Hamburg. Vor 50 Jahren noch lag die Mortalität bei Gehirn-OPs bei 40 Prozent. Chefarzt über den Fortschritt und seine längste OP.
156 verschiedene Arten von Hirntumoren gibt es. „Angesichts dieser Zahl kann man sich vorstellen, wie wichtig eine hoch spezialisierte Diagnostik ist“, sagt Professor Dr. Paul Kremer. In dieser Hinsicht habe die Kernspintomografie, das MRT, seinen Fachbereich geradezu „revolutioniert“, so der Chefarzt für Neurochirurgie von der Asklepios Klinik Nord – Heidberg.
Krankenhaus Hamburg: Wie man einen Hirntumor Millimeter genau lokalisiert
„Wir können mittlerweile auf den Millimeter genau sehen, wo der Tumor lokalisiert ist und in welcher Beziehung er zu wichtigen Strukturen, wie beispielsweise dem Sprachzentrum, liegt“, sagt der habilitierte Chefarzt. Die „neue Welt der Diagnostik“ habe das Operieren sehr viel genauer gemacht („wobei ein guter Chirurg auch mit wenigen Instrumenten auskommt und sich natürlich auch dann zurechtfindet, wenn Licht und Navigation ausfallen“) und vor allem die Sicherheit für die Patienten erhöht.
Vor 50 Jahren noch habe die Mortalität bei Eingriffen am Gehirn bei rund 40 Prozent gelegen, sagt der Experte. „Heute verzeichnen wir selbst bei sehr komplexen Eingriffen eine Sterblichkeit von nur einem Prozent, das ist ein enormer Fortschritt“, sagt der Chefarzt, der selbst täglich Hirntumoren entfernt. „Bin ich beim Friseur, dann frage ich immer: Wie viele Köpfe machen Sie täglich im Schnitt? Bei mir sind es so ein bis zwei“, sagt er lachend.
Hirntumor: Die meisten Patienten haben Angst vor Eingriff am Kopf
Das Thema sei aber natürlich ernst, ein Eingriff am Kopf mache den allermeisten Patienten verständlicherweise Angst – auch wenn die Behandlungsmöglichkeiten mittlerweile eben sehr gut seien. „Mein Credo lautet: Den Patienten so lange und so gut informieren, bis er seine Erkrankung nahezu vergessen hat.“ Komme der Patient aufgeklärt und entspannt zur Operation, so sei der Eingriff inklusive Nachbehandlung schlicht besser auszuhalten.
Doch mit welchen Symptomen äußert sich ein Hirntumor? Gibt es da auch 156 verschiedene Alarmsignale? „Das nicht, es hängt stark von der ,Lage des Prozesses‘, wie wir Mediziner es nennen, ab. Die Betroffenen klagen oft über Kopfschmerzen, manche spüren auch eine Antriebslosigkeit. Das sind aber natürlich zunächst eher unspezifische Symptome, die auf alles Mögliche hindeuten könnten.“
Hirntumor: Operation ist komplex und dauert mehrere Stunden
Die Entfernung eines Hirntumors sei ein „sehr komplexer Eingriff“, der mehrere Stunden dauere. „Meine längste Operation – da war ich allerdings noch Assistenzarzt – hat tatsächlich 23 Stunden angedauert“, sagt der gebürtige Freiburger, der vor seiner Zeit in Hamburg am Kopfklinikum der Universität in Heidelberg tätig war. „Fünf bis sechs Stunden gelten für uns Operateure als normal, dem Patienten, der die ganze Zeit unter Narkose schläft, kommt das aber natürlich insbesondere im Vorfeld wahnsinnig lang vor.“
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Mechanisch laufe es „klassisch“ ab, wie schon bei den Römern oder Ägyptern. „Der Schädel wird eröffnet, anders geht es nicht. Dann wird das Gehirn freigelegt; und wir schauen uns an, wo der Tumor liegt.“
Krankenhaus Hamburg: Hirntumor – das Besondere an der Asklepios Klinik
Dabei helfe eben die Technik, die digitalisierte Form der Diagnostik. „Wir sehen mittlerweile schon unter der OP, ob wir wirklich den gesamten Tumor entfernt haben. Denn das ist immer die Gretchenfrage des Patienten: Ist auch wirklich alles raus?“
Eine Besonderheit sei, dass die Asklepios Klinik Nord – Heidberg in Hamburg weltweit das erste Krankenhaus gewesen sei, dass ein MRT „intraoperativ dual“ nutze. Was bedeutet das? „Das bedeutet, dass wir das Gerät nicht im Operationssaal nutzen, sondern in einem Raum, der vom OP aus direkt erreichbar ist. Das ermöglicht auch anderen Patienten eine Kernspintomografie.“ Dies mache die Anschaffung des teuren Geräts wirtschaftlicher. „Aber noch wichtiger: Viel mehr Patienten profitieren dadurch von der Diagnostik.“