Hamburg. Geplante Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer bedrohe in Hamburg 400 Gastrobetriebe, warnt Dehoga. Trinkgeld fließt schon jetzt weniger.

Ob für das Mittagessen im Restaurant, den Cappuccino im Café nebenan oder den Feierabendwein in der Lieblingsbar: In Deutschland ist es üblich, Trinkgeld zu geben. Als Zeichen der Wertschätzung etwa, um auszudrücken, wie zufrieden man mit der Leistung und dem Service war.

Sind die Hamburger also immer unzufriedener mit dem Service und ihrem Essen? Hört man sich in der Gastroszene um, könnte man das zumindest meinen. Egal ob Edelrestaurant oder niedrigpreisige Gastronomie: Viele Gastronomen und Servicemitarbeiter nehmen wahr, dass ihre Gäste weniger Trinkgeld geben. Doch woran liegt das? Und was bedeutet das für die Betriebe?

Restaurantbesuch: Hamburger geben immer weniger Trinkgeld

Einer der Hauptgründe könnte etwa die anhaltende Inflation sein. Denn um überhaupt darüber nachzudenken, wie viel Trinkgeld angemessen ist, muss man es sich erst einmal leisten können, auswärts essen zu gehen. Und das scheint für viele Hamburger offenbar gerade keine Realität zu sein, wie eine nicht repräsentative Umfrage des NDR kürzlich ergab. Für gut zwei Drittel (69 Prozent) der knapp 16.000 Befragten ist Essengehen bereits jetzt schon Luxus. Bei Menschen mit Kindern sagten dies sogar 78 Prozent.

Doch die Restaurants sind nicht leer. Bei den Gästen, die kämen, falle das Trinkgeld aber eben „ungewöhnlich niedrig“ aus, sagt etwa ein Servicemitarbeiter der italienischen Restaurantkette Mama Trattoria in Winterhude. Während vor der Inflation Trinkgeld in Höhe von zehn bis zwölf Prozent üblich gewesen sei, geben viele Gäste aktuell oftmals mit vier bis fünf Prozent gerade einmal die Hälfte. Und das liege nicht am Service. „Im Gegenteil: Die Gäste sagen uns sogar oft, dass sie mit dem Essen und dem Service höchstzufrieden waren.“

„Gäste legen einfach weniger drauf“

Ähnlich erlebt es eine Mitarbeiterin des Restaurants Marinehof in Nähe des Alsterfleets: „Wir merken, dass die Leute weniger Trinkgeld geben, aber wir haben unsere Preise aufgrund der Inflation ja auch angehoben. Die Gäste geben also prinzipiell nicht weniger Geld aus als vorher, aber legen eben weniger drauf.“ Die Mitarbeiterin könne das zwar verstehen, sieht aber eine deutliche Gefahr für ihre berufliche Zukunft, sollten die Leute irgendwann gar kein Trinkgeld mehr geben. Dann nämlich müsse sie sich einen anderen Job suchen.

Claas Henrik-Anklam, Betreiber des Edelrestaurants Henriks in Winterhude, sagt, dass Trinkgeld schon immer ein „heikles Thema“ gewesen sei. Zehn Prozent, so wie früher einmal üblich gewesen, seien dem Restaurantbetreiber schon länger keine Selbstverständlichkeit mehr. Von 100 Gästen sei es Anklam zufolge gerade einmal einer, der oder die auch wirklich zehn Prozent gibt. Oftmals seien es zwischen fünf bis acht Prozent.

Doch Anklam hat Verständnis: „Durch die Inflation ist einfach alles teurer geworden. Das darf man nicht unterschätzen.“ Außerdem mache es dem Restaurantbetreiber zufolge auch einen Unterschied, ob Gäste fünf- bis siebenmal pro Woche für ein Mittagessen in sein Lokal kämen oder nur einmal für ein Abendessen. Diejenigen, die nur einmal kämen, geben dem Gastronomen zufolge auch meistens mehr Trinkgeld.

Ausgehverhalten der Hamburger hat sich verändert

Dass sich das Ausgehverhalten der Hamburger seit der Inflation verändert hat, merkt auch Tim Lang, der das Tim’s auf der Großen Elbstraße am Fischmarkt betreibt. „Die Leute sind wegen der allgemeinen Situation verunsichert und kommen entsprechend seltener.“ Es gebe zwar immer noch Stammgäste, die „normal“ viel Trinkgeld geben, aber eben auch diejenigen, die deutlich weniger geben.

„Was mich enttäuscht, ist, dass besonders Firmen kaum Trinkgeld geben. Dabei müssen es die Gäste ja noch nicht einmal selbst bezahlen.“ Bei einer Rechnung von 1000 Euro gebe es manchmal lediglich zehn bis 15 Euro Trinkgeld. „Das ist für den Kellner wie ein Schlag ins Gesicht, und ich sehe die fehlende Wertschätzung, die die Gäste damit ausdrücken, als Risiko für die Personalsituation.“

Gastronomen besorgt über Erhöhung der Mehrwertsteuer

Ohnehin sei es Lang zufolge nämlich gerade schwierig, Personal zu finden. Wird jetzt auch noch, wie von der Bundesregierung geplant, die Mehrwertsteuer in der Gastronomie ab 2024 auf 19 Prozent wieder angehoben, nachdem sie 2020 in der Corona-Krise auf sieben Prozent gesenkt worden war, sieht Lang große Probleme auf die Gastronomie zukommen.

„Nachdem wir aufgrund der Inflation unsere Preise erhöhen mussten, sehe ich auch irgendwann den Zenit erreicht, dass die Hamburger noch Spaß am Essen haben. Die Preiserhöhungen sind kein Goodie, das wir uns nun in die Taschen stecken, sondern lediglich die Weitergabe der erhöhten Lebensmittelpreise.“ Lang werde deshalb die Preise zu Januar nicht um zwölf Prozent erhöhen, aus Sorge, dass die Gäste fernbleiben. Doch eigentlich sei das gegenüber den Kollegen nicht fair.

Mehrwertsteuererhöhung: Dehoga sieht Hunderte Restaurants vor dem Aus

„Mir sind viele Gäste und eine kleinere Marge lieber als wenige“, sagt Lang. Dass er in naher Zukunft wieder die Marge erreicht wie vor Corona, daran glaube er nicht. Der Restaurantbetreiber hofft jedoch darauf, dass die Bundesregierung zumindest nicht die vollen zwölf Prozent Mehrwertsteuer zusätzlich erhebt.

Jens Stacklies in seiner Gröninger Brauerei. Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services
Jens Stacklies in seiner Gröninger Brauerei. Foto: Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services © FFS-HH | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Jens Stacklies, Vizepräsident des Hotel und Gaststättenverbands Hamburg (Dehoga) und selbst Betreiber mehrere Restaurants, plädiert dafür, die Mehrwertsteuer bei sieben Prozent zu belassen und nicht zu den ursprünglichen 19 Prozent zurückzukehren. „Zwölf Prozent mehr können sich unsere Mittelständler nicht mehr leisten. Gestiegene Energiekosten, Gehaltssteigerungen für die Mitarbeiter und weitere Kostenerhöhungen für Entsorgung oder Einrichtung, all das muss ja umgelegt werden.“

Zahl der Restaurants in Hamburg seit Corona stark rückläufig

Bundesweit sieht Stacklies deshalb 12.000 bis 14.000 Betriebe von der Schließung bedroht. Für Hamburg schätzt der Vizepräsident und Restaurantbetreiber rund 400 Restaurants von einer Pleite bedroht. „Das ist eine Milchmädchenrechnung, die Christian Lindner da macht. All die Jobs, die an den Betrieben hängen, wie etwa Servicemitarbeiter, Zulieferer oder Handwerker sind dadurch gefährdet.“

Dabei ging die Zahl der Gastrobetriebe im Zuge der Corona-Pandemie ohnehin zurück: 2021 gab es nach Angaben des Dehoga und des Statistikamts 4.052 solcher Betriebe in Hamburg (ohne Hotels und andere Beherbergungsunternehmen), zwei Jahre zuvor waren es noch 4745 – ein Rückgang um gut 14 Prozent.

Gastronomie Hamburg: Viele Restaurants vor dem Aus

Johann Möller, Sprecher der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), befürchtet ebenfalls, dass Gastronomen sich scheuen werden, den „Steuer-Paukenschlag“ eins zu eins an die Gäste weiterzugeben. „Ab Januar mal eben zwölf Prozent an zusätzlichen Steuern auf die ohnehin schon kräftig gestiegenen Preise obendrauf, das werden die meisten Betriebe nicht wagen. Sie haben Angst, dass ihnen die Gäste dann wegbleiben.“ Die Folge sei eher, dass Gastronomen bei ihrem Personal sparen.

Doch das sei das fatalste Signal, sagt Möller. „Perspektivisch müssen die Löhne in der Gastronomie weiter steigen, um Gastro-Jobs attraktiver zu machen und den massiven Personalmangel zu bekämpfen.“