Hamburg. Corinne Brockmüller betreibt in Langenhorn einen Dauerflohmarkt-laden mit einem besonderen Konzept. Eltern haben viele Vorteile.
Corinne Brockmüller trägt flache, rehbraune Lederschuhe, denn sie muss viel laufen: Täglich flaniert, joggt, wandelt, geht oder schlendert die zweifache Mutter mehrmals durch die langen Gänge ihres Flohmarktladens Flohkids in Langenhorn. „Mein Jeden-Tag-Schönwetter-Flohmarkt“, sagt sie und grinst.
Flohmärkte sind in Hamburg beliebt, Flohmärkte bei Regenwetter und Windböen weniger. Deshalb war Brockmüller schnell bewusst, dass ein täglicher Flohmarkt – gerade mit Kinderklamotten und Spielzeug und Babyausstattung – gut ankommen würde.
Flohmarkt Hamburg: Flohkids – 242 Regale in Ex-Supermarkt
Sie behielt recht, wie sie freudig erzählt. Mittlerweile seien 85 Prozent ihrer 242 Regalstände für mindestes eine Woche für 25 Euro gebucht – am beliebtesten sei jedoch das zweiwöchige Dauerregal mit zwei Böden und Stange für Klamotten auf Bügeln. Standmiete beträgt hier 45 Euro, 15 Prozent des Verkaufspreises gehen auch an die Flohkids-Macher. Zum Vergleich: Ein Meter Flohmarktstand in Eppendorf kostet für einen Tag 15 Euro.
Der Clou: Keiner der bislang mehr als 1300 Kunden musste hinter dem Stand stehen und auf Kundschaft warten. Die komplette Verkaufsabwicklung machen Brockmüller und ihre Mitarbeiterinnen.
Flohmarkt: Verkäufer werden via App über Verkäufe informiert
Denn: Alle Teile sind mit einem gedruckten Schild ausgezeichnet, haben Barcode und Standnummer, und abgerechnet wird an der Kasse. Hier wird dann jeder Verkauf dem ehemaligen Besitzer gutgeschrieben. Digital. Dieser kann in Echtzeit über die Flohkids-App sehen, was von seinen Dachboden-Schätzen gerade über den Tresen ging.
Offen für die digitale Welt und das neue Konzept müssen die Nutzer deshalb schon sein, auch sich die Mühe machen, ihre Sachen – Brockmüller rät zu etwa 60 Teilen auf einer Kleiderstange – zuvor in ein System einzupflegen und zu benennen, dann noch zu bepreisen. „Das geht einfach von zu Hause von der Couch aus, die Etiketten drucken wir hier, Bügel und Größenperlen für diese gibt es dann bei uns an der Servicestation“, sagt Brockmüller. Nachlegen, wenn sich alles gut verkauft, ist übrigens kein Problem und jederzeit möglich.
Flohmarkt Hamburg: Flohkids – Chefin hat Tipps für Verkäufer
Einer ihrer Tipps: An jeden Bügel eine farbige Perle – Blau steht für Größe 50 bis 68, Grün für 74 bis 80, rauf bis Größe 140 plus in Schwarz. „So werden die passenden Klamotten noch einfacher gefunden“, weiß die Expertin. Dazu haben viele Standmieter liebevoll Schilder gebastelt, auf denen die hier angebotenen Größen und Marken schnell sichtbar sind.
Vielleicht sieht es bei Flohkids deshalb eher aus wie bei einem zu groß geratenen Kinder Concept Store: Klare, moderne Einteilung des Raums, ein eingängiges Logo mit Regenbogen in gedeckten Farben, systematisches Vorgehen bei der Online-Vermietung.
Flohkids ist Flohmarkt ohne Regen, Wühlkisten und Feilschen
Es fehlen die flohmarkttypischen Wühlkisten, die Unordnung, die Hektik. Es riecht eher nach Waschmittel als nach muffigem Keller. Vielmehr, hier warten geputzte Kinderwagen, Babyschalen, Beistellbettchen, Milchpumpen, Hängewiegen und eben sehr, sehr viele Kinderklamotten auf neue Besitzer.
„Seit September haben wir 160.000 Artikel verkauft und damit in die zweite oder dritte Runde geschickt“, sagt Brockmüller, der Nachhaltigkeit sehr wichtig ist. „Das sind alles Produkte, die nicht neu produziert werden müssen.“ Und die bedeutend günstiger sind für die Kunden: Drei Bodys für 4 Euro, Anna-und-Elsa-Kleid für 4,50 Euro, Ninjago-Hoodie für 7,90 Euro, Puzzle für 3 Euro. Flohmarktpreise eben. Nur ohne Feilschen. Und ohne Regen.
Verkaufstipp der Flohkids-Chefin: Pakete schnüren
Ein anderer Verkaufstipp sei, Pakete zu machen. „Nicht jedes Paar Söckchen für 20 Cent einzeln eintragen, sondern eben fünf Paar für 1 Euro.“ Fünf weiße Regalreihen beginnen beim Eingang des 4000 Quadratmeter großen Verkaufsraums und schlängeln sich bis zum Ende. Meter um Meter stehen da Holzregale in Shabby-Chic-Manier geschliffen und gestrichen auf der Fläche eines ehemaligen Supermarkts.
Alle 90 Zentimeter prangt eine andere Zahl am obersten Regalbrett neben einer schwarzen Klammer. Das bedeutet: Hier beginnt ein neuer Flohkids-Stand. „4000 laufende Meter Holz haben mein Mann Ive, unser Mitbegründer Erich und ich vor der Eröffnung vor anderthalb Jahren allein verbaut“, sagt Brockmüller.
Flohmarkt Hamburg – die Tipps der Flohkids-Chefin:
- Pakete mit Kleinteilen wie Socken, Bodys, Unterhemden anbieten
- Farbige Flohkids-Größenperlen für die Bügel benutzen
- Kleiderstange nicht überfrachten
- Selbst gestaltete Schilder mit Angebot am Regal anklipsen
- Teile online gut beschriften für die Produktsuche, da Teile von anderen dann besser gefunden werden
- Dachbodenschätze nachlegen, wenn gut verkauft wird
- Am Ende der Mietzeit Rabatte gewähren, geht digital über die App
Alles selbst gemacht: Flohmarktregale und die digitale Plattform
Das Handwerkliche sei die eine Seite vom Flohkids-Beginn gewesen, „das Herzstück ist aber die Plattform, die Erich und mein Mann programmiert und entwickelt haben“, sagt Brockmüller.
Denn hier läuft alles digital: Stand buchen, Mietdauer, Ware einpflegen und bepreisen, Standverlängerung, Rabatte gewähren, Überprüfung des Kontostands. „Eigentlich kommen die Kunden nur, um ihre Sachen in die Regale einzuräumen, die Preise aufzukleben und dann zum Mietende die Reste wieder mitzunehmen“, sagt Brockmüller.
Flohmarkt Hamburg: 60 Prozent aller Teile werden verkauft
Sie hat selbst einen Regalstand und verkauft dort die rausgewachsenen Hosen, Pullis und Jacken ihrer achtjährigen Tochter Hedi und dem zehnjährigen Sohn Piet. Wie viel verdient man denn aber nun in einer Woche Flohmarkt?
„Pauschal kann ich das nicht sagen, das basiert ja auf den Preisen, die unsere Kunden machen“, sagt die ehemalige Grafikdesignerin. „Aber es werden meistens um die 60 Prozent der Teile verkauft, und viele Kunden suchen schon vorher über unsere Produktsuche online nach bestimmten Sachen – aktuell sind das 40.000 – und gehen dann gezielt an die Stände.“
Auch über eigene Flohkids-Produktsuche wird vieles gefunden
Deshalb lautet ein Proftipp der Chefin: „Gut beschriften, denn ordentlich beschriebene Artikel werden über unsere Online-Produkt-Suche viel besser gefunden.“ Diese Funktion ist auch ein selbst entwickeltes Novum, ein weiterer Weg, Kunden auf den Dauerflohmarktladen aufmerksam zu machen.
Dafür nutzt Brockmüller auch intensiv die sozialen Medien, postet auf Instagram und Tik Tok Bilder von Neuzugängen wie Doppelkinderwagen, Paw-Patrol-Spielzeug, einer Superman-Figuren-Ansammlung oder Babybauchtragen. „Wir drehen täglich bis zu 70 Storys, in denen wir die Teile unserer Kunden bewerben, wir helfen also aktiv beim Verkauf“, sagt Brockmüller.
- Pütt und Pann: Regal mieten und Füße hochlegen – der etwas andere Flohmarkt
- Kirchwerder: Von Tupper bis Barbies – Feilschen beim Dorfflohmarkt
- Wo es künftig kostenlos Kleidung und Schuhe gibt
Rund 2000 Leute sähen sich diese an, 5306 Follower allein auf Instagram. Nicht selten posten Hamburger sofort ihr Interesse und kommen vorbei. Verschicken will und kann das Flohkids-Team nicht, der Nachhaltigkeit wegen.
Flohmarkt Hamburg: Flohkids aus Langenhorn will expandieren
Dass das Ehepaar Brockmüller plus Familienfreund Erich keine tagträumenden Flohmarktliebhaber sind, die ein Lädchen eröffnen und sich am Erfolg freuen, zeigt der Fakt, dass expandiert wird: „Diese aufwendige Plattform haben wir nicht für einen Laden entwickelt“, sagt Brockmüller, „wir schreiben gerade an unserem Franchise-Konzept, und es gibt schon Interessenten.“
Modern, digital, nachhaltig und günstig – das ziehe auch an anderen Standorten, ist sich Brockmüller sicher. Denn Dachbodenschätze, die gibt es überall.