Hamburg. Die Eckkneipe ist weit über Harvestehude hinaus bekannt. Warum jetzt die Schließung droht – und sich sogar die Politik einmischt.
Es ist für viele eine Hiobsbotschaft, die derzeit im Stadtteil Hamburg-Harvestehude die Runde macht: Die Glocke, eine der beliebtesten und bekanntesten Kneipen im Bezirk Eimsbüttel, steht vor dem Aus.
Erst vor einigen Tagen wurde bekannt, dass das Dorotheen-Eck in Winterhude wegen eines auslaufenden Mietvertrags in seiner Existenz bedroht ist. Nun soll das gleiche Schicksal auch die 45 Jahre alte Kneipe direkt am Isemarkt ereilen.
Restaurant Hamburg: Beliebte Kneipe Die Glocke in Harvestehude vor dem Aus
Normalerweise herrscht reger Betrieb in den Räumlichkeiten an der Klosterallee 65, in denen sich ein Besuch jedes Mal wie eine Reise in die Vergangenheit anfühlt. Holzvertäfelte Wände, kleine Sitznischen, alte Gemälde und Fenster aus Buntglas sorgen dafür, dass hier die Zeit stillzustehen scheint.
Einige Gäste kommen, oft schon seit Jahrzehnten, um sich in Ruhe ein langsam gezapftes „Köpi“ bei einer geselligen Runde Karten zu genehmigen. Andere zieht es wegen der hausgemachten Schnitzel mit Bratkartoffeln und Gurkensalat immer wieder in die Kneipe.
Beim Vor-Ort-Termin an einem Vormittag ist es allerdings noch ruhig rund um Die Glocke. „Wir machen erst um 14 Uhr auf“, vertröstet Bardame Andrea Dührkop zwei Gäste, die schon morgens vor der Tür stehen. Seit mittlerweile neun Jahren arbeitet die Hamburgerin in der kleinen Eckkneipe – und will jetzt als Assistentin der Geschäftsführerin für dessen Erhalt kämpfen.
Die Glocke in Harvestehude existiert schon seit 1977 – jetzt soll sie weichen
„Der Besitzer will den Mietvertrag nicht verlängern. Zum 31. Dezember sollen wir hier raus.“, erzählt die Wirtin, immer noch ein wenig fassungslos. Dass das überhaupt möglich ist, hat einen traurigen Hintergrund: Inhaber Mikko Gehlhaar führte die Kneipe schon seit 1977 gemeinsam mit seiner Schwester Anna Gehlhaar-Scheebsta.
Nach schwerer Krankheit verstarb der Wirt nun mit 78 Jahren im vergangenen März – und hatte den Mietvertrag zuletzt nur noch immer für Einjahreszeiträume verlängert, um laut Dührkop keine Belastung zu hinterlassen. „Mikko war ein so sozialer Mensch“, sagt die Eppendorferin und wird nicht müde, in Form von kleinen freundschaftlichen Anekdoten an ihren verstorbenen Chef zu erinnern.
Hamburg-Harvestehude: Eigentümer wollen Räume der Glocke verkaufen
Nach dem Tod ihres Bruders will Schwester Anna Gehlhaar-Scheebsta Die Glocke nun eigentlich weiterbetreiben, doch die Eigentümer des Eckhauses haben andere Pläne. „Ende März haben uns die Besitzer dann per Mail Bescheid gesagt“, erinnert sich Andrea Dührkop zurück und beschreibt es als „traurig, dass nicht mal das Gespräch gesucht wurde“.
Die Nachricht habe sich dann wie ein Lauffeuer im Viertel verbreitet: Viele Gäste seien „entsetzt“ und „traurig“ gewesen, berichtet die 58-Jährige. Im August dann der nächste Schock, der der Hoffnung auf einen Fortbestand der Kneipe einen weiteren Dämpfer verpasste: Auf einem Immobilienportal tauchte ein Verkaufsinserat für die Räumlichkeiten an der Klosterallee auf.
Die Glocke – Eigentümer will sich nicht zu Plänen äußern
„Einmalige Gewerbefläche in Bestlage“ lautet die kurze Überschrift. Die Gewerbefläche befinde sich in repräsentativer Adresslage von Harvestehude in einem attraktiven Jugendstilgebäude und werde bisher gastronomisch genutzt, bei einem Verkauf aber frei geliefert, so die Beschreibung.
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Insgesamt 1.550.000 Euro soll die 160 Quadratmeter große Fläche kosten – „völlig überzogen“, findet Andrea Dührkop.
Auf Anfrage des Abendblatts will sich der Eigentümer nicht zum Ende des Mietverhältnisses und zum geplanten Verkauf äußern.
SPD Eimsbüttel will beliebte Kneipe am Isemarkt retten
Die Gäste der Glocke wollen das jedenfalls nicht einfach hinnehmen – auch deshalb nicht, weil der Standort schon seit dem Jahr 1903 als Gaststätte genutzt wird und damit einen historischen Hintergrund hat. Als „Freunde der Glocke“ sammeln sie nun Unterschriften und halten sich gegenseitig über neue Entwicklungen auf dem Laufenden.
Und auch aus der Politik kommt Unterstützung: „Die Glocke gehört zu Eimsbüttel und (...) ist seit Jahrzehnten Traditionstreffpunkt im Quartier. Es ist bedauerlich, dass hier wieder ein Stück Kulturgeschichte infrage steht. Wir als SPD setzen uns für den Erhalt der Glocke und der Eckkneipenkultur ein und appellieren an den Eigentümer, die Kündigung zu überdenken und das Gespräch zu suchen. Natürlich werden wir prüfen, ob es baurechtliche Instrumente gibt, die zum Erhalt der Glocke beitragen können“, versichert Gabor Gottlieb, Fraktionsvorsitzender der SPD Eimsbüttel.
Restaurant Hamburg: Die Glocke in Harvestehude – „entweder hier oder gar nicht“
Dem schließt sich auch Dirk Kienscherf, SPD-Fraktionschef, an und sagt: „Die Glocke ist seit Jahrzehnten eine beliebte Gaststätte in Harvestehude und Hoheluft-Ost. Der drohende Verkauf der Immobilie und die befürchtete Kündigung der Kneipe würde dem Stadtteil ein wichtiges Stück Tradition nehmen. Gemeinsam mit Olaf Steinbiß und der SPD vor Ort setze ich mich daher dafür ein, dass die Glocke erhalten bleibt.“
Ob dieser Einsatz Früchte tragen wird, bleibt vorerst offen. Fest steht hingegen: Einen Plan B für Die Glocke gibt es nicht. „Entweder hier oder gar nicht“, stellt Andrea Dührkop klar.