Hamburg. Unterkunft in der alten Postbank-Zentrale wird demnächst eröffnet – es könnte Hamburgs größte Einrichtung für Schutzsuchende werden.
Noch wuseln 100 Handwerker durch das Gebäude der früheren Postbank-Zentrale in der City Nord, es riecht nach Farbe, Lack und Kleber. Schon in wenigen Tagen wird hier eine neue Flüchtlingsunterkunft ihren Betrieb aufnehmen. Bei einem Ortstermin an diesem Montag machen sich Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) und der Bezirksamtsleiter von Nord, Michael Werner-Boelz (Grüne) ein Bild von der neuen Großunterkunft für Schutzsuchende.
Um zusätzliche Kapazitäten für die öffentlich-rechtliche Unterbringung zu schaffen, hat das städtische Unternehmen Fördern & Wohnen (F&W) das seit Beginn des Jahres leerstehende Gebäude angemietet. „Wir stehen unter sehr großem Druck. Bürogebäude umzunutzen bietet einen großen Vorteil für uns“, sagt Arne Nilsson, Sprecher der Geschäftsführung von Fördern & Wohnen. Die Substanz sei bei einem Bürogebäude gut und Büros ließen sich leicht zu Zimmern umbauen.
Wie Geflüchtete schon bald in der City Nord wohnen werden
Den Zuschlag für das Betreiben der Unterkunft hat an diesem Montag das DRK Altona Mitte bekommen, die auch die Unterkunft in der Schnackenburgallee betreibt. In der kommenden Woche sollen die ersten 200 Geflüchteten in der Unterkunft am Überseering 26 untergebracht werden. Die Belegung ist schrittweise geplant, bis dort 900 Schutzsuchende leben. Im Bedarfsfall, also wenn Notstandorte wieder aktiviert werden müssen, kann der Standort auf bis zu 1560 Plätze erweitert werden. Der Mietvertrag mit dem Eigentümer Magna Real Estate AG läuft drei Jahre. Sollte das Gebäude eines Tages voll belegt sein, wäre es nach der Schnackenburgallee mit 1466 Plätzen die größte Flüchtlingsunterkunft Hamburgs.
„Wir sind sehr froh, dass es uns gelungen ist, diesen Standort in Betrieb nehmen zu können“, sagt Melanie Schlotzhauer. Hamburg wolle in diesem Jahr mindestens 10.000 weitere Plätze ertüchtigen. Die neue Unterkunft sei schon mal ein große Erleichterung. Eingerichtet werden derzeit Einzel-, Doppelzimmer und Mehrbettzimmer, etwa für Familien. „Wir möchten die Menschen sozialverträglich unterbringen“, sagt die Senatorin.
Unterkunft in der City Nord: Räume bekommen Nummern
Ein Farbleitsystem soll dafür sorgen, dass sich die Menschen in dem großen Gebäude mit mehreren Flügeln nicht verlaufen. Und so zieht sich beispielsweise ein farbiger Streifen durch eine gesamte Etage. Die einzelnen Räume bekommen auch noch Nummern. Ein großes Manko des Gebäudes – es gibt keine Küche, sondern nur eine ehemalige Kantine mit einen großen Speisesaal. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden daher von einem Caterer versorgt. Allerdings werden auf den Etagen kleine Teeküchen eingerichtet, in denen beispielsweise Familien mit kleinen Kindern Säuglingsnahrung zubereiten können. Dafür soll diese Personengruppe dann Schlüssel bekommen. Von den 600 Zimmern sollen auch etliche als Sozialräume genutzt werden.
Ein großer Glücksfall in den Augen aller: Im Erdgeschoss gibt es eine große Turnhalle, in der es Angebote für Kinder und Erwachsene geben soll – organisiert von Ehrenamtlichen, aber auch von einem Verein. Laut Michael Werner-Boelz haben sich im Bezirksamt schon mehrere Menschen gemeldet, die sich ehrenamtlich in der neuen Unterkunft engagieren möchten. Er lobte auch 13 Monate nach Beginn des Kriegs in der Ukraine die „unglaubliche Bereitschaft in der Stadtgesellschaft, sich zu engagieren.“ Das könne man gar nicht hoch genug loben. „Wir haben eine Kleinstadt in Hamburg aufgenommen und integriert.“
Unterkunft für Geflüchtete in der City Nord: Büros werden zu Zimmern
Derzeit laufen noch überall im Haus die Umbaumaßnahmen: In den ehemaligen Büros entstehen Zimmer und Gemeinschaftsräume. Alte Teppichböden werden herausgerissen und bekommen PVC-Beläge, teilweise in Parkettoptik. Die Oberlichter in den Türen werden abgeklebt, damit das Licht von den Fluren nicht in die Zimmer scheint.
Laut Gabriele von Stritzky, stellvertretende Geschäftsbereichsleiterin von Fördern & Wohnen, gibt es im Gebäude zwar 250 Toiletten, aber keine Duschen. Daher wurden vor dem Gebäude 56 Sanitärcontainer aufgebaut. Bei Toiletten und Duschen gelte ein Schlüssel von 1:10.
Derzeit leben laut Sozialbehörde in Hamburg rund 45.200 Menschen in öffentlichen Einrichtungen, davon kommen knapp 12.500 aus der Ukraine. „Seit Beginn des Krieges haben wir aus der Ukraine mehr als 19.000 Menschen öffentlich-rechtlich untergebracht. Rund 6.700 Personen haben die Unterkünfte bereits aus unterschiedlichen Gründen wieder verlassen“, so Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde. Aktuell sei der Zugang „moderat“, täglich kommen seinen Angaben zufolge in Hamburg derzeit knapp 29 Schutzsuchende aus der Ukraine an sowie 29 sonstige Asyl- und Schutzsuchende.
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Prognose Zuwanderung: 2023 werden in Hamburg weitere 10.000 Plätze benötigt
Für beide Zuwanderungsgruppen (Asylsuchende und Schutzsuchende aus der Ukraine) hat die Sozialbehörde Ende des Jahres eine Prognose der Zugänge und Unterbringungsbedarfe für 2023 angestellt. Danach werden trotz der 2022 bereits geschaffenen rund 15.900 Plätze auch 2023 mindestens 10.000 neue Unterbringungsplätze benötigt. Die Sozialbehörde unternehme gemeinsam mit F&W größte Anstrengungen, die Schutzsuchenden unterzubringen. Neben der Nutzung bestehender Unterkünfte würden Laufzeiten für einzelne Standorte verlängert. Weitere Maßnahmen sind laut Behörde etwa die Anmietung von Gewerbeobjekten, die umgebaut werden, die Errichtung neuer Unterkünfte und die Anmietung von Hotels und Pensionen.