Hamburg. Plastische Chirurgie ist viel mehr als Brüste aufpolstern: Dank Marco Blessmann haben diese fünf Patienten „ihr Leben zurück“.
Sie mochte nicht mehr vor die Tür gehen. Keinen Besuch empfangen. Maria P. (Name geändert) wollte niemanden mehr sehen. Als zu schrecklich empfand sie ihr eigenes Äußeres. Und wenn es sich doch einmal nicht umgehen ließ, dass sie das Haus verlassen musste, spürte sie, wie man sie anstarrte. „Die Kinder fanden mich zum Gruseln“, erzählt die 67-Jährige. Um den Kleinsten den Schrecken zu nehmen, hatte sie sich eine Antwort zurechtgelegt: „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin nur krank.“
Krank – und entstellt. Maria P. litt unter einer Gesichtslähmung, den Nachwirkungen einer Tumorerkrankung. „Ich mochte kaum noch in den Spiegel schauen“, sagt sie. „Geschweige denn, dass mich irgendjemand so sieht.“
UKE Hamburg: Plastischer Chirurg hilft verletzten und erkrankten Patienten
Heute aber, meint Maria P., sei alles wieder gut. „Es ist wie ein neues Leben“, freut sich die 67-Jährige. Zu verdanken habe sie das Prof. Dr. Dr. Marco Blessmann, dem Leiter der Abteilung für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Der Spezialist vollzog an Maria P. eine Operation, durch die ihr Gesicht fast so ebenmäßig aussieht wie früher. „Für mich und alle anderen in meinem Umfeld sieht es wieder sehr, sehr gut aus“, sagt die Rentnerin aus Mecklenburg-Vorpommern. „Ich bin so was von dankbar!“
Plastische Chirurgie ist mehr als Brüste aufpolstern
Patienten, die ihr Leben zurückbekommen: Das ist es, was Mediziner Blessmann antreibt. „Ich freue mich wie ein kleines Kind, wenn die Menschen wieder am Leben teilnehmen können“, sagt der Hamburger. „Es ist eine ganz tiefe, befriedigende Aufgabe, jemandem die Möglichkeit zu geben, sich wieder zeigen zu wollen und zu können.“
Wenn Marco Blessmann sagt, dass er plastischer Chirurg ist, denken die meisten, dass er Tränensäcke und Fettpolster entfernt, Brüste aufpolstert, Falten „wegbügelt“. Dass er an unterschiedlichen Körperstellen Hand und Skalpell anlegt, damit jemand jünger, schlanker, vermeintlich attraktiver aussieht. Das kann der Mediziner auch – sehr gut sogar.
„Bei uns geht es im Wesentlichen um rekonstruktive Chirurgie“
„Es gibt Leute, die sagen: Ich habe ein gewisses Alter erreicht, möchte aber wieder jünger, dynamischer, unverbrauchter aussehen – und die dann den Weg zu uns ins UKE finden“, erzählt der 52-Jährige. Aber: „Ästhetische Chirurgie ist nur ein kleiner Teil dessen, was wir machen. Als universitäres Klinikum geht es bei uns im Wesentlichen um rekonstruktive Chirurgie.“
Also um Fälle, in denen Menschen beispielsweise nach Unfällen, Hundebiss- oder Messerverletzungen, Krebserkrankungen, Gesichtslähmungen oder massiven entzündlichen Prozessen schwerste körperliche Defekte erlitten haben; Menschen, die unter Umständen sogar in die Gefahr geraten sind, ums Leben zu kommen.
Oder Betroffene, denen wegen Tumorbefalls oder nach einem Unfall der Verlust eines Beines oder Armes droht. Geschlechtsangleichende Operationen, die die Lebbarkeit der Geschlechtsrolle bei Transgendern ermöglichen, stellt einen weiteren Schwerpunkt der Abteilung am UKE dar.
Einem Zwölfjährigen drohte die Amputation des Beines
Wer verstehen möchte, was Mediziner Blessmann eigentlich genau macht, fragt am besten seine Patienten. Und die erzählen gern. So wie Karol M. (Name geändert). Der heute 16-Jährige wurde 2019 vor seiner Hamburger Schule auf einem Zebrastreifen von einem Schulbus überrollt.
„Beide Beine waren verletzt. Aber mein linkes Bein so schwer, Haut und Muskulatur waren weg und das Knie so massiv geschädigt, dass die Ärzte das Bein amputieren wollten“, erzählt der Schüler. „Aber Prof. Blessmann ist extra aus seinem Urlaub gekommen und wollte versuchen, mein Bein zu retten.“
Tatsächlich hat Blessmann damals seine Ferien mit der Familie auf Mallorca abgebrochen und sich ins Flugzeug gesetzt, um Karol zu operieren. „Es erfolgte eine aufwendige Rekonstruktion, bei der eine Muskeltransplantation vom Rücken ans Knie vorgenommen wurde, um das offene Gelenk damit abzudecken und beweglich zu halten“, erklärt der Plastische Chirurg den Eingriff. „Im zweiten Schritt wurde sogenannte Spalthaut, also ein Transplantat aus Ober- und Lederhaut, auf das gesamte hautlose linke Bein verpflanzt.“
Nach Unfall mit Schulbus: Heute kann der Junge wieder normal gehen
Heute kann der Jugendliche wieder normal gehen und sogar seinen Sport, das Ringen, ausüben, „mit kleinen Einschränkungen“, wie der Schüler sagt. „Aber insgesamt kann ich fast alles machen. Ich bin meinen Ärzten und vor allem Professor Blessmann sehr, sehr dankbar. Ich glaube, Gott hat mir gute Menschen gegeben, die mich gerettet haben“, meint Karol.
Ein von Gott gesandter guter Mensch? Blessmanns Verständnis ist da deutlich bodenständiger. Er sieht sich vor allem als verantwortungsvoller Arzt, aber auch als Mediziner, der durch seine Fertigkeiten Patienten nach Schicksalsschlägen hilft, ihnen Beweglichkeit und ein ästhetisches Aussehen zurückgeben kann, Arme und Beine erhält – und der dabei auch Lebensqualität schafft.
„Sie haben mir die Hoffnung wiedergegeben“, ist etwas, was er häufiger von Patienten hört, erzählt der Arzt und Familienvater. Manche sagten auch: „Durch Sie habe ich mein Leben zurück.“ Dazu Blessmann: „So eine Rückmeldung zu bekommen, ist wunderbar.“
UKE: Plastische Chirurgie unter anderem an der Nase und am Bauch
Der Chef der Plastischen Chirurgie am UKE, einer der renommiertesten Ärzte seines Fachs in Norddeutschland, hat unter anderem eine Patientin operiert, die sich seit frühester Kindheit mit ihrem Aussehen höchst unwohl fühlte. Das Mädchen hatte eine angeborene Fehlbildung der Nase, die in der plastischen Chirurgie wegen der Ähnlichkeit mit einem Vogelschnabel „Papageiennase“ genannt wird.
Vor allem als Jugendliche habe sie Stigmatisierung und Mobbing erlebt, so schildert Mediziner Blessmann das Leben der Hamburgerin. Daraufhin habe sie Minderwertigkeitsgefühle entwickelt und sich aus der Gesellschaft zurückgezogen.
Nach einer Rekonstruktion der Nase mittels Knorpel- und Knochentransplantaten in drei Eingriffen innerhalb von vier Jahren ist die heute 23-Jährige mit ihrem Aussehen höchst zufrieden. Ihre Menschenscheu ist verschwunden, ihr Leben damit unbeschwerter, lebenswerter.
Lebensbedrohliche Sepsis erforderte Entfernung der Bauchwand
Eine andere Patientin, die schließlich im UKE auf dem OP-Tisch von Marco Blessmann landete, hatte mit einer lebensbedrohlichen Sepsis zu kämpfen. Jessica T. (Name geändert) hatte nach einem gynäkologischen Routineeingriff zu Jahresbeginn 2022 eine gefährliche Infektion des Weichteilgewebes am Bauch entwickelt, lag deshalb sogar im Koma.
„Die Infektion hatte sich wie hungrige Bakterien durch meine Bauchdecke gefressen“, erklärt die 28-Jährige. Weil die Sepsis auch auf andere Körperareale überzugreifen drohte, musste die gesamte Bauchwand entfernt werden, inklusive Haut- und Fettgewebe sowie der gesamten stabilisierenden Muskulatur, bis in die Tiefe des Körpers hinein.
Patientin: „Meine Überlebenschancen waren nicht groß“
„Meine Überlebenschancen waren nicht groß“, erzählt sie. „Heute bin ich wieder gesund, zum Glück. Ich lebe!“ In der Plastischen Chirurgie am UKE erfolgte durch Prof. Blessmann und sein Team eine Rekonstruktion der Bauchdecke, unter anderem indem die Ärzte außergewöhnlich große Bereiche von Haut und Muskulatur beider Oberschenkel, sogenannte ALT-Lappen, bei Jessica T. verpflanzten.
„Ich hatte in 18 Monaten 20 Operationen“, erzählt sie. In einem vorerst letzten Eingriff wurde ihr eine Art Netz in der Bauchdecke gespannt, das die natürliche Spannung der Muskulatur ersetzen soll. „Ich kann jetzt wieder ein Kleid anziehen“, sagt die 28-Jährige. Die rekonstruktiven Eingriffe hätten ihr „sehr viel Lebensqualität zurückgegeben. Ich bin mehr als froh, dass es so was gibt.“
„Der Gedanke, auf den Stumpf des Fußes zu gucken, war schrecklich“
Ganz ähnlich formuliert es Stephanie Oltmanns. „Ans UKE und zu Professor Blessmann zu kommen, war ein großes Glück“, sagt die Rellinger Zahnärztin. „Ohne sein Zutun gäbe es meinen Fuß nicht mehr.“ Sie war 2019 mit ihrem Motorrad verunglückt, an einer Autobahnausfahrt zu nah an die Leitplanke geraten.
„Mein rechter Fuß war fast komplett abgetrennt“, erzählt die 57-Jährige. Von den behandelnden Ärzten sei zunächst eine Amputation erwogen worden. „Ich war vorher eine ganz ambitionierte Hobby-Triathletin. „Der Gedanke, morgens aufzuwachen und auf einen Stumpf zu gucken, war schrecklich.“
Unfallchirurgie konnte Fuß rekonstruieren – Blessmann bewahrte Beweglichkeit
Der Unfallchirurgie sei es schließlich gelungen, den Fuß zu rekonstruieren, „aber es fehlten sehr viel Haut und Gewebe“, erinnert sich die Patientin. „Es nützt nichts, wenn der nackte Knochen erhalten werden kann, aber es bleibt ein Riesenloch.“
Hier kamen Blessmanns Fähigkeiten zur Geltung. „Zur Defektabdeckung haben wir einen Gewebetransfer mit Anschluss an die Unterschenkelgefäße durchgeführt“, erzählt der Experte. So konnte nicht nur Stephanie Oltmanns’ Fuß erhalten werden, sondern auch ein Großteil seiner Kraft und Beweglichkeit.
Ehemals Schwerverletzte kann wieder an Triathlonwettkämpfen teilnehmen
Die Hobby-Triathletin kann damit auch wieder ihrer Leidenschaft nachgehen. „Aufgrund des kleinen Kunstwerks unten an meinem Bein kann ich wieder schwimmen und Rad fahren“, erzählt die Zahnärztin.
Schnell laufen könne sie zwar nicht, aber es gebe Triathlonwettkämpfe, bei denen die Sportler die Disziplinen als Staffel absolvieren können.
„Ich habe ein Riesenstück Lebensqualität zurückgewonnen“
So startete Stephanie Oltmanns etwa Anfang August beim Ostseeman-Triathlon in Glücksburg. „Ein Freund von mir übernahm die Laufstrecke, ich bin geschwommen und mit dem Rennrad gefahren.“
Professor Blessmann sei nicht nur ein toller Chirurg, betont die Rellingerin. „Nach so einem Unfall, wie ich ihn hatte, ist man im Ausnahmezustand. Es geht einem auch mental sehr schlecht. Und er hat mich getröstet und mich als Arzt ganz toll betreut.“ Sie werde Blessmann „ewig dankbar sein. Durch seine Kunst war es ein Riesenstück Lebensqualität, die ich zurückgewonnen habe.“
Da war die Scham, unter Menschen zu gehen
Auch Maria P., die Frau, die an der Gesichtslähmung litt, schwärmt davon, wie sehr ihr die plastische Chirurgie des UKE-Professors Blessmann geholfen habe. „Ich bin unglaublich froh!“, betont die 67-Jährige. „Ich wusste vorher gar nicht, dass man solche Eingriffe machen kann.“
Nach ihrer Hirntumor-Operation im Jahr 2020 und der daraus resultierenden Gesichtslähmung war sie durch private Kontakte ermutigt worden, sich ans UKE zu wenden. Eine Vorstellung davon, wie sehr man ihr da helfen könnte, hatte sie damals nicht – stattdessen viele Probleme, Ängste und vor allem die Scham, unter Menschen zu gehen.
Die Folge ihrer Erkrankung, die medizinisch Fazialisparese heißt: Das rechte Auge hing herab. Es wirkte wie deplatziert und ließ sich nicht mehr schließen. Ihr rechter Mundwinkel hing ebenfalls herunter. Jedes Essen wurde für sie zur Qual – auch aus ästhetischen Gründen, weil die Lähmung bewirkte, dass ihr die Nahrung immer wieder aus dem Mund herausfiel.
Nach der OP wächst der Nerv auf der gelähmten Seite wieder nach
Dass sie heute wieder normal essen kann, dass sie mit ihrem Aussehen zufrieden ist, hat eine Operation bewirkt, bei der Blessmann einen Nerv vom Unterschenkel der Patientin in deren Gesicht verpflanzt und dort „vernetzt“ hat.
„Der Gefühlsnerv vom Bein wird auf der gesunden Gesichtsseite angeschlossen, dann in einer Art Tunnel unter der Haut zur Gegenseite gelegt, dort gesplittet und an Hauptäste zur Muskulatur wieder angeschlossen“, erklärt der Experte. Auf der ehemals gelähmten Seite wachse der Nerv an und könne nach und nach wieder Impulse leiten.
Blessmann rät: Mit Operation nicht zu lange warten
„Es kann bis zu zwölf Monate dauern, bis der Effekt einsetzt.“ Die Nervenimpulse seien zwar auch nach dem erfolgreichen Eingriff nicht so intensiv wie vor der Erkrankung, „aber immerhin so, dass normale Funktionen wieder möglich sind“, sagt Blessmann.
Zugleich warnt er davor, mit der Operation zu lange zu warten. Nach etwa neun Monaten seien die Gesichtsmuskeln verfettet und so verändert, dass Nervenimpulse nichts mehr bewirken können. „Die Schädigung ist dann nicht mehr reversibel.“
Ein Eingriff dauert viele Stunden, mehrere Ärzte sind beteiligt
Gesichtslähmungen kämen leider bei relativ vielen Patienten vor, weiß Blessmann. Statistisch gesehen gebe es 25 Erkrankungen auf 100.000 Einwohner. Die Gründe für die Fazialisparese seien vielfältig, beispielsweise nach einem Schlaganfall, nach Tumoroperationen, oder sie würden idiopathisch, also ohne bekannte Ursachen, ausgelöst.
Eine plastische Operation nach einer Gesichtslähmung, inklusive Nerventransplantation „dauert vier bis sechs Stunden“, erklärt der Mediziner. Mindestens vier Ärzte seien an dem Eingriff beteiligt.
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Blessmann wünscht sich, dass die von einer Gesichtslähmung betroffenen Patienten auch von anderen behandelnden Medizinern, etwa von Neurologen, über die Möglichkeiten einer plastischen Operation informiert würden. Bei manchen niedergelassenen Ärzten sei das Wissen noch nicht angekommen, „was man heute an Nerven operativ reparieren kann“.
Zentrum für Fazialis-Rekonstruktionschirurgie soll am UKE etabliert werden
Um solche Erkrankungen zu behandeln, soll am UKE ein Zentrum für Fazialis-Rekonstruktionschirurgie etabliert werden. Es wäre das erste in Norddeutschland, so Blessmann – und dringend erforderlich.
Denn der Bedarf sei groß, die positiven Wirkungen, die solche Eingriffe erzielten, seien enorm. „Ein Gesicht vermittelt Emotionalität. Und es ist für uns Experten hochbefriedigend, wenn sich die Betroffenen nach erfolgter Behandlung wieder so gut fühlen, dass sie gern unter Leute gehen.“
Nach OP am UKE: zwei Jahre Physiotherapie und täglich Übungen
So wie Maria P. Heute, einige Zeit nach der plastischen Operation im UKE, erzählt die Rentnerin begeistert von ihrem „neuen Lebensgefühl“. Noch gebe es zwar kleinere Einschränkungen, zum Beispiel könne sie mit der rechten Mundpartie nicht richtig lächeln. „Aber damit kann man leben. Wichtig ist, dass es seit der Operation bei Professor Blessmann bergauf ging, stetig weiter bergauf.“
Diesen Erfolg erlebe sie auch deshalb, weil sie zwei Jahre Physiotherapie erhalten hat „und ich danach täglich weiterhin meine Übungen mache“. So arbeitet sich Maria P. immer weiter zurück in die Welt, die sie mit allen Sinnen und ganzem Herzen genießen möchte. „Professor Blessmann hat mir mein Gesicht und mein Leben wiedergegeben.“