Hamburg. Im Kleingarten- und Landschaftsschutzgebiet sollen 700 Wohnungen entstehen. Jetzt wurden die ersten konkreten Pläne vorgestellt

Zwischenrufe, hämisches Gelächter und Buhrufe – die Stadtplaner hatten es nicht leicht, als sie am Dienstagabend in der Aula der Langenhorner Fritz-Schumacher-Schule die Rahmenplanung für die Bebauung des Diekmoors vorstellten.

Den Mitarbeitern aus dem Planungsbüro Planquadrat, dem Architekturbüro Bierbaum Aichele und dem Bezirksamt saßen 150 Gegner des Projekts, für das Teile des Kleingarten- und Landschaftsschutzgebiets bebaut werden sollen, gegenüber. Über die gesamte Dauer der zweistündigen Veranstaltung hielten sie Schilder mit Fotos der in dem Areal lebenden Tiere hoch. Waldkauz, Bluthänfling, Erdkröte, Iltis oder Bergmolch – 78 Vogelarten und sieben Amphibienarten sind demnach durch das Vorhaben bedroht.

Diekmoor: Protest gegen Bebauung des Langenhorner Kleingartengebiets

Der Unmut der versammelten Langenhorner richtete sich aber auch gegen den drohenden Verlust einer Naherholungsfläche mit Pferdekoppel, dem Bornbach und einem idyllischen Regenrückhaltebecken. 700 Wohnungen sollen dort laut Senatsbeschluss entstehen, davon 60 Prozent öffentlich gefördert. Doch das Quartier zu bauen ist gar nicht so einfach. Denn neben dem massiven Widerstand und dem Naturschutz gibt es weitere Herausforderungen, etwa den hohen Grundwasserstand und die Frage, wohin bei großflächiger Versiegelung das Regenwasser ablaufen soll.

Dennoch blieben die Stadtplaner beeindruckend gelassen, als sie das geplante Quartier vorstellten und bei den Attributen „städtebaulich, landschaftsplanerisch und architektonisch vorbildlich“ oder bei der Erwähnung der „Einbindung in den Landschaftsraum“ verärgerte Rufe ernteten. „Es ist nicht das einfachste Gebiet, aber es lohnt sich volkswirtschaftlich, hier zu bauen“, fasste Cordula Ernsing, Fachamtsleiterin für Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirksamt Hamburg-Nord, zusammen - und verwies auf die bereits bestehende U-Bahn, die Sportinfrastruktur und das Fehlen von Alternativflächen.

700 Wohnungen, ein Quartiersplatz, Gastronomie und Nahversorgung

Immer wieder verwiesen die Vortragenden auf die Bürgerbeteiligung, die in die Rahmenplanung eingeflossen war. So sei aus drei Alternativen diejenige für einen Testentwurf ausgewählt worden, die die meiste Zustimmung erlangt hatte – und diese sei entsprechend der Wünsche aus den Beteiligungsworkshops nachgebessert worden.

Der Testentwurf zeigt zunächst nur, dass auf dem für die Bebauung vorgesehen Areal alles untergebracht werden kann: 700 Wohnungen, ein Quartiersplatz, Gastronomie und Nahversorgung, eine Quartiersgarage mit 140 Stellplätzen, zwei Kitas, zwei Parks und ein Spielplatz.

„Für alles Weitere, etwa die genaue Gebäudekubatur oder ihre Anordnung, wird es einen städtebaulichen Wettbewerb geben“, sagte Matthias Wöber von Planquadrat. Ebenso wie der Wettbewerb würden auch die dann folgenden Schritte von Bürgen – in einem noch zu gründenden Planungsbeirat – begleitet.

Der Testentwurf zur Diekmoor-Bebauung in Hamburg-Langenhorn zeigt die Lage in dem Kleingarten- und Landschaftsschutzgebiet.
Der Testentwurf zur Diekmoor-Bebauung in Hamburg-Langenhorn zeigt die Lage in dem Kleingarten- und Landschaftsschutzgebiet. © Bezirksamt Hamburg-Nord

Testentwurf zeigt fünfgeschossige Bebauung mit zwei „Hochpunkten“

Geplant ist eine fünfgeschossige Bebauung mit zwei „Hochpunkten“ (höheren Häusern, deren Geschosszahl noch nicht feststeht), die auf einer länglichen Fläche zwischen U-1-Bahn-Damm und Bornbach erstreckt. Erschlossen wird sie vom Foorthkamp her durch eine von Bäumen gesäumte Straße, die in einem Wendehammer endet.

Die Straße kann zur Anfahrt der Gebäude genutzt werden, parken müssen die Bewohner ihre Autos aber in der Quartiersgarage, die sich vorne am Quartiersplatz befindet. Hier geht es auch ab zum Uferpark, der am Regenrückhaltebecken entsteht. Eine weitere Grünanlage mit Spielplatz soll auf der jetzigen Pferdekoppel zu Füßen des U-1-Bahn-Damms entstehen.

Diekmoor: Um die Natur zu schützen, werden Wege verschwenkt

Um den Forderungen der Langenhorner, aber auch den Vorgaben der Umweltbehörde nachzukommen, bedürfen die verbleibenden Naturräume besonderen Schutzes. So sollen innerhalb der Kleingartengebiete Wege verschwenkt werden, um bestimmte Bereiche von störenden Fußgängern und Radfahrern frei zu halten. Außerdem sind nördlich der Straße Wattkorn Flächen für die Parzellen vorgesehen, die dem Bauvorhaben weichen und ersetzt werden müssen.

Die gesamte Fläche des Rahmenplans ist 23 Hektar groß. Davon entfallen 8,5 Hektar auf öffentliche Grünflächen inklusive der Fuß- und Radwege sowie Wasserflächen, weitere vier Hektar auf Kleingartenflächen, 3,8 Hektar auf die Wohnbebauung inklusive Gärten und Innenhöfe und je ein Hektar auf Platz- und Waldflächen. Die Bestandswohnungen der Saga am Foorthkamp (1,8 Hektar) sind der Diekmoor-Bebauung zugeordnet, bislang aber nicht Bestandteil der Rahmenplanung.

Bezirksamt Hamburg-Nord entwickelt Niederschlag-Abfluss-Modell

Im weiteren Verfahren soll sie einbezogen werden – ebenso wie andere Planungsschritte, zu denen das Konzept zur Neuordnung der Kleingärten, der Lärm- und Immissionsschutz sowie die Entwässerung, der Artenschutz, der Klimaschutz und die Klimafolgenanpassung gehören.

Etwa das eigens für die Diekmoor-Planungen entwickelte Niederschlag-Abfluss-Modell, mit dem das Bezirksamt die erforderlichen Flächenbedarfe zur Erweiterung des Rückhaltebeckens ermitteln will. Oder die besondere Filteranlage, die verhindern soll, dass weiterhin Schadstoffe durch Sieleinleitungen und Regenwasser in den Bornbach und das Rückhaltebecken gelangen.

Zudem wollen die Planer mit vertieften Prüfungen auf die Ergebnisse von Fachgutachten reagieren. So hat eine im Auftrag der Stadt erfolgte Arten- und Biotopuntersuchung empfohlen, aus Naturschutzgründen in dem Areal unter anderem Trampelpfade zu schließen, geschützte Uferbereiche um das Rückhaltebecken anzulegen und den Bornbach umzuleiten, damit er nicht mehr ins Rückhaltebecken fließt.

Verein „Für ein grünes Hamburg“ erhebt schweren Vorwurf

Bereits im Vorfeld der Veranstaltung hatte der Verein „Für ein grünes Hamburg“ genau diese städtische Arten- und Biotopuntersuchung in einem offenen Brief an das Bezirksamt kritisiert. „Fast alle Beprobungen fanden außerhalb des zu überbauenden Gebiets statt“, heißt es da.

Der städtische Gutachter habe die dem Bauvorhaben unterworfenen Kleingärten und weitere Flächen nicht betreten oder untersucht. Damit erfülle der vorgelegte Bericht nicht die im Baugesetzbuch geforderte sachgerechte Abwägung von Naturschutz und dem Wunsch einer Bebauung.

Als Beleg für seinen Vorwurf hatte der Verein auf ein umfangreiches „tierökologisches Fachgutachten“ verwiesen, das im Auftrag der Initiative „Rettet das Diekmoor“ erstellt worden war. Beim Suchen nach Libellen etwa habe das städtische Gutachten das gesamte Gelände des Kleingartenvereins Diekmoor II ausgespart. Gutachter Dudek dagegen habe dort viele Libellenarten gefunden – vermutlich wegen der vielen kleinen Teiche.

Diekmoor: Gegner machen sich Sorgen um Molche und Kröten

Ähnlich verhalte es sich mit Molchen, Lurchen und Kröten. Obwohl nach Angaben des Vereins im Frühjahr Hunderte von Kröten über den Weg 396 in die Gärten von Diekmoor I und II wandern, seien deren Winterquartiere und ihre Wanderbewegung vom städtischen Gutachten nicht erfasst worden.

„Wie gehen Sie damit um?“, wollte ein Teilnehmer am Dienstagabend von den Vortragenden wissen. Das Antworten übernahm Stadtplaner Olaf Mordhorst aus dem Bezirksamt. „Stellen Sie dieses Gutachten gern der Umweltbehörde zur Verfügung, damit es berücksichtigt werden kann“, sagt er. „Ich kenne im Moment nur Behauptungen, keine wissenschaftlichen Belege.“