Hamburg. Innenministerium lässt Dutzende Objekte durchsuchen. Schwerpunkt liegt in Hamburg. Senator Grote: „Zeit des IZH ist abgelaufen“
Hundertschaften der Hamburger Polizei sind am frühen Donnerstagmorgen an der Blauen Moschee in Uhlenhorst vorgefahren. Dann begannen die Durchsuchungen. Dutzende Beamte stellten im Auftrag des Bundesinnenministeriums die Räumlichkeiten des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) auf den Kopf.
Wie das Ministerium mitteilte, war die Aktion an der Außenalster Teil einer bundesweiten Großrazzia. Gegen das IZH und fünf weitere Vereinigungen werden demnach vereinsrechtliche Ermittlungen geführt. Ab 6 Uhr wurden in diesem Zuge insgesamt 54 Objekte durchsucht, davon 31 in Hamburg. Die übrigen Aktionen fanden in Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen statt.
IZH: Durchsuchung des Islamischen Zentrum Hamburg – Teil einer bundesweiten Großrazzia
Am Nachmittag schafften Polizisten die ersten Beweismittel vom Moschee-Gelände. Darunter auch ein offensichtlich schwerer Tresor. Speziell ausgerüstete Beamten schoben den Behälter auf einem Rollbrett aus einem Gebäudeflügel. Allein in Hamburg sollen 300 Beamte im Einsatz gewesen sein.
Nach Abendblatt-Informationen dauern die Durchsuchungen an der Blauen Moschee noch immer an. Wegen der ungeheuren Mengen an möglichem Beweismaterial wurde zudem ein dritter Lastwagen angefordert. Noch bis in die Abendstunden könnte die Razzia an der Außenalster dauern. Zeugen berichten von lauten Hammer- und Flexgeräuschen, die aus der Tiefgarage des Zentrums klingen.
Innenministerium über Razzien in Deutschland: Zahlreiche beweismittel sichergestellt
Wie das Bundesinnenministerium am frühen Nachmittag mitteilt, wurden die Ermittler bei der Razzia in sieben Bundesländern bereits fündig. Unter anderem seien größere Mengen Bargeld, CDs, Schriftstücke und Flugblätter beschlagnahmt worden, heißt es. Zudem nahmen die Beamten Mobiltelefone, Laptops, Tablets und USB-Sticks mit. Im nächsten Schritt werden die sichergestellten Daten ausgewertet.
Während die Polizisten auf dem Gelände an der Blauen Moschee nach Beweisen suchten, erscheint auch der Leiter des IZH, Mohammad Mofatteh. Der Theologe ist seit 2019 der Leiter der Vereinigung.
Nancy Faeser zu bundesweiter Großrazzia: „Verdachtsmomente gegen IZH wiegen schwer“
„Das IZH steht im Verdacht, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen den Gedanken der Völkerverständigung zu richten“, heißt es in der Mitteilung weiter. Zudem wird die Organisation verdächtigt, in Deutschland verbotene Aktivitäten der libanesischen Terrororganisation „Hizb Allah“ (auch Hisbollah) zu unterstützen. Bei den übrigen Vereinigungen bestehe der Verdacht, dass sie Teil des IZH sind.
Innenministerin Nancy Faeser erklärte: „Die Verdachtsmomente gegen das Islamische Zentrum Hamburg wiegen schwer. Es wird seit langem vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet und als islamistisch eingestuft. Weitere rechtsstaatliche Maßnahmen müssen gut vorbereitet sein. Daher sind die umfassenden heutigen Durchsuchungsmaßnahmen in sieben Bundesländern notwendig.“
Innensenator Andy Grote: „Je schneller das IZH aus Hamburg verschwindet, desto besser“
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) begrüßt die Maßnahme des Innenministeriums: „Die bundesweiten Razzien mit Schwerpunkt in Hamburg sind ein harter Schlag gegen das IZH, dessen Zeit erkennbar abgelaufen ist.“ Die Hamburger Sicherheitsbehörden hätten maßgeblich dazu beigetragen, dass das IZH zuletzt die Schura, also den Rat islamischer Gemeinschaften in Hamburg, verlassen musste und der stellvertretende Leiter ausgewiesen wurde.
„Je schneller das IZH nun als Ganzes aus Hamburg verschwindet, umso besser. Mit dem heutigen Tag sind wir dem ein ganzes Stück näher“, erklärt Grote. „Ich bin sehr froh, dass das Bundesinnenministerium das Verbotsverfahren sehr zielstrebig betreibt und gehe davon aus, dass dieses Verfahren nun konsequent zu Ende gebracht und das IZH zeitnah geschlossen wird.“
Dennis Thering, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, bezeichnet die Aktion als „wichtigen Schritt“. Gleichwohl kritisiert er: „Es ist leider schon viel zu viel Zeit verloren gegangen, auch weil SPD und Grüne sich in Hamburg jahrelang gegen eine Schließung gesperrt haben.“ Umso tragischer sei es, dass es erst des bestialischen Terrorangriffs der Hamas auf Israel bedurfte, bis Bewegung in die Sache gekommen sei. „Ich erwarte, dass die Bundesinnenministerin das IZH jetzt unverzüglich verbietet und schließt“, teilte Thering mit.
Auch Mehmet Tanriverdi, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland, begrüßt die Durchsuchungen ausdrücklich. Die kurdische Gemeinde erwarte von der Politik, dass sie den „Druck auf Islamisten und ihre Strukturen dauerhaft aufrechterhält“. Und Tanriverdi sagt: „Eine Duldung demokratiefeindlicher islamistischer Strukturen in Deutschland schadet letztendlich unserem Land.“
Razzia in Hamburg: Zentralrat der Muslime setzt Mitgliedschaft von IZH aus
Die Verantwortlichen im Zentralrat der Muslime in Deutschland beschlossen derweil am Donnerstag, die Mitgliedschaft des IZH satzungsgemäß auszusetzen. Zwar gelte die Unschuldsvermutung, teilte der Rat in Berlin mit, „und wir haben volles Vertrauen in unseren Rechtsstaat“.
Dennoch liege es im Interesse aller Betroffenen, „diesen Schritt bis zur Klärung der Angelegenheit vorzunehmen“. Der Vorstand des Zentralrats führe seit Langem „intensive Gespräche mit dem IZH hinsichtlich der gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit dem Ziel, die über 60 Jahre alte Moschee und die lange Tradition des schiitischen Lebens in Deutschland zu bewahren“, hieß es weiter.
Polizei durchsucht Islamisches Zentrum Hamburg – Hundertschaften an Blauer Moschee
Experten waren bereits im Zusammenhang mit dem Verbot des pro-palästinensischen Netzwerks Samidoun und der Hamas in Deutschland davon ausgegangen, dass in der Folge das IZH stärker in den Fokus des Innenministeriums rücken könnte.
Das IZH wird schon seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz beobachtet. So geht das Bundesamt für Verfassungsschutz davon aus, dass die Organisation mit Sitz in Hamburg auf bestimmte Moscheen und Vereine „großen Einfluss bis hin zur völligen Kontrolle ausübt“, heißt es in der Mitteilung des Innenministeriums. Innerhalb dieser Kreise herrsche häufig eine „deutliche antisemitische und antiisraelische Grundeinstellung“.
Offenbar geht es bei den Durchsuchungen in erster Linie darum, Beweise zu sammeln, mit denen sich ein Verbot des IZH durchsetzen lässt. Die Organisation gilt als der wichtigste Außenposten der iranischen Regierung in der Bundesrepublik und ist Trägerverein der Imam-Ali-Moschee, die auch Blaue Moschee genannt wird. Das Gotteshaus liegt im Stadtteil Uhlenhorst, direkt an der Außenalster.
Islamisches Zentrum Hamburg gilt als verlängerter Arm des iranischen Regimes
Dort sind am frühen Morgen rund 30 Mannschaftswagen der Polizei vorgefahren. Auch zwei Laster rückten an und fuhren auf das Gelände des IZH, um mögliche Beweismittel abzutransportieren. Neben der Blauen Moschee waren 30 weitere Orte in der Hansestadt im Fokus der Ermittler. Kartonweise wurden mögliche Beweismittel sichergestellt.
In einem gemeinsamen Antrag haben mehrere Fraktionen in der vergangenen Woche in der Hamburgischen Bürgerschaft eine schnelle Schließung des IZH gefordert. Ein Verbot fällt den Angaben zufolge nach dem Vereinsgesetz in die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums.
Wie es im Bericht des Hamburger Verfassungsschutzes für 2022 heißt, ist das IZH eines der wichtigsten Zentren seiner Art in Europa. Es dient schiitischen Muslimen aus verschiedenen Nationen als zentrale religiöse Anlaufstelle.
Ziel des IZH laut Verfassungsschutz: „Export der islamischen Revolution“
Die Vereinigung hat sich ein bundesweites Netzwerk aufgebaut und dadurch einen großen Einfluss gewonnen. Ziel des Zentrums ist laut Verfassungsschutz der „Export der islamischen Revolution.“ Um dies zu erreichen, setzen die Verantwortlichen auf umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit.
So publiziert das IZH zusammen mit dem Verlag Eslamica das Buch „Der Islamische Staat“, das der erste iranische Revolutionsführer Ruhollah Chomeini geschrieben hat. In dem Buch geht es unter anderem darum, wie man den gesamten Staat auf das islamische Recht ausrichtet, auf die Scharia. Der Hamburger Verfassungsschutz beschreibt das Buch wie folgt: „Auf zahlreichen Seiten wird der Demokratie und der Volkssouveränität eine klare Absage erteilt.“
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Nach außen hin stelle sich das Zentrum als rein religiöse Einrichtung dar, die keinen politischen Hintergrund hat. Dem Verfassungsschutz gelang es aber aufzuklären, dass beim IZH Verstrickungen zu örtlichen Strukturen der seit April 2020 verbotenen Terrororganisation Hisbollah bestehen.