Hamburg. Algorithmen spielen auch in der Medizin eine Rolle. Hype oder Hoffnung? Ein Chefarzt erklärt, wie künstliche Intelligenz hilft.
Ständig und nahezu überall ist derzeit davon die Rede: Der Dienst ChatGPT befeuert den aktuellen Diskurs um die vermeintliche Vorherrschaft künstlicher Intelligenz (KI). Doch was können die Algorithmen wirklich? Und wo werden sie längst angewendet, zum Beispiel in den Krankenhäusern?
„In der modernen Medizin spielt künstliche Intelligenz seit knapp zwei Jahren beschleunigt eine immer größere Rolle“, sagt Professor Dr. Axel Stang. Der Chefarzt des Onkologischen Zentrums an der Asklepios Klinik Barmbek forscht schon seit Jahren zu KI und hat in Hamburg eine Vortragsreihe initiiert, bei der Experten aus der ganzen Welt sprechen.
ChatGPT: Künstliche Intelligenz spielt in der Medizin große Rolle
„Das Medizinstudium läuft leider oft noch so ab wie vor 20 oder 30 Jahren. Dabei muss ein Arzt von heute mit dem Fortschritt gehen, mit der Technik vertraut sein“, sagt der habilitierte Mediziner. Denn der Patient lebe doch auch längst in der schönen neuen Welt. „Da weist die Smartwatch auf Vorhofflimmern hin, oder Symptome werden bei ChatGPT eingegeben, und KI schlägt eine Diagnose vor.“
Selbstverständlich habe künstliche Intelligenz ihre Grenzen, ersetze niemals ganz den Arzt: „Der Algorithmus erklärt nämlich nie, wie und warum er zu seiner Entscheidung kommt. Er macht womöglich einen vernünftigen Therapievorschlag, aber der Gegencheck muss schon erfolgen. Also der Arzt muss die Daten interpretieren – Motto: Passt das jetzt wirklich oder ist es ein Irrweg?“ Zudem spiele Vertrauen im Verhältnis zwischen Patient und Behandler eine zentrale Rolle. „Bauen Sie mal eine Beziehung zu einer Blackbox auf – schwierig.“
Die Treffsicherheit von künstlicher Intelligenz wächst stetig
In der Bildgebung komme künstliche Intelligenz im klinischen Alltag bereits zum Einsatz. „Bei der Interpretation von Röntgenbildern zum Beispiel. Aber auch bei Handyfotos, die beispielsweise eine Veränderung der Haut abbilden. Diese Fotos werden dann automatisiert über einen dahinterstehenden Algorithmus ausgewertet, ein Diagnosevorschlag unterbreitet.“
Die Treffsicherheit der künstlichen Intelligenz sei gut und wachse stetig, sagt der Experte. „Klar, ein Algorithmus lernt und braucht dafür wahnsinnig viele Daten.“ Doch schon nach 14 Tagen könne er so viele Bilder gesehen haben wie ein Radiologe in seinem ganzen Leben. Frustrierend oder faszinierend?
Hamburger Chefarzt: künstliche Intelligenz als Freund betrachten
„Ich finde, wir sollten künstliche Intelligenz mehr als Freund und weniger als Feind betrachten“, sagt Professor Stang. In Standardsituationen wüssten Ärzte in der Regel ohnehin sehr gut, was zu tun sei: „Kommt ein Patient mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Notaufnahme, dann braucht es keine KI.“
Anders sei es in besonderen Fällen. „Wenn es zum Beispiel eine ungewöhnliche Kombination von Symptomen gibt, die nicht sofort auf ein typisches Krankheitsbild passen. Dann ist es natürlich von unglaublichem Mehrwert, dass ein Algorithmus wie bei ChatGPT das weltweite Wissen von Datenbanken nutzt und recherchiert, welche eher seltene Erkrankung vorliegen könnte.“
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Künstliche Intelligenz solle eher wie ein „kleiner Assistenzarzt“ verstanden werden: „Vielleicht wie ein unsichtbarer Rabe auf der Schulter des Arztes. Und hin und wieder flüstert er: Schau mal hierher, denk mal daran. Das kann doch nur helfen.“
ChatGPT: Künstliche Intelligenz bringt dem Patienten zahlreiche Vorteile
In seinem Fachbereich, der Krebsheilkunde, werde künstliche Intelligenz schon genutzt: „Es ist schon durchaus verbreitet, dass wir aus ganz unterschiedlichen Quellen große Datenmengen für einen einzelnen Patienten zusammentragen, um daraus eine personalisierte und individuelle Therapie abzuleiten.“ Dieses Vorgehen, davon ist Professor Stang überzeugt, werde sich zeitnah auch auf andere Fachbereiche der Medizin ausdehnen.
„Für den Patienten ist das nur von Vorteil, denn dessen Therapie wird maßgeschneidert und damit besser“, sagt der Experte aus Barmbek.
Hier geht’s zum Podcast: Künstliche Intelligenz in der Medizin – was bringt’s?