Hamburg. In der HafenCity kam eine 31-Jährige bei einem Fahrradunfall ums Leben. Radfahrer-Verein kritisiert Gericht und Behörden.
An der Kreuzung Überseeallee/Ecke Osakaallee erinnert noch heute ein weißes Fahrrad an die 34 Jahre alte Radfahrerin, die bei einem Abbiegeunfall in der HafenCity ihr Leben verloren hatte. Die junge Mutter eines damals dreijährigen Sohnes wurde von einem 18 Tonnen schweren Lkw übersehen und überrollt. Am Dienstag wurde in Hamburg nach dem tödlichen Unfall das Urteil gegen den 58 Jahre alten Lastwagenfahrer verkündet.
Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. Er muss eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 70 Euro zahlen. Diese sogenannte „Geldstrafe auf Bewährung“ sei das „mildeste Mittel“, was das Strafrecht als mögliche Sanktion biete, erklärte die Richterin und fügte an. „Es gab ein Unrecht“, das dem Angeklagten vorzuwerfen sei, und dass „er in letzter Konsequenz sechs bis acht Sekunden nicht perfekt aufmerksam gewesen ist“.
Insgesamt handele es bei dem tödlichen Fahrradunfall sich um ein „tragisches Geschehen“, bei dem viele Umstände zusammengekommen seien. „Man muss froh sein, dass so etwas nicht öfter vorkommt.“
Tödlicher Unfall in der HafenCity: ADFC übt scharfe Kritik an Urteil gegen Lkw-Fahrer
Es sind Worte, die den Allgemeinen Deutsche Fahrrad-Club e. V. (ADFC) erschüttern. Für den Verein ist das Urteil unwürdig. „4200 Euro für ein Menschenleben?“, echauffiert sich der ADFC und erklärt die Fassungslosigkeit, die in dem ehrenamtlichen Verein herrscht. „Dieser Unfall war keine Tragödie, sondern absolut vermeidbar. Die getötete Radfahrerin war auch keine ,gescheiterte Heldin‘, die den bewusst in Kauf genommenen Kampf mit dem Lkw verloren hat – sie wurde das Opfer von Versagen unterschiedlichster Art“, sagt Cajus Pruin, Vorstand des ADFC.
Geht es nach dem ADFC, so hätte der Tod der jungen Mutter in der HafenCity ohnehin verhindert werden können. Laut dem Verein gab es bereits vor dem Unfall im Januar 2023 mehrere Meldungen aus der Bevölkerung an die zuständige Polizeidienststelle, dass die Kreuzung in der Hafencity für Radfahrerinnen und Radfahrer extrem gefährlich sei. „Es ist immer das gleiche Muster: Solange niemand ums Leben gekommen ist, wiegelt die Polizei ab und erklärt die Gefahr mit Verweis auf ihre Unfallstatistik für unbedeutend. Erst wenn jemand stirbt, sind Polizei und Innenbehörde betroffen und behaupten, dass sie das nicht vorhersehen hätten können“, so Pruin.
Gefährliche Kreuzung in der HafenCity sei bekannt gewesen: „Das Nichtstun ist ein Skandal“
An der Sicherheit der Kreuzung hat sich nach Ansicht des ADFC bis heute nichts getan. Nicht einmal eine Roteinfärbung des Radfahrstreifens oder getrennte Ampelschaltungen für die unterschiedlichen Verkehrsarten habe es gegeben. Auch die Forderungen, die der Fahrradclub als Sofortmaßnahmen nach dem Unfall zur Erhöhung der Verkehrssicherheit von Radfahrenden an der Stelle im Januar 2023 vorschlug, wurden bislang nicht umgesetzt. „Das Nichtstun der Polizei und der Innenbehörde ist der eigentliche Skandal“, sagt Pruin.
Der Vorstand des ADFC blickt in dem Zusammenhang mit großer Sorge auf die Eröffnung des Einkaufsquartiers Westfield Hamburg-Überseequartier. „Wenn erst das neue Einkaufszentrum in unmittelbarer Nähe eröffnet und noch mehr Autoverkehr erzeugt, erhöht sich die Gefahrenlage für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmende dort noch einmal dramatisch.“
Tödlicher Unfall in der HafenCity: ADFC fordert vom Hamburger Senat Umsetzung der „Vision Zero“
Der ADFC fordert, dass künftig bei der Verkehrsplanung ein größerer Fokus auf die Sicherheit der Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer gerichtet wird. „Aber sowohl Hamburgs Verkehrsbehörde als auch die für Verkehrssicherheit zuständige Behörde für Inneres und Sport legen die Möglichkeiten der Straßenverkehrsordnung häufig möglichst konservativ aus und geben der ,Leichtigkeit‘ des motorisierten Verkehrs immer wieder Vorrang vor anderen Aspekten wie zum Beispiel der objektiven und subjektiven Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmenden“, so Pruin.
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Seit Januar 2023 sind 18 weitere Radfahrerinnen und Radfahrer auf Hamburger Straßen um Leben gekommen. „Politik und Polizei sind es der getöteten Radfahrerin und ihren Angehörigen schuldig, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, weitere Unfälle dieser Art zu verhindern. Politik und Behörden dürfen nicht länger tatenlos dabei zu sehen, wie Radfahrende und Fußgängerinnen und Fußgänger im Straßenverkehr getötet werden“, so der dringende Appell von ADFC-Vorstand Pruin an den Senat. Das Ziel „Vision Zero“, also keine Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr zu haben, solle endlich ernst genommen werden.