Hamburg. Gefährlicher Trend: Mädchen zerstören ihre Haut mit zu viel Pflege. Kosmetikerin Tina Köhler klärt auf, warum das so schädlich ist.
- Schon Zehnjährige kommen zur Kosmetikerin und wollen sich behandeln lassen
- Hyluron, Retinol, Peelings: Junge Mädchen sind verrückt nach Pflegeprodukten
- Fruchtsäuren und Masken können die junge Haut aber schädigen
Zehnjährige, die zur Kosmetikerin kommen und eine Behandlung durchführen lassen wollen, oder Elf- und Zwölfjährige, die sich Fruchtsäure, Hyaluron, Retinol, Peelings oder Anti-Aging-Cremes ins Gesicht schmieren: Das erleben die Kosmetikerin Tina Köhler und Janine Werth von Werte Freunde in der City in Hamburg immer häufiger. Die Expertin warnt: „Wir steuern auf ein Zeitalter der wahnsinnig schlechten Hautzustände zu.“
Hamburgs Kinder greifen immer häufiger und völlig unnötig zu allen möglichen Gesichtspflegeprodukten. „Mütter kommen mit ihren Teenies in unser Kosmetikstudio, weil die verzweifelt sind, da ihre Kinder zu viel Kosmetik verwenden“, sagt Janine Werth, Geschäftsführerin von Werte Freunde. Der Conceptstore konzentriert sich unter anderem auf Naturkosmetik.
Hamburger Kosmetikerin von Werte Freunde klärt Teenies über Gefahren des Hautpflege-Trends auf
Die besorgten Mütter wollen, dass die Kosmetikerinnen den Nachwuchs aufklären, ihm klarmachen, wie sehr die ganzen Produkte eine junge Haut überfordern. Kosmetikerin Tina Köhler und ihre Kollegin erzählen dann, wie gesunde Gesichtspflege wirklich geht.
Immer mehr Kinder zeigen in den sozialen Medien ihre tägliche Hautroutine, befeuert von sogenannten Skinfluencern (eine Mischung aus Influencer und Skin, dem englischen Wort für Haut). Zu sehen ist das unter anderem auf TikTok unter dem Hashtag „teenagerskincare“. Der Trend um die Hautpflege wird von Kinder-Beauty-Influencerinnen aus den USA – in der Szene bekannt als „Sephora-Kids“ – vorangetrieben. In Videos teilen sie ihre tägliche Hautroutine.
„Es benutzen schon elf- oder zwölfjährige Mädchen Fruchtsäuren, Hyaluron oder Anti-Aging-Cremes mit Kollagen“, berichtet Kosmetikerin Tina Köhler. „Es gibt regelrecht Schaumjunkies, die ihr Gesicht zweimal täglich reinigen oder täglich Gesichtsmasken benutzen.“
Hyaluron und Anti-Aging-Produkte sind für Mädchen „wie eine Droge“
Die Ausmaße sind extrem: Tina Köhler musste schon Jugendliche zum Arzt schicken, weil sie durch viel zu viel Pflege eine periorale Dermatitis entwickelt haben, das ist ein Hautausschlag um Mund und Nase, der sich bis unter die Augen fortsetzen kann. „Wir müssen dann SOS-Maßnahmen einleiten, um die junge Haut zu beruhigen“, sagt Janine Werth. Das können etwa in kaltem Schwarztee getränkte Wattepads sein, die auf die betroffenen Stellen gelegt werden. „Der Gerbstoff zieht die Entzündung raus.“
@therrmann_mom GRWM-TRAINING 🙌🏼💃IG/YT BIO #momsoftiktok #viral #trending #fypシ #grwm
♬ Aesthetic - Tollan Kim
Bei einer perioralen Dermatitis muss die Haut auf eine Null-Diät gesetzt werden, bedeutet: „Die Mädchen müssen eine Zeitlang ohne jegliche Pflege auskommen, ihre Haut in Ruhe lassen. Das kann bis zu einem halben Jahr dauern.“ Tina Köhler fügt hinzu: „Das durchzuhalten schaffen die wenigsten, sie sind ja wie bei einer Droge auf Entzug.“ In extremen Fällen ist selbst klares Wasser schon zu viel für die erkrankte Gesichtshaut.
- Ernährungs-Doc Matthias Riedl: Die besten Lebensmittel für schöne Haut
- Hautkrebs: Immer mehr Diagnosen in Hamburg – die wichtigsten Mythen und Fakten
- Neurodermitis: Was tun, wenn die Haut um Hilfe ruft?
Alle Säuren können junge Haut langfristig schädigen. „Die Hautbarriere verliert auch durch Emulgatoren ihre Selbstregulation“, erklärt Tina Köhler, die 15 Jahre in Hautarztpraxen gearbeitet hat. „Emulgatoren sind wie Tenside, die die Hautbarriere zerstören.“ Säuren, Emulgatoren, Konservierungsstoffe und Duftstoffe – das alles überfordere junge Haut. Ansonsten gilt laut Tina Köhler: „Junge Haut braucht gar nichts, außer Sonnenschutz.“
Hamburger Kinderärztin erklärt, was junge Haut wirklich an Pflege braucht
Auch die Kinder- und Jugendärztin Charlotte Schulz mit Praxis in Eimsbüttel ist erstaunt darüber, dass so viele Mädchen „unfassbar viel Geld für Pflege- und Schönheitsprodukte in den Drogeriemärkten lassen“. Völlig unnötig. Denn: „Erst mit Einsetzen der Pubertät, so zwischen zwölf und 15 Jahren, kann sich das ändern.“ Aber auch dann genüge eine leichte Pflege. Fettige Cremes könnten etwa eine Akne nur noch verschlimmern. „Weniger ist mehr.“
Der Profi-Tipp: „Es reicht eine milde, rückfettende Reinigung, und zwar nur abends, morgens genügt einfaches Wasser. Dazu eine leichte Feuchtigkeitspflege und Sonnenschutz.“