Hamburg. Stammgäste und Politiker haben vergeblich für Erhalt gekämpft. Das Bittere: Es war ein Missverständnis, das zu dem Aus führte.
Lange hatten Stammgäste und Lokal-Politiker (die Bezeichnung hat in diesem Fall tatsächlich zwei Bedeutungen) für den Erhalt der beliebten Traditionskneipe in Winterhude gekämpft. Doch nun steht fest: Das Dorotheen Eck wird schließen. „Wir geben auf“, sagte Wirtin Gabriele Holzmann zum Abendblatt.
Wie berichtet, möchten die Betreiber des benachbarten Restaurants Froindlichst die Kneipenräume übernehmen – und haben bereits einen Mietvertrag. Grund hierfür ist ein Missverständnis: Wegen einer Anfrage Holzmanns waren die Froindlichst-Geschäftsführer davon ausgegangen, dass die Kneipenwirtin aufhören will, hatten ihr Interesse bei der Vermieterin bekundet – und nach Unterzeichnung des Mietvertrages bereits Kredite aufgenommen und Verträge mit Lieferanten geschlossen.
Winterhude: Nach 115 Jahren muss das beliebte Dorotheen Eck schließen
Dennoch wollte man der Dorotheen Eck-Betreiberin und ihrem Mann Olaf Dao offenbar entgegenkommen. So stand ihnen zufolge eine Art Kompromiss zur Debatte. „Ich hätte weiterhin am Tresen Bier zapfen können, aber die Kneipe selbst wäre total umgebaut worden“, berichtet Frau Holzmann.
Das wäre aber für sie nicht infrage gekommen. „Wenn um mich herum nicht mehr geraucht werden darf, die alten Möbel raus sind und vegan gegessen wird, habe ich da nichts mehr zu suchen.“ Sie und ihr Mann würden sich jetzt im Stadtteil umsehen, ob sie in einer anderen Kneipe arbeiten könnten – noch gäbe es ja ein paar. „Aber mit der Selbständigkeit ist leider Schluss.“
Stammgast aus Traditionskneipe Dorotheen Eck hat Petition ins Leben gerufen
Der drohende Verlust des Dorotheen Ecks wird besonders die gut 50 Stammgäste betreffen, die das Lokal, das in der Woche ab 15 Uhr und am Wochenende sogar ab 13 Uhr öffnet, regelmäßig aufsuchen – nicht nur auf zwei, drei Bierchen, sondern auch zum Reden, Würfeln und Kartenspielen. Einer von ihnen, Heinrich Duensing, kommt bereits seit 45 Jahren mehrmals pro Woche.
Er besucht auch andere Kneipen, etwa die ebenfalls vom Aus bedrohte Glocke an der Isestraße, und erlebt das Kneipensterben damit hautnah mit. Deswegen hat er eine Petition dagegen ins Leben gerufen, die bislang 181-mal unterschrieben wurde. „Die Kneipenkultur spielt eine zentrale Rolle im sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. In den Kneipen, Bars und Gaststätten Hamburgs entfaltet sich ein unschätzbarer Wert, der weit über den Genuss von Getränken und Speisen hinausreicht“, heißt es darin.
Dorotheen Eck: „Kneipen sind Orte der Begegnung für Menschen unterschiedlicher Herkunft“
Diese Kultur gelte es zu bewahren und zu schützen, fordert Duensing. Zunehmend ständen Kneipen in Hamburg vor dem Aus, obwohl sie sauber und solide wirtschafteten. „Kneipen sind Orte der Begegnung, an denen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Altersgruppen und sozialer Schichten aufeinandertreffen.“ Hier könnten neue Freundschaften geschlossen, alte Bekanntschaften gepflegt und Alltagssorgen abgelegt werden.
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Im Dorotheen Eck, das seit 115 Jahren ein Kneipenstandort ist, wird das alles noch bis Februar möglich sein. „Es ist ein Jammer“, sagt Gabriele Holzmann. „Aber diese uralt eingesessene Kneipe wird es dann nicht mehr geben.“
Winterhude und Eppendorf: Hier wurden viele Kneipen von Cafés verdrängt
Auch Lena Otto von der SPD Hamburg-Nord, die sich mit weiteren Genossen und Genossinnen, darunter die Bundestagsabgeordnete Dorothee Martin, für die Traditionskneipe eingesetzt hat, ist traurig. „Für Winterhude ist das ein weiterer großer Verlust alter Stadtteilkultur.“
Anders als auf St. Pauli, wo es noch eine Kneipenkultur gebe, seien in Winterhude und im benachbarten Eppendorf in den vergangenen Jahren viele Kneipen durch moderne Cafés verdrängt worden. „Die Kneipen-Klientel kann es sich aber oft nicht leisten, künftig dort einzukehren“, betont Otto. Dort müssten sie Essen konsumieren, könnten nicht rauchen – und auch das Ambiente sei ein ganz anderes.“