Hamburg. Es ist nicht „nur“ Fußball: Verein bietet Spielerinnen und Spielern auf St. Pauli einen geschützten Raum. Warum die Trainersuche kompliziert ist.

  • Wieso die Sporthalle des Struensee Gymnasiums auf St. Pauli zum ganz besonderen Ort wird.
  • Trans-Fußballtraining auf St. Pauli: Spaß kommt bei den Hamburgern vor Leistung
  • Transfußballer suchen Trainer – es soll ein empathischer Mensch sein

Auf den ersten Blick erscheint die kühle, grün gestrichene Sporthalle des Struensee Gymnasiums auf St. Pauli nicht wie ein Ort mit Wohlfühlatmosphäre. Für die fünf Hamburger Freizeitkicker, die dort jeden Montagabend zum Fußballspielen zusammenkommen, ist es jedoch ein ganz besonderer Ort.

Sie sind Teil eines Fußballteams, in dem nur Transpersonen kicken – also Menschen, die eine Geschlechtsangleichung durchlaufen haben, oder noch mitten in dem Prozess sind. „Es wäre für mich einfach ein komisches Gefühl, wenn ich als Transmann jetzt noch in einem Frauenteam spielen würde“, sagt Liam Techmann, der seit März regelmäßig zum Fußballspielen nach St. Pauli kommt.

Fußball St. Pauli: Fußballmannschaft für Transpersonen – auch Liam (18) ist dabei

Der 18 Jahre alte Schüler wurde als Mädchen geboren, habe aber schon immer das Leben eines Jungen geführt. Mit zwölf Jahren vertraute er sich erstmals seiner Mutter an. Nach einer Therapie, einer Testosteron-Behandlung und mehreren Operationen befindet Techmann sich an einem Punkt, an dem er sich weder einer Frauen- noch einer Herrenmannschaft anschließen will.

Startschuss
Seit März ist Liam Techmann regelmäßig beim Fußballtraining auf St. Pauli dabei. Nach seiner Geschlechtsangleichung fühlt er sich in seiner ehemaligen Mädchenmannschaft nicht mehr wohl. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Ich habe mal überlegt, in einer Herrenmannschaft zu spielen. Die Leistungsunterschiede sind aber einfach zu groß.“ Siebeneinhalb Jahre hat Techmann früher in einer Mädchenmannschaft gespielt, seine Leidenschaft für den Sport ist nach wie vor groß.

St. Pauli Fußball: Fußballmannschaft mit Transpersonen – mit Anfängern und Profis

Aber nicht nur deswegen kommt er immer wieder zum Traning. „Es bedeutet für mich Freiheit und ist auch ein schöner Austausch. Wir können total offen miteinander reden – über jedes Thema, egal was uns bedrückt.“ Normalerweise kommen mehr als fünf Spieler, in der kalten Jahreszeit ist das Teilnehmerfeld allerdings ein bisschen kleiner, erklärt Techmann.

Da nicht alle auf dem gleichen fußballerischen Niveau sind, werden vor allem Grundlagen wie Torschüsse, Passen und Dribbeln geübt. Immer wieder geht ein lauter Knall durch die Halle, wenn Noah Lasse Schier (47) den Ball präzise im Tor platziert. Schier spielte früher in der Frauen-Bundesliga, arbeitet heute bei der Feuerwehr sowie beim Verein Startschuss, der die Trans-Fußballmannschaft ins Leben gerufen hat.

Trainer der Trans-Fußballmannschaft lebte über 40 Jahre im weiblichen Körper

„Startschuss bietet queeren Menschen einen sicheren Ort, um Sport zu treiben und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Wir haben ein breites Angebot von Fußball über Fitness bis Gymnastik.“ Auch Schier wurde als Mädchen geboren, habe sich aber immer wie ein Junge verhalten. Erst mit über 40 Jahren kam der Entschluss zur Geschlechtsangleichung, auch Transition genannt.

Startschuss
Noah Lasse Schier von Startschuss trainiert die Mannschaft und spielt selbst mit. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Ich dachte, ich sei schon viel zu alt und brauche das nicht mehr. Es hatte ja bisher irgendwie geklappt, dann wird es auch weiter gehen. Ging es aber nicht mehr.“ Vor fünf Jahren brach Schier zusammen und entschied sich daraufhin, den Schritt zur Transition zu wagen.

St. Pauli: Transfußballer suchen Trainer – es soll ein empathischer Mensch sein

„Im vergangenen Jahr habe ich mich dann getraut, hier mitzuspielen. Das war für mich sehr schwer. Wie werde ich aufgenommen, wie gucken die anderen mich an? Viele Menschen machen sich zu viele Gedanken über diese Dinge“, sagt Schier. Nach über 40 Jahren im Frauenkörper fühle Schier sich noch nicht zu 100 Prozent als Mann – und verzichtet deshalb auf ein Pronomen.

Trotz der mitunter großen Leistungsunterschiede nehmen an diesem Montagabend alle aufeinander Rücksicht. Noah Lasse Schier und Liam Techmann sind gleichzeitig Spieler und Trainer, was nicht immer einfach zu koordinieren ist. „Wir suchen im Moment noch einen geeigneten Trainer, es ist aber total schwierig jemanden zu finden.“ Dieser müsse zwar keine Transperson, aber ein sehr empathischer Mensch sein, so Schier.

Fußballtraining auf St. Pauli: Spaß kommt bei den Hamburgern vor Leistung

Zu den Anfängern in der Transmannschaft gehört Noah Sgries, der zuvor überhaupt keinen Bezug zum Thema Fußball hatte. „Am Anfang war ich zwar ein bisschen eingeschüchtert, weil die meisten besser spielen. Aber ich kann mir echt gute Tipps abholen“, sagt Sgries.

Startschuss
Noah Sgries gehört zu den Anfängern in der Hamburger Trans-Fußballmannschaft. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Der 25 Jahre alte Erzieher wurde als Mädchen geboren und suchte ursprünglich nach einem Sportverein für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht binäre, Trans- und Agenderpersonen (FLINTA). Dabei stieß er auf den Verein Startschuss. „Ich finde es sehr toll hier. Ich mag das Team gerne und es bringt einfach Spaß“, sagt Sgries.

Mehr News aus Hamburg

Am Ende des Trainings gibt es ein Abschlussspiel, bei dem die Freizeitfußballer alles geben. Es fallen viele Tore, der Überblick über den Spielstand geht schnell verloren. Mitgezählt wird aber sowieso nicht, denn Leistung steht nicht im Mittelpunkt. Schließlich soll die Sporthalle des Struensee Gymnasiums ein Ort zum Wohlfühlen sein.