Hamburg. Drei Hamburger, die im falschen Körper geboren sind, sprechen über Transfeindlichkeit. Wie sie damit umgehen und was sie fordern.

„Sobald du dich in der Öffentlichkeit bewegst, bietest du eine Angriffsfläche“, sagt Luca Ehrhardt. Der 27-Jährige definiert sich als trans. Das bedeutet: Er ist im falschen Körper geboren und lebt nun, nach einem langwierigen Prozess, als Mann in Hamburg. Für den Erzieher ist Diskriminierung im Alltag nichts Ungewöhnliches – und damit ist er nicht allein.

Um auf dieses Thema aufmerksam zu machen, lautet das Motto des diesjährigen CSD in Hamburg „Selbstbestimmung jetzt! Verbündet gegen Trans*feindlichkeit“. Erstmals liegt damit der Fokus der Kampagne explizit auf einer speziellen Gruppe aus der LGBTQIA*-Community. Im exklusiven Abendblatt-Gespräch erzählen drei Transmenschen von ihren Erfahrungen.

CSD Hamburg: Transfeindlichkeit – das sagen Betroffene

Für Luca Ehrhardt sind beispielsweise Schwimmbäder und öffentliche Toiletten Orte, die Unbehagen und Unwohlsein auslösen. „Im Fitnessstudio war ich noch gar nicht duschen“, erzählt der 27-Jährige. Zwar sieht er optisch nicht mehr wie eine Frau aus, dennoch ist er in einigen Situationen immer noch besonders behutsam und vorsichtig. „Es gibt viel Übergriffigkeit wegen Unerfahrenheit und Unsicherheit.“

Luca Ehrhardt lebt in Hamburg und berichtet: „Sobald du dich in der Öffentlichkeit bewegst, bietest du eine Angriffsfläche.“
Luca Ehrhardt lebt in Hamburg und berichtet: „Sobald du dich in der Öffentlichkeit bewegst, bietest du eine Angriffsfläche.“ © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Auf der Arbeit hingegen erlebe er kaum Feindlichkeit, sein ganzes Team sei sogar dieses Jahr beim CSD dabei. Und auch die Kinder und Jugendlichen, die er betreut, fiebern der Veranstaltung entgegen.

„Ich habe mich zunehmend unwohl gefühlt“

Anders sah es bis vor Kurzem bei der 56 Jahre alten Susanne Steinfeld aus Bramfeld aus. Sie arbeitet im technischen Außendienst bei einem Stromversorgungsunternehmen und stieß während ihrer äußeren Angleichung zur Frau, der sogenannten Transition, auf Unverständnis bei einigen Kollegen. „Ich habe mich zunehmend unwohl gefühlt und fühlte mich dadurch gezwungen, die Abteilung zu wechseln“, erzählt sie. Unterstützung fehlte ihr in diesem Zusammenhang auch von ihrer Teamleitung.

Transfeindlichkeit in Hamburg: Susanne Steinfeld fühlte sich während ihrer Angleichung zur Frau in ihrer früheren Abteilung unwohl.
Transfeindlichkeit in Hamburg: Susanne Steinfeld fühlte sich während ihrer Angleichung zur Frau in ihrer früheren Abteilung unwohl. © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Das neue Umfeld habe sie hingegen sehr gut aufgenommen. Dennoch tritt Susanne Steinfeld auf der Arbeit immer wieder in den Dialog – mit dem Antrieb, veraltete Strukturen aufzubrechen und so den Weg für Veränderung zu ebnen. Das funktioniere größtenteils gut, doch von einzelnen Personen aus der alten Abteilung werde sie heute noch missachtet und ignoriert.

Bettina Solzbacher geht offen mit ihrer Transition um

Offensiv mit ihrer Transition geht auch Bettina Solzbacher aus Rahlstedt um. Besonders, wenn die 43-Jährige merkt, „dass es Probleme durch Unverständnis, Unwissen oder Falschwissen gibt“. Dann versuche sie zu vermitteln.

Bettina Solzbacher geht offensiv mit ihrer Transition um und versucht bei Unverständnis, Unwissen oder Falschwissen zu vermitteln.
Bettina Solzbacher geht offensiv mit ihrer Transition um und versucht bei Unverständnis, Unwissen oder Falschwissen zu vermitteln. © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Als stellvertretende zivile Gleichstellungsbeauftragte an einer Hamburger Universität ist das sogar ihr Job. Dort wurde sie noch nie diskriminiert oder angefeindet. Nur beim Dating hat sie ab und an Schwierigkeiten, da es Männer gebe, die mit ihrer Transidentität nicht zurechtkommen.

Hamburgerin: „Transsexualität“ sollte aus Wortschatz gestrichen werden

Außerdem klärt Bettina Solzbacher regelmäßig über das Wort „Transsexualität“ auf. Ihrer Meinung nach sollte es „grundsätzlich aus unserem Wortschatz gestrichen werden“. Transsein – im Gegensatz zur Homosexualität – habe nichts mit Sexualität zu tun, sondern mit der eigenen Geschlechtsidentität.

So fordert auch CSD-Veranstalter Hamburg Pride mehr Rechte für Trans*Menschen und befürwortet das neue Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung. „Trans*Menschen sehen sich in besonderem Maße mit Vorurteilen, Hass und Gewalt konfrontiert“, sagt Manuel Opitz, Sprecher von Hamburg Pride. Transgeschlechtliche Menschen sollen es durch das neue Gesetz einfacher haben, eine rechtliche Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens durchzusetzen.

Konkret sieht das Selbstbestimmungsgesetz vor, diese rechtliche Änderung mit einer Selbstauskunft beim Standesamt beantragen zu können. Bis jetzt mussten transgeschlechtliche Menschen laut dem Lesben- und Schwulenverband für solche Änderungen ein oft kostspieliges und „demütigendes“ Gerichtsverfahren durchlaufen sowie mehrere Gutachten vorlegen.

„Ich war nie anders, ich bin immer Susanne gewesen!“

„Es ist klar, dass es längst überholt und veraltet ist. Es hätte schon längst geändert werden müssen“, sagt auch Luca Ehrhardt in Bezug auf das noch aktuell rechtsgültige „Transsexuellengesetz“. So komme es bislang immer wieder zu Situationen – ob auf der Arbeit, bei Behörden oder mit anderen Menschen – wo man aufgefordert werde, sich zu rechtfertigen. „Es ist ja nicht so, dass wir unser Geschlecht alle paar Jahre ändern, wie das manchmal postuliert wird“, sagt Susanne Steinfeld und fügt hinzu: „Ich war nie anders, ich bin immer Susanne gewesen!“

Zwar sei die Änderung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung bereits vereinbart, doch einer baldigen Umsetzung stehen Ehrhardt, Solzbacher und Steinfeld eher skeptisch gegenüber.

CSD Hamburg: Mehr Präsenz, weniger Transfeindlichkeit?

Damit Feindlichkeit und Unsicherheit gegenüber Transmenschen abnehme, sei es wichtig, auch außerhalb der Pride Week „noch mehr Präsenz zu zeigen. Hamburg müsste sich noch mal mehr auf die Fahne schreiben: Nicht nur einmal im Jahr ist alles ‘bling-bling’ und vielfältig“, sagt Luca Ehrhardt. „Entwicklung braucht Reibung!“

Etwa durch einen öffentlichen Ort, wie den erst kürzlich vom Senat beschlossenen „Denkort“ für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, der zum Nachdenken und Diskutieren einladen soll.