Nahe. Beim Hallenflohmarkt “Pütt und Pann“ müssen Verkäufer nicht hinter ihrem Stand stehen. Wie das Prinzip funktioniert.

  • Beim Hallenflohmarkt "Pütt und Pann" in Nahe kann für 17 Euro pro Woche ein Regal gemietet werden
  • Händler können Sachen einsortieren und verkaufen, die sie zuhause auf dem Dachboden oder im Keller ausgemistet haben
  • Die Sachen sind nicht nur günstiger, das Prinzip ist auch nachhaltig: Gebrauchtes kann weiterleben und muss nicht weggeschmissen werden

250 Holzregale sind befüllt mit Modellautos, Weihnachtsdekoration oder alten Micky-Maus-Heften. Auf Kleiderstangen hängen T-Shirts, Blusen und zum Teil kaum getragene Jacken. In einem Fach sitzen Teddybären aufgereiht nebeneinander, in einem anderen liegen aufgerollte Hundeleinen neben einer gebrauchten Fritteuse.

Kunden schlendern durch die Gänge und stöbern. Sie fassen die Sachen an, begutachten sie. Manche stellen sie zurück, andere behalten sie in den Händen, um sie später zu kaufen. Währenddessen bauen Verkäufer ihre Regale um und sortieren weitere Ware ein, die sie selbst zu Hause nicht mehr gebrauchen können. Bei „Pütt un Pann“ in Nahe ist jeden Tag Flohmarkt. Völlig wetterunabhängig.

Kreis Segeberg: Bei „Pütt und Pann“ in Nahe ist jeden Tag Flohmarkt

Christian Meyer hat auf einer 600 Quadratmeter großen Verkaufsfläche an der B 432 ein Paradies für Schnäppchenjäger und Sammler geschaffen. Vor ihm wurde das Geschäft als Ein-Euro-Shop genutzt, davor befand sich ein Penny-Markt in dem Gebäude. Vor drei Jahren hat der 51-Jährige dann den Hallenflohmarkt an der Segeberger Straße eröffnet.

Der Hallenflohmarkt „Pütt un Pann“ in Nahe eröffnete im Oktober 2019. Hier können Menschen ein Regal mieten und ihre gebrauchten Sachen verkaufen – oder einfach nur durch die Gänge stöbern.
Der Hallenflohmarkt „Pütt un Pann“ in Nahe eröffnete im Oktober 2019. Hier können Menschen ein Regal mieten und ihre gebrauchten Sachen verkaufen – oder einfach nur durch die Gänge stöbern. © Annabell Behrmann

„Die Idee stammt aus Dänemark“, sagt er. Während eines Familienurlaubs am Ringkøbing Fjord ist ihm das Konzept zum ersten Mal begegnet. „So etwas gibt es dort in jeder großen Stadt“, erzählt Meyer. Doch in der Heimat des Schleswig-Holsteiners war weit und breit kein Dauer-Flohmarkt zu finden. „Ich fand die Idee witzig“, sagt er. So witzig, dass er einen Businessplan schrieb und seinen Job kündigte.

Hallenflohmarkt in Nahe: Für 17 Euro pro Woche kann Regal gemietet werden

Warum er das tat? „In meinem Leben musste sich etwas verändern“, sagt Christian Meyer. 28 Jahre lang hatte er für eine Versicherung gearbeitet, war als Abteilungsleiter jeden Tag in Anzug und Schlips herumgelaufen.

Nun trägt er Jeans und Sweatshirtjacke, auf der das Logo von „Pütt un Pann“ abgedruckt ist. Zu dem Namen hat ihn seine Großmutter inspiriert. Aus dem Plattdeutschen übersetzt heißt er „Topf und Pfanne“. „Bevor sie das Haus verlassen hat, hat sie immer gesagt, sie müsse noch ,Pütt un Pann‘ zusammensuchen“, erzählt der Geschäftsführer.

Geschäftsführer Christian Meyer kann an seinem Computer sehen, wie viel Umsatz ein Mieter eines Regals aktuell gemacht hat.
Geschäftsführer Christian Meyer kann an seinem Computer sehen, wie viel Umsatz ein Mieter eines Regals aktuell gemacht hat. © Annabell Behrmann

Das Prinzip des Hallenflohmarkts ist denkbar einfach: Für 17 Euro pro Woche oder 51 Euro im Monat kann ein Regal gebucht werden – ähnlich wie eine Standgebühr bei einem herkömmlichen Flohmarkt. Die Fläche ist zwei Quadratmeter groß und kann entweder mit Einlegeböden oder einer Kleiderstange ausgestattet werden. Der Mieter erhält personalisierte Barcodeaufkleber, auf die er Preise schreiben kann. „Jeder bestimmt seine Preise selbst. Gehandelt wird bei uns nicht“, erklärt Christian Meyer.

Bei „Pütt un Pann“ müssen Verkäufer nicht am Stand stehen

Denn: Die Verkäufer stehen nicht hinter ihrem Stand. „Sie müssen nicht sonntagmorgens um 5 Uhr aufstehen, den ganzen Tag auf einem Ikea-Parkplatz warten und dann fängt es an zu schiffen“, sagt der Flohmarkt-Chef. Stattdessen sortieren die Händler ihre ausgemisteten Sachen in ihr angemietetes Regal ein und gehen wieder. Wer möchte, kann täglich Nachschub liefern. „Damit ist dein Job erledigt, du gehst nach Hause und legst die Füße hoch.“

Die Verkaufsfläche von
Die Verkaufsfläche von "Pütt un Pann" ist 600 Quadratmeter groß. Früher wurde unter anderem ein Penny-Markt in dem Gebäude betrieben. © Annabell Behrmann

Anschließend beginnt für Christian Meyer und sein siebenköpfiges Mitarbeiter-Team die Arbeit: Sie übernehmen den Verkauf. An der Kasse scannen sie die Barcodes ein und kassieren das Geld. Der Mieter kann jederzeit abfragen, wie viel er schon verdient hat. In den meisten Fällen macht er Gewinn. „Oft sind es 100 bis 200 Euro, hin und wieder überschreitet auch jemand die 1000-Euro-Grenze“, sagt Meyer.

150 Interessierte stehen auf Warteliste – 1100 Verkäufer in Datenbank

Am Ende der Mietzeit holt der Kunde die nicht verkauften Artikel ab. Sein Gewinn wird ihm überwiesen. 15 Prozent des Erlöses berechnet „Pütt un Pann“ als Verkaufsprovision. „Das ist wie eBay zum Anfassen“, sagt Meyer. Nur dass die Artikel nicht fotografiert, ins Netz gestellt und zur Post gebracht werden müssten.

Die Regale sind mit reichlich Sachen befüllt, die Menschen zu Hause aussortiert haben.
Die Regale sind mit reichlich Sachen befüllt, die Menschen zu Hause aussortiert haben. © Annabell Behrmann

Wenn der Mieter sein Regal verlängern möchte, bucht er einfach weitere Wochen dazu. „Das funktioniert wie Karussellfahren. Wer möchte, bleibt einfach sitzen – so lange bis Keller, Garage und Dachboden leer sind.“ Die meisten würden für maximal sechs Monate bleiben.

Die Nachfrage ist riesig. Im August hat Meyer die Warteliste geschlossen. 150 Personen stehen darauf, die ihr Entrümpeltes beim Hallenflohmarkt loswerden möchten. Rund 1100 Menschen, die schon einmal ein Regal gemietet haben, befinden sich mittlerweile in Meyers Datenbank.

Nahe: „Pütt un Pann“ hat mit 180 Regalen angefangen

„Wir könnten locker die doppelte Hallengröße füllen“, sagt der Geschäftsführer, der im Oktober 2019 mit 180 Regalen begonnen hat. „Wenn die Weihnachtszeit vorbei ist, kommt wieder Bewegung rein.“ Im Januar will Meyer die Warteliste wieder öffnen. Dann bekommen neue Verkäufer die Chance, Teil von „Pütt un Pann“ zu werden. In der Regel wechseln in der Woche etwa fünf Regale ihren Besitzer.

Das nachhaltige Modell trifft den Nerv der Zeit. „Anstatt für die Tochter, die zu Hause auszieht, den halben Hausstand bei Ikea neu zu kaufen, zahlen die Leute hier nur einen schlanken Taler für die Sachen“, sagt der gebürtige Hamburger. Bei Todesfällen in der Familie müssten häufig Haushalte aufgelöst werden. „Die Verkäufer freuen sich, die Sachen nicht zum Recyclinghof bringen zu müssen. Viele Artikel haben eine Geschichte – und dürfen auf diese Weise weiterleben.“

Norderstedterin hat 380 Euro innerhalb eines Monats eingenommen

Regina Hanak aus Norderstedt liebt es, durch die Halle zu stöbern. Sie kommt mindestens einmal im Monat. „Hier kann man immer etwas Schönes finden, das günstiger ist, als wenn ich es im Laden neu kaufe“, sagt die 65-Jährige. Sie hat vor einiger Zeit selbst ein Regal für vier Wochen gebucht, um Geschirr, Deko, Angelzubehör und Handtaschen auszumisten. „Ich habe 380 Euro netto eingenommen.“

Regina Hanak aus Norderstedt stöbert gerne bei „Pütt un Pann“. Sie hat vor einiger Zeit selbst ein Regal befüllt und einen Gewinn von 380 Euro gemacht.
Regina Hanak aus Norderstedt stöbert gerne bei „Pütt un Pann“. Sie hat vor einiger Zeit selbst ein Regal befüllt und einen Gewinn von 380 Euro gemacht. © Annabell Behrmann

Magdalena, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, hält eine elektrische Luftpumpe in den Händen. „Die kann ich im Sommer vielleicht gebrauchen, um eine Luftmatratze aufzupumpen“, sagt sie. Drei Euro soll das Gerät kosten. „Gerade in der heutigen Zeit werden wir überschüttet mit Dingen. Mir ist es wichtig, sie nicht wegzuschmeißen und weiterzuverwenden.“

Nachhaltigkeit: Flohmarkt-Kunden wollen Ressourcen schonen

Die 49-Jährige hat bei „Pütt un Pann“ ebenfalls ein Regal gemietet. Ordentlich drapiert liegen bei ihr in den Fächern Kopfhörer, Schuhe, Portemonnaies und ein Skateboard. Sogar eine Mikrowelle steht dort. An der Seite hängt eine Gitarre. „Meine Tochter brauchte sie nicht mehr.“ Ein Jahr verkauft sie schon Sachen beim Hallenflohmarkt. Sie hält das Konzept für eine Win-win-Situation: „Der eine wird seinen Krempel los, der andere freut sich, etwas günstiger kaufen zu können.“

Der Einkaufskorb von Mario B. ist prall gefüllt mit Werkzeug. Zwei- bis dreimal in der Woche fährt der Hobbyhandwerker extra von Hamburg nach Nahe. Er trägt flache Wanderschuhe, die er vor Kurzem bei „Pütt un Pann“ erstanden hat. „Ich komme gerne, weil die Sachen günstiger sind und nicht im Müll landen“, sagt er. Der 60-Jährige findet es wichtig, Ressourcen zu schonen.

Kreis Segeberg: „Pütt un Pann“ möchte sich vergrößern und künftig expandieren

Manuela Petermann ist Kundin der ersten Stunde. Sie ist leidenschaftliche Flohmarkt-Gängerin. „Hier gibt es tolle Deko und Klamotten, die man sonst teuer bezahlen muss.“ Außerdem mag es die 50-Jährige, die um die Ecke in Nahe wohnt, auf einen netten Plausch mit den Mitarbeitern vorbeizukommen.

„Wenn du reinkommst, fühlst du dich entschleunigt. Die Menschen sind glücklich hier“, sagt Chef Christian Meyer. Expansionspläne liegen bereits in seiner Schublade. Er will Hallenflohmärkte weiter in Norddeutschland verbreiten. Doch bevor er nicht weiß, wie sich die Energiekrise und das ganze Weltgeschehen weiterentwickelt, hat er sie auf Eis gelegt.

Der Chef des Hallenflohmarkts, der selbst keine Sammelleidenschaft hat, hat jedes Holzregal im Laden eigenständig aufgebaut. „Das ist mein Baby hier. Mein Ding. Das macht mir einfach Spaß.“

„Pütt un Pann“, Dienstag bis Sonnabend, 10 bis 18 Uhr, Segeberger Straße 17 in Nahe. Weitere Infos auf der Webseite des Hallenflohmarkts.