Hamburg. Laria wurde im Körper eines Jungen geboren, identifiziert sich aber als Frau. Sie prangert bürokratische Hürden an: „Entwürdigend.“

Am 3. August feiert Hamburg wie jedes Jahr den „Christopher Street Day“. Tausende Menschen werden an diesem Tag auf die Straße gehen und für die Rechte der LGBTIQ+-Szene demonstrieren. Wie wichtig das ist, weiß Laria Schneider (Nachname von der Redaktion geändert). Die 33-Jährige kam im biologischen Körper eines Jungen zur Welt, identifiziert sich heute als Frau, ist trans.

„Es ist genau diese Art der Demonstrationen, die in der aktuellen Zeit noch Hoffnung machen“, sagt die Hamburgerin, als das Abendblatt sie in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers rexx systems in Hammerbrook besucht. Hier, im Konferenzsaal des Anbieters für Unternehmenssoftware, fühlt sich Laria wohl. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet sie in dem Unternehmen als Programmiererin – seit acht Jahren unter ihrem neuen, weiblichen Namen. Schon im Kindesalter sei der jungen Frau bewusst gewesen, dass irgendetwas an ihr anders ist als bei anderen Kindern.

Hamburger Transfrau outete sich bei ihrem Chef – der reagierte positiv

„Als ich dann die Entscheidung getroffen habe, künftig als Laria leben zu wollen, hatte ich erst mal große Angst“, gibt sie offen zu. Angst vor den Reaktionen des Umfelds, Angst vor Verurteilung, Angst vor Intoleranz. „An dem Tag, als ich es meinem Chef erzählen wollte, bin ich mehrmals zu seinem Büro gerannt – und immer wieder zurück, weil ich mich einfach nicht getraut habe. Ich habe zwar geahnt, dass er es gut aufnimmt, aber nervös war ich trotzdem.“

Im Nachhinein stellte sich heraus: Ihre Sorge war unbegründet. „Mein Vorgesetzter hat super entspannt reagiert. Und auch alle anderen Kollegen und Kolleginnen – genauso meine Familie – haben das sehr gut aufgenommen“, erinnert sich Laria zurück.

Norbert Rautenberg, Geschäftsführer der Firma, sagt: „Als Laria sich damals mir und anschließend der gesamten Belegschaft öffnete, auch verbunden mit dem Wunsch, einen neuen Namen zu tragen, war es für uns klar, sie zu unterstützen – auch wenn das Gender-Thema und Intersexualität damals noch Neuland für uns war. Alle Leute im Unternehmen – und vor allem auch Laria selbst – haben das großartig gemacht, und wir freuen uns, sie bis heute als Leistungsträgerin bei uns an Bord zu haben.“

Studie: Trans-Menschen werden besonders häufig am Arbeitsplatz diskriminiert

Dass das nicht selbstverständlich ist, zeigt eine Studie aus dem vergangenen Jahr. Die Jobplattform Indeed befragte gemeinsam mit UHLALA Group 1031 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus der LGBTIQ+-Community zu ihrem Arbeitsumfeld. Das Ergebnis: 57 Prozent der Befragten gaben an, dass sie wegen ihrer LGBTIQ+-Zugehörigkeit bereits diskriminierende Erfahrungen am Arbeitsplatz gemacht haben.

Dabei waren es insbesondere die Transfrauen und -männer, die überdurchschnittlich oft Diskriminierungen erlebt hatten: Frauen zu 87 Prozent, Männer zu 58 Prozent.

Laria ist froh darüber, nicht zu diesen 87 Prozent zu gehören, weiß aber, dass sie damit eher eine Ausnahme ist. „Auch ich merke, dass es in Deutschland mit der Toleranz gerade bergab geht“, so die Hamburgerin. „Selbst das Gendern wird mittlerweile an einigen Orten verboten.“

Hamburgerin befürwortet Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes

Damit bezieht sich die 33-Jährige auf das von Markus Söder im März erlassene Genderverbot in Bayerns Verwaltungen. Sie selbst fühle sich vom generischen Maskulinum zwar nicht bedroht, aber auch nicht repräsentiert. „Noch schwerer ist es für non-binäre Menschen (Anm. d. Redaktion: Menschen, die sich weder als ausschließlich weiblich noch als ausschließlich männlich identifizieren). Die finden in unserer Sprache dann einfach gar nicht statt, verlieren an Sichtbarkeit“, sagt Laria.

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Positiv sehe sie hingegen die für November geplante – aber auch immer wieder umstrittene – Einführung des neuen Selbstbestimmungsgesetzes. Dieses soll es trans-, intergeschlechtlichen und non-binären Personen künftig erleichtern, ihren Geschlechtseintrag ändern zu lassen. „Ich selbst musste noch einige Hürden auf mich nehmen, um heute als Laria leben zu können“, erinnert sich die Hamburgerin zurück.

Hamburger Transfrau über bürokratische Hürden: „Entwürdigend“

Zu den Hürden gehören: eine Therapie, zwei psychologische Gutachten und schließlich ein Gerichtstermin, „bei dem man quasi beweisen muss, welchem Geschlecht man sich wirklich zugehörig fühlt“, so Laria. Der ganze Prozess sei „entwürdigend und diskriminierend“ gewesen. Umso glücklicher ist Laria heute darüber, diese Zeit hinter sich zu wissen.

In Hamburg fühlt sich die zurückhaltende Programmiererin, die sich selbst als „Nerd“ bezeichnet, jetzt sicher. „Ich liebe es, wie weltoffen die Stadt ist“, sagt die 33-Jährige. Noch nie sei sie hier mit irgendeiner Form mit Hass konfrontiert worden – „und ich hoffe sehr, dass das so bleibt.“