Hamburg. Im Bezirk Mitte und in Wandsbek schnellen die Fallzahlen in die Höhe – dabei gab es schon 2023 einen deutlichen Anstieg, so der Senat.
Kaum ein Monat vergeht, ohne dass nicht mindestens einmal irgendwo in Hamburg eine Schusswaffe illegal abgefeuert wird. Anfang Juli sollen zwei junge Männer von einem Balkon an der Sibeliusstraße in Bahrenfeld mit Schusswaffen gedroht und geschossen haben. Das SEK rückte an, stellte eine Schreckschusswaffe sicher. Eine Woche später, am 10. Juli, wurde an der Jet-Tankstelle am Neuen Kamp, nahe dem Grünen Bunker, ein offenbar völlig unbeteiligter Mann von einem Querschläger verletzt. Die Polizei sucht weiter nach Zeugen dieser seltsamen Episode auf St. Pauli. Und erst in der Nacht zum Dienstag hat ein Tankstellenmitarbeiter in Wilhelmsburg einen mit einer Schreckschusspistole bewaffneten Räuber entwaffnen müssen.
Nur drei recht aktuelle Fälle, doch es sind so viel mehr. Der fraktionslose Abgeordnete Sami Musa hat jetzt durch eine kleine Anfrage an den Hamburger Senat ermitteln lassen, wie oft im Vorjahr in der Hansestadt Schusswaffen eingesetzt worden sind. Die Antwort lautet: 127-mal wurde mit einer Waffe gedroht, 101-mal sogar damit geschossen. Zum Vergleich: 2022 verzeichnete die Polizei „nur“ 202 solcher Fälle.
Schusswaffen in Hamburg: Zunahme wegen Verstößen gegen Waffengesetz?
Eine „deutlich erkennbare Ursache“ für diese Zunahme seien Verstöße gegen das Waffengesetz, so der Senat. Nach „polizeilicher Einschätzung“ handele es sich überwiegend um Fälle des illegalen Erwerbs, Führens, Besitzes und Schmuggels von Schusswaffen, die dann jedoch nicht für Straftaten missbraucht worden seien. „Bei etwa 50 Prozent der im Jahr 2022 und 2023 in Hamburg registrierten Fälle handelt es sich demnach ausdrücklich nicht um gegen Personen gerichtete Gewaltdelikte“, so der Senat. Bei der Erfassung werde nicht nach Schusswaffen und Schreckschusswaffen unterschieden. Auch werde nicht differenziert, ob sich der Gebrauch der Waffen gegen Menschen oder Sachen gerichtet oder ob der Täter lediglich in die Luft geschossen habe.
Besonders betroffen ist der Bezirk Hamburg-Mitte mit dem Vergnügungsviertel St. Pauli und dem Brennpunkt St. Georg. Nach Darstellung des Senats sind nirgendwo sonst Schusswaffen im Vorjahr so häufig eingesetzt worden wie dort. 31-mal sei damit gedroht und 34-mal geschossen worden – allerdings fielen in 21 Fällen Schüsse, ohne dass danach Schäden oder Verletzungen aufgetreten seien. 2022 gab es in diesem Bezirk noch zwölf Fälle weniger. Es folgt Hamburgs größter Bezirk Wandsbek mit 43 Taten (30-mal gedroht, 13-mal geschossen), Harburg mit 36 Taten (19-mal gedroht, 17-mal geschossen), Hamburg-Nord mit 31, Altona mit 29, Eimsbüttel mit zwölf und Bergedorf mit zehn Taten.
Im ersten Halbjahr 2024 gab es schon viel mehr Fälle als im Vorjahr
Für das laufende Jahr sieht es noch einmal schlechter aus. Schon jetzt ist absehbar, dass die hohen 2023-Zahlen – mithin die höchsten seit fünf Jahren – dieses Jahr wohl deutlich übertroffen werden. Allein von Januar bis Juni 2024 registrierte die Polizei 189 solcher Straftaten – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Anstieg von 32 Fällen oder ein Plus von 20,4 Prozent, wie durch eine kleine Anfrage des Hamburger CDU-Vorsitzenden Dennis Thering herauskam.
Erschreckend: Wurden im ersten Halbjahr 2023 Schusswaffen noch vorwiegend als Drohmittel eingesetzt, hat sich das Verhältnis von Januar bis Juni 2024 umgekehrt. So sei in 79 Fällen mit einer Schusswaffe gedroht worden. Doch in 110 Fällen drückten die Täter auch tatsächlich ab. Allerdings: „Etwa zwei Drittel aller unter Verwendung einer Schusswaffe begangenen Fälle richteten sich 2024 entweder gegen Sachen oder betrafen Verstöße gegen das Waffengesetz, bei denen es nicht zu Personenschäden kam“, so der Senat.
Besonders deutlich stiegen nach Angaben des Senats die Zahlen in den Bezirken Hamburg-Mitte und Wandsbek. In Mitte gab es demnach bereits 77 Fälle (bis Juni 2023: 49). In Wandsbek wurden 38-mal Schusswaffen eingesetzt, also schon jetzt häufiger als im gesamten Vorjahr. Für die beiden Bezirke bedeutet das einen Anstieg von jeweils mehr als 50 Prozent.
Abgeordneter zu Schusswaffeneinsätzen: „Im Rathaus müssen Alarmglocken schrillen“
Der fraktionslose Abgeordnete und Fragensteller Sami Musa fordert jetzt: „Wenn die Verstöße gegen das Waffengesetz deutlich zunehmen, müssen im Rathaus die Alarmglocken schrillen. Das illegale Tragen einer Waffe oder der Waffenschmuggel haben ganz offenbar deutlich zugenommen. Hier müssen schnell die Ursachen gefunden und bekämpft werden. Hamburg darf nicht zu einer Drehscheibe des Waffenschmuggels werden, so wie es bei der Einfuhr von Drogen am Hafen leider bereits der Fall ist“, sagte Musa dem Abendblatt.
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Und weiter: „Der Innensenator und die Sicherheitskräfte müssen hier konsequent vorgehen, damit die Verstöße geben das Waffengesetz nicht noch weiter zunehmen. Wichtig ist, dass die Polizei ausreichend personelle und technische Ressourcen erhält, um Kriminellen das Handwerk zu legen.“