Hamburg. Das Zeichen für Toleranz und Diversität auf dem Grundstück in Billstedt ist zum Hass-Objekt geworden. Unbekannte Täter kamen immer wieder.
Seit rund zehn Jahren weht auf der Auffahrt von Martina Koch in Hamburg-Billstedt eine Regenbogenfahne – als Symbol für Toleranz und Diversität. Und all die Jahre hat sich niemand daran gestört. Bis zum letzten Septemberwochenende dieses Jahres. In der Nacht von Sonnabend (28. September) auf Sonntag betraten ein oder mehrere Unbekannte ihr Grundstück durch das Eingangstor, nahmen die Fahne aus der Halterung und zündeten sie auf der Straße an. Als Koch, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, am nächsten Morgen die verbrannte Fahne entdeckte, war sie fassungslos.
Dass Regenbogenfahnen mutwillig beschädigt oder entwendet werden, ist kein Einzelfall. Erst in diesem Sommer kam es auch am Rathaus zu einem Zwischenfall. Wie jedes Jahr wurde vor Ort pünktlich zur Pride Week die Regenbogenfahne gehisst. Unbekannte beschädigten diese anschließend, sodass sie zunächst wieder entfernt wurde. Auch bundesweit sorgt das Thema derzeit für Schlagzeilen. Grund dafür ist die Diskussion um das Verbot von Regenbogenbahnen am Bahnhof in Neubrandenburg.
Regenbogen-Fahne in Hamburg-Billstedt angezündet: Der Staatsschutz ermittelt
Zurück nach Billstedt: Martina Koch alarmierte sofort die Polizei und erstattete Anzeige. Für sie steht fest: „Diese Tat richtet sich klar gegen die Werte, für die ich und viele andere stehen, und das ist einfach indiskutabel“, so Koch. Umgehend besorgte sie eine neue Fahne. Diese brachte sie nun direkt an der Fassade ihres Hauses an. Auch Kameras ließ sie installieren, um sich sicherer zu fühlen.
Genau eine Woche später wachte Koch mitten in der Nacht von einem lauten Geräusch auf. Sie schaute durch die Fensterscheibe und entdeckte, dass die neue Fahne nicht mehr an ihrer Hauswand hing. Auch dieses Mal erstattete sie Anzeige bei der Polizei – und hoffte auf aussagekräftige Aufnahmen von der Überwachungskamera. Doch leider waren die Täter im toten Winkel und nicht zu erkennen.
Betroffene: „Vorfall steht für allgemeine Entwicklung in der Gesellschaft“
Wieder kaufte Koch eine neue Fahne und stellte sie auf der Auffahrt auf. Dieses Mal befestigte sie die Fahnenstange in einem Schirmständer, den sie mit schweren Bodenplatten fixierte. Als dann der nächste Sonnabend bevorstand, wurde Koch etwas nervös: „Ich rechnete fast damit, dass die Täter wieder an einem Wochenende kommen würden“, sagt sie.
Als sie dann am Sonntagmorgen auf ihre Auffahrt schaute, sah sie, dass die Fahne samt Halterung auf dem Boden lag. Auch in diesem Fall war die Kamera keine Hilfe. „Es gab wegen eines technischen Fehlers gar keine Aufnahmen aus dieser Nacht“, so Koch. Auch nach diesem Vorfall erstattete sie Anzeige.
Die 65-Jährige beschäftigt das alles sehr. Nicht nur wegen der persönlichen Betroffenheit, sondern auch, weil der Vorfall aus ihrer Sicht für eine allgemeine Entwicklung der Gesellschaft steht. „Seit Jahren kommt es immer wieder zu Attacken gegen Regenbogenfahnen und damit gegen das Symbol für Vielfalt, Toleranz und sexuelle Selbstbestimmung.“
- Homophobie in Hamburg: Hass wächst – ein Stadtteil besonders im Fokus
- Polizei Hamburg: Queerfeindliche junge Männer gehen im Stadtpark auf Frauen los
- Sport-Trainer vom ETV Hamburg outet sich als homosexuell: „Der Schritt meines Lebens“
Vorfälle um Regenbogenfahne in Hamburg: Nachbarn zeigen Solidarität
Und weil sie das alles wütend und fassungslos macht, sucht sie das Gespräch mit anderen. „Ich will damit an die Öffentlichkeit gehen, weil ich einfach finde, dass so etwas in unserem Land nicht geduldet werden darf.“ Von allen Seiten erfährt sie dafür viel Zuspruch. Das gilt auch für ihre Nachbarinnen und Nachbarn. „Die haben aus Solidarität nun auch Regenbogenfahnen in ihren Gärten und auf ihren Auffahrten“, so Koch.
Die Polizei teilte auf Nachfrage zu den Vorfällen mit: „Unsere Staatsschutzabteilung führt diesbezüglich drei Ermittlungsverfahren. Dabei geht es um Sachbeschädigung durch Feuer, um Diebstahl und um Hausfriedensbruch“, so Polizeisprecherin Nina Kaluza. „Die Ermittlungen dauern an.“