Hamburg. Grün-rote Regierung im Bezirk Nord beschleunigt Verfahren im Landschaftsschutzgebiet. Bürger fühlen sich übergangen.
In einer Powerpoint-Präsentation hatte die Stadt den möglichen Ablauf der Bebauung des Diekmoors im Februar 2021 Schritt für Schritt vorgestellt: Erst sollte für den umstrittenen Bau von 700 Wohnungen in dem Langenhorner Landschaftsschutzgebiet die Rahmenplanung gemacht werden – etwa Gutachten zu Bodenbeschaffenheit, Flora oder möglicher Bebauungsdichte.
Diese sollten dann, inklusive der Ergebnisse der begleitenden Bürgerbeteiligung, Ende des Jahres zu einem abschließenden Entwurf und damit zur Grundlage eines städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs führen. Der sei dann die Basis für das Bebauungsplanverfahren, hieß es.
Wohnen in Hamburg: Plötzliche Eile am Diekmoor
Jetzt sieht alles ganz anders aus. Im nicht öffentlichen Teil einer Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Bezirksversammlung Hamburg-Nord wurde am 30. Juni über einen Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplanverfahren Diekmoor beraten. Auf Antrag der Verwaltung (das Bezirksamt wird vom Grünen Michael Werner-Boelz geführt) beschloss die grün-rote Regierungskoalition gegen die Stimmen von CDU, FDP und Linke, das Bebauungsplanverfahren schon jetzt einzuleiten. Ein Antrag der CDU, das um sechs Monate zu vertagen, wurde abgelehnt.
Diese Eile wirft bei der CDU Fragen auf. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Senat noch im Mai auf eine schriftliche Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion mitteilte, dass „für die Entwicklung der Potenzialfläche Diekmoor komplexe planerische Fragen zu klären und vielfältige gesamtstädtische Themen zu berücksichtigen“ und damit „zahlreiche Untersuchungen“ erforderlich seien. Auch der Senat betonte, dass die Rahmenplanung Grundlage für einen städtebaulich-freiraumplanerischen Wettbewerb und das Bauleitplanverfahren sei.
„Die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens zum jetzigen Zeitpunkt entspricht nicht der vorgesehenen Zeitfolge. Sie kann aus unserer Sicht erst nach Vorliegen aller Gutachten des Gebiets für die Rahmenplanung beurteilt werden“, so Ekkehart Wersich, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU Hamburg-Nord. Und Martin Fischer, für Langenhorn im Stadtentwicklungsausschuss, befürchtet: „Durch die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens wird die laufende Rahmenplanung ausgehebelt, und die Bürgerbeteiligung ist nur noch ein Placebo.“
Vorgezogenes Verfahren wirft Fragen auf
Auch Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, will Näheres zu dem vorgezogenen Aufstellungsbeschluss wissen. In der entsprechenden Senatsanfrage spricht er einen weiteren Aspekt an: Um das Volksbegehren „Rettet Hamburgs Grün – Klimaschutz jetzt!“, das sich aus dem Diekmoor-Protest gebildet hat, zu blockieren, hatte der Senat kürzlich das Hamburgische Verfassungsgericht angerufen.
Es soll prüfen, ob die von 14.000 Bürgerinnen und Bürgern unterschriebene Forderung, Grünflächen von mehr als einem Hektar Größe nicht mehr zu bebauen, überhaupt durchführbar ist. Thering wollte nun vom Senat wissen, wie sich das laufende Gerichtsverfahren auf den Fortgang des Bebauungsplanverfahrens zum Diekmoor auswirkt und welche Konsequenzen es hätte, sollte das Verfassungsgericht der Volksinitiative recht geben.
Michael Heering, Sprecher der Volksinitiative, ist sich sicher: „Das Gericht wird der Argumentation des Senats nicht folgen.“ Dennoch bedeute die Anrufung einen vorläufigen Stopp für den Entscheid, der bis zu zwei Jahren dauern könne. Diese Zeit wolle der Senat offenbar nutzen, so Heering. Erst kürzlich, so habe er erfahren, seien die Bezirke angewiesen worden, alle Bebauungspläne von Grünflächen, die größer sind als ein Hektar, voranzutreiben.
Tatsächlich teilt die Stadtentwicklungsbehörde mit, „regelmäßig darauf hinzuwirken“, die für Bebauungsplanverfahren notwendigen Verfahrensschritte einzuleiten, um die Bedarfe beim Wohnungsbau „in angemessener Zeit“ decken zu können. Es gebe aber keine Aufforderung bezüglich einer bestimmten Größenordnung.
Wohnungsbau in Hamburg wird vorangetrieben
Was die Volksinitiative ebenfalls kritisiert, ist der Umgang mit einem bereits erfolgten wasserwirtschaftlichen Gutachten. „Die Planer berichten von Schwierigkeiten im Unterboden, einer ehemaligen Kläranlage und möglichen Überschwemmungen im Plangebiet durch einen hohen Grundwasserstand und die Begradigung des Bornbachs. Das soll offenbar alles ignoriert werden.“ Im Transparenzportal finde sich dazu jedenfalls nichts. Statt des versprochenen „ergebnisoffenen Prozesses“ werde jetzt das Bebauungsplanverfahren eingeleitet, ohne die notwendigen Gutachten abzuwarten.
In seiner Antwort auf die Anfrage von Thering verweist der Senat darauf, dass ein Aufstellungsbeschluss nicht gleichzeitig den formellen Start des Bebauungsplanverfahrens bedeute; durch ihn jetzt aber alle Zielstellungen für das Bauleitverfahren zum Diekmoor klar benannt werden könnten. Das bedeute etwa Planungssicherheit für Kleingärtner. Sich zu möglichen Auswirkungen des Gerichtsverfahrens zu äußern lehnte er ab.
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Timo B. Kranz, Vorsitzender der Grünen von Hamburg-Nord, verweist darauf, dass die Bürgerbeteiligung auch im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens intensiv weitergehe. Um das Verfahren zum Diekmoor fortführen zu können, müsse das Bebauungsplanverfahren aber jetzt als rechtliche Grundlage eingeleitet werden. „Wegen der Sommerpause wäre dies erst wieder in über zwei Monaten möglich gewesen – und damit zu spät, um nach Abschluss der Rahmenplanung einen guten zeitlichen Anschluss hinzubekommen.“