätzlich ein höheres Verkehrsaufkommen und Parkdruck zu spüren. Denn neben den sechs bis acht Lieferautos von Burger Me, die meistens hier am Fahrbahnrand geparkt werden, stehen hier auch die Wagen von Arbeitnehmern aus der Borsteler Chaussee oder denen, die von hier aus zum Flughafen starten.“ Die ohnehin schon gut beparkte Straße hätten die Lieferfahrzeuge nun aber auch noch besiedelt, dazu die dauernden Starts mit überhöhter Geschwindigkeit.
„Dass hier Tempo 30 gilt, wird völlig ignoriert. Früher wohnte hier wie heute eine Kinderschar, doch auf der Straße spielen, das ist mittlerweile viel zu gefährlich“, sagt Jäger, selbst Großvater. Bekümmert fügt er hinzu: „Eigentlich warten wir nur darauf, dass etwas passiert.“
Lieferservice: Burger-Kette will vermehrt auf E-Bikes setzen – das dauert aber noch
Aufgrund dieser bedrohlichen Aussichten haben sich einige der Anwohner schon vor Jahren zu einer Initiative zusammengeschlossen, haben Blockparken praktiziert, damit die Lieferautos gezwungen sind, langsamer zu fahren. Sie haben einen Ortstermin mit den Grünen aus der Bezirksversammlung erlebt und Sanjeev Arora, den Inhaber der Filiale, freundlich angeschrieben: Alle Anstrengungen versandeten. Und ausgeliefert wird weiterhin in gleichbleibender Manier.
Als Alternative könnten die Fahrten auch vom Haupteingang an der Borsteler Chaussee 114 starten oder die Auslieferer komplett auf E-Bikes umsteigen, meint auch Jäger – so wie es in der Zentrale von Burger Me in München eigentlich propagiert wird. Svenja König aus der Münchner Pressestelle von Burger Me sagt auf Abendblatt-Anfrage dazu: „Auf Lieferfahrzeuge können wir aufgrund des aktuellen Liefergebiets leider nicht verzichten. Perspektivisch ist geplant, das Liefergebiet anzupassen, um noch mehr Strecken mit dem E-Bike bewältigen zu können. Dieser Prozess wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“
Einige wenige Elektro-Fahrräder waren schon vor dem Ladengeschäft zu sehen, doch das Gros der Bestellungen wird weiterhin per Kleinwagen ausgefahren.
Burger Me wurde mit dem „Hamburger Foodservice Preis“ ausgezeichnet
Das Franchise-Unternehmen im Bereich der liefernden Systemgastronomie wurde 2010 von Stephan Gschöderer und Johannes Bankwitz gegründet. 2022 erzielte Burger Me einen Rekordumsatz von 117 Millionen Euro mit aktuell 166 Standorten in Deutschland und den Niederlanden. Das bayerische Unternehmen hatte erst im März im Hotel Grand Elysée den „Hamburger Foodservice Preis“ erhalten, eine Gastronomie-Auszeichnung für Qualität.
„Besonders stolz macht uns, wie das Burger-Me-Team stetig wächst und mit welcher Begeisterung unsere Franchisepartner die Marke Burger Me leben. Es sind die Menschen, die unseren Erfolg ausmachen“, sind die Münchner überzeugt.
Doch Erfolg auf Kosten der Lebensqualität anderer? Das sei nicht im Unternehmensinteresse, meint Pressesprecherin König. „Die Sicherheit aller Beteiligten hat für uns natürlich oberste Priorität, weshalb wir das Thema sehr ernst nehmen.“ Weiter gab sie an: „Wir werden mit unserem Partner in Hamburg sprechen und auch noch mal unsere Lieferfahrer sensibilisieren. Zusätzlich suchen wir das Gespräch mit unserem Logistiker, um Möglichkeiten zu prüfen, die Anlieferung zu optimieren.“
Groß Borstel: Anwohner fordern Bodenwellen auf der Straße
In den Tagen, die zwischen der Antwort von Burger Me und der Veröffentlichung dieses Artikels lagen, meinen einige Anwohner übrigens, weniger rasende und geparkte Lieferautos bemerkt zu haben.
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Langfristig sehen die Anwohner des Georgiwegs jedoch nur eine Chance auf mehr Sicherheit. Es muss sich etwas Grundlegendes verändern. „Ich möchte dahingehend betonen, dass wir die unternehmerische Sicht von Burger Me nachvollziehen können und auch die Daseinsberechtigung. Sinnvoll wäre aus unserer Sicht, wenn Bodenwellen auf die Straße kämen, damit alle gezwungen sind, langsamer und aufmerksamer zu fahren“, erklärt Anwohner Jäger.
Polizei Hamburg ist die Situation am Georgiweg nicht bekannt
Dafür bräuchte es jedoch die Unterstützung der Polizei, die – obwohl es nach Angaben der Anwohner bereits nach dem Ortstermin mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Grünen Hamburg-Nord, Katrin Hofmann, eine Geschwindigkeitsmessung gegeben habe – ahnungslos ist. Die Pressestelle der Polizei sagt dazu: „Der Polizei Hamburg ist die von Ihnen geschilderte Situation am Georgiweg bislang nicht bekannt. Betroffene Anwohner können für einen Sachvortrag gerne beim örtlich zuständigen Polizeikommissariat 23 vorstellig werden.“
Eingehende Beschwerden oder Anzeigen über ordnungswidriges Verhalten würden dann geprüft, gegebenenfalls angezeigt und kontrolliert werden.
Für bauliche Veränderungen wird an den Landesbetrieb Verkehr, der bei der Verkehrsbehörde angesiedelt ist, verwiesen. Mit Verfahren um Änderungen der Geschwindigkeit auf Straßen gibt es in Groß Borstel schon Erfahrungen, aktuell herrscht Unverständnis über eine zu kurz geratene Tempo-30-Zone, die die Carl-Götze-Grundschule außer Acht lässt. Auch im Georgiweg ist eine endgültige Lösung noch nicht in Sicht.