Das „Dorotheen-Eck“ in Hamburg-Winterhude soll einem veganen Restaurant weichen. Deren Betreiberin bedauert das, bleibt aber hart.
- Das Dorotheen-Eck ist für viele Menschen in Winterhude wie ein zweites Wohnzimmer. Nun soll es nach 100 Jahren einem veganen Restaurant weichen.
- Kunden und die Politik kämpfen um den Erhalt der Traditionskneipe.
- Die neuen Mieter wehren sich gegen den Vorwurf der Verdrängung.
Hamburg. Es gibt nicht mehr viele Orte in Hamburg wie das Dorotheen-Eck in Winterhude – typische Kneipen, oft an Straßenecken gelegen, in denen man schon nachmittags am Tresen sitzen kann, immer jemanden zum Reden findet und bleiben kann, solange man will.
„In ein Restaurant geht man üblicherweise als Gruppe oder Paar und verlässt es nach dem Essen wieder. Eine Kneipe ist ein Ort zum Sein. Ein sozialer Treffpunkt. Und das Herz des Quartiers.“ So formuliert es Heinrich Duensing, der seit 45 Jahren mehrmals pro Woche Gast im Dorotheen-Eck ist.
Dorotheen-Eck: Emotionaler Kampf um beliebte Eckkneipe in Hamburg-Winterhude
Vor 20 Jahren – da habe es in Winterhude noch viele dieser Stätten gegeben. Jetzt werde alles schicker, die Kneipen würden verdrängt. Genau das wird jetzt wohl auch dem Dorotheen-Eck passieren. Nach mehr als 100 Jahren, Duensing spricht sogar von 114, soll die Kneipe an der Ecke zur Barmbeker Straße dauerhaft schließen.
Und es ist genau so, wie Stammgast Duensing es auch in vielen anderen Vierteln beobachtet hat: Die Kneipe wird wohl von einem modernen Restaurant verdrängt. Die vegane Restaurant-Kette Froindlichst will in die historischen Räume ziehen, die mit ihren leicht angestaubten Leuchtern und dem mächtigen alten Barschrank aus Holz tatsächlich wie von anno dazumal aussieht.
Hamburger Restaurant Froindlichst will Kneipenräume als Erweiterung nutzen
Die Inhaber des Froindlichst sind auf Expansionskurs. Seit 2015 betreiben sie auf der einen Seite des Dorotheen-Ecks ein erfolgreiches veganes Restaurant, seit 2020 auf der anderen Seite – in einem ehemaligen Imbiss, dessen Betreiber in Rente gegangen ist – eine Produktionsküche. Auch in Ottensen und der Schanze ist die Kette vertreten.
Der Hauseigentümer scheint das Anliegen zu unterstützen. Der Mietvertrag für das Dorotheen-Eck, der mit dem Getränkehändler Bonhoff geschlossen wurde, wird nicht verlängert. Gabriele Holzmann und ihr Mann Olaf Dao, welche die Eckkneipe seit 15 Jahren als Untermieter betreiben, sollen Ende Februar 2024 raus.
Winterhude: Mitglieder der SPD kämpfen für Erhalt der Kneipe
Das wollen die Stammgäste, darunter viele Mitglieder des SPD-Ortsverbands, nicht hinnehmen. Heinrich Duensing, der früher lange eine Werbeagentur betrieben hat und sich mit Kampagnen auskennt, hat die Protestaktion initiiert. Am Donnerstag war der „Startschuss“. Rund 50 Gäste trafen sich, hielten Reden, betonten die Wichtigkeit des Dorotheen-Ecks für den Stadtteil, legten Flyer aus und hängten Plakate auf.
„Das Dorotheen-Eck bleibt“, steht auf zwei Aushängen an der Kneipe. „Wir wollen Aufmerksamkeit schaffen und hoffen, dass der öffentliche Druck den Vermieter und die Interessenten zum Umdenken bewegt“, sagt Duensing.
Dorotheen-Eck an Barmbeker Straße ist für Stammgäste ein Wohnzimmer
Ihre eigene Zukunft sei ihr nicht so wichtig, sagt Gabriele Holzmann. „Mein Mann und ich kommen auch anderswo in der Gastronomie unter – wenn auch nicht mehr als Selbstständige.“ Ihr gehe es vor allem darum, die Kneipe für die Gäste zu erhalten. Für 40 bis 50 meist ältere Stammgäste sei sie wie ein Wohnzimmer, viele andere kämen regelmäßig in größeren Abständen. „Wo sollen die denn hin, wenn wir schließen?“
30 Innenplätze und etwa 20 Außenplätze gibt es im Dorotheen-Eck. Sobald geöffnet werde – von Freitag bis Sonntag ab 13 Uhr, in der Woche ab 15 Uhr – kämen die ersten, um zu würfeln, Skat zu spielen oder einfach nur zu reden. Abends wären es dann auch jüngere Gäste, welche die Kneipe besuchen, sagt Betreiberin Holzmann. „Es geht hier schon sehr familiär zu.“ Auch Lotto King Karl, Jan Delay und Wolfgang Kubicki kehrten hier schon ein.
Bezirksabgeordnete aus Hamburg-Nord: „Kneipe ist ein Stück Kulturgut“
Mitglieder der SPD Hamburg-Nord, die sich regelmäßig im Dorotheen-Eck zum Stammtisch treffen, engagieren sich ebenfalls für den Erhalt der Kneipe. „Das ist ein Stück Kulturgut“, betont Lena Otto, die kulturpolitische Sprecherin. Sie gehe sehr gerne ins Froindlichst und könne deren Interesse an der Eckkneipe nachvollziehen. Diese habe aber eine wichtige soziale Funktion und müsse daher bleiben.
Es gehe auch nicht darum, die Froindlichst-Inhaber zu kritisieren. „Wir wollen hier kein Bashing betreiben.“ Vielmehr sei man im Gespräch und auf der Suche nach Kompromissen. „Ein Vorschlag von uns war, die Flächen aufzuteilen: die Kneipe weiter zuführen, und die Außenfläche dem Restaurant zu überlassen.“ Doch das sei sehr skeptisch aufgenommen worden.
Froindlichst-Geschäftsführerin: „Uns tut es auch leid, wenn Doro-Eck schließt“
Auch die Hamburgerin Dorothee Martin, die für die SPD im Bundestag sitzt, engagiert sich für das Dorotheen-Eck. Am 11. August werde sie dort hinter dem Tresen stehen und Bier zapfen, teilte sie auf Instagram mit. „Wir würden diese Kneipe wirklich gerne als ein Stück Stadtteilkultur erhalten.“
Kerrin Kruse, die mit ihrem Partner Hendrik Terner die Froindlichst-Geschäfte führt, kann das gut verstehen. „Uns tut es auch leid, wenn das Doro-Eck schließt.“ Tatsächlich aber habe man nicht damit gerechnet, dass die Betreiber weitermachen wollten.
Hamburg-Winterhude: Mietvertrag für Kneipe wurde bereits unterschrieben
„Vor etwa eineinhalb Jahren kamen sie zu uns und fragten, ob wir den Laden übernehmen wollen, weil sie aufhören wollten“, erinnert sie sich. Es sei aber zu viel Geld gefordert worden. Da sie davon ausgegangen seien, dass Gabriele Holzmann und ihr Mann auf jeden Fall aufhören würden, hätten sie den Vermieter angesprochen – und im August 2022 auch den Mietvertrag unterschrieben.
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„Wir haben bereits Kredite aufgenommen, mit Brauereien gesprochen und Pläne gemacht, wie eine ehemalige Verbindung zwischen Kneipe und Restaurant wieder geöffnet werden kann“, so Kerrin Kruse. Sie könnten jetzt nicht einfach einen Rückzieher machen. „Wenn man damals nicht auf uns zugekommen wäre, gäbe es die Situation nicht.“