Hamburg. Der extreme Regen vor zwei Wochen hat gezeigt, was der Stadt blüht. Mit diesen Maßnahmen soll Hamburg seine Bürger nun besser schützen.
Der Klimawandel ist nicht mehr aufzuhalten, er ist längst Realität, auch in Hamburg. Das hat vor zwei Wochen zuletzt der „Jahrhundertregen“ deutlich gemacht, der in der Stadt ganze Straßenzüge und viele Keller unter Wasser setzte. Dabei wurde auch klar, dass Hamburg bisher kaum auf die künftig voraussichtlich weiter zunehmenden Starkregen oder auf die zu erwartenden Hitzeperioden vorbereitet ist.
Das hat nun auch der Klimabeirat in einem am Donnerstag vorgestellten Papier unterstrichen und eine Reihe von Forderungen aufgestellt, die der Senat schnell umsetzen müsse, um die Stadt besser auf den Klimawandel vorzubereiten.
„Der Klimawandel hat Hamburg längst erreicht. Seine Folgen sind keine abstrakten Risiken mehr, sondern sehr reale Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Stadt und für Gesundheit und Lebensqualität ihrer Bewohnerinnen und Bewohner“, sagte Professor Daniela Jacob, die Vorsitzende des Hamburger Klimabeirats, bei der Vorstellung der 20-seitigen Empfehlungen mit dem Titel „Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Hamburg“.
Klimawandel in Hamburg trifft Ärmere stärker als Wohlhabende
Darin mache der Klimabeirat „konkrete Vorschläge, wie die Folgen des Klimawandels in Planungen und Entscheidungen über Stadtentwicklung und städtische Infrastrukturen berücksichtigt werden sollten“, so Jacob. „Wir wollen damit einen Impuls für einen möglichst breiten Dialog in der Stadt geben, denn für die Anpassung an den Klimawandel braucht Hamburg einen umfassenden Ansatz.“
Konkret fordern die Experten in dem Papier:
- Klimaschutz und Klimaanpassung künftig bei politischen Entscheidungen immer „zusammenzudenken“. Während es beim Klimaschutz um die Vermeidung von CO2-Ausstoß geht, um den Klimawandel zu bremsen, soll die Klimaanpassung dafür sorgen, die bereits nicht mehr aufzuhaltenden Veränderungen wie zunehmende Hitze und Starkregen erträglich zu gestalten – etwa durch Entsiegelung, mehr Grün, bauliche Anpassungen oder Wassersparprogramme.
- Hamburg müsse bis zum Herbst eine Strategie vorlegen, mit welchen konkreten Maßnahmen sich die Stadt an den Klimawandel anpassen soll.
- Bis Mitte 2025 müsse ein Kommunikationskonzept vorliegen, wie der Senat die Bürgerinnen und Bürger über Folgen des Klimwandels auf ihr Leben und über Gegenmaßnahmen informieren wolle.
- Die Stadt müsse sich bei der Klimaanpassung ehrgeizige und vor allem auch messbare Ziele setzen.
- Bei alledem müsse die „soziale Gerechtigkeit“ beachtet werden. In gesellschaftlich benachteiligten Stadtteilen seien die Auswirkungen des Klimawandels nämlich oft gravierender, etwa durch engere Bebauung.
- Der bereits bestehende Hitzeaktionsplan, der gesundheitliche Gefahren bei starker Hitze minimeren soll, müsse weiterentwickelt und bereits 2024 umgesetzt werden.
- Die Stadt müsse Konzepte zur „Entsiegelung, Reduzierung des Flächenverbrauchs, multifunktionalen Flächennutzung und Sicherung des Altbaumbestands“ vorlegen.
- Der Trinkwasserverbrauch müsse reduziert werden. Der steigende Bewässerungsbedarf müsse auf andere Quellen umgestellt werden, etwa auf Regenwasser oder Grauwasser (geringer verschmutztes Wasser, etwa aus Bädern). Auch beim privaten Wasserverbrauch müsse stärker auf Regen- und Grauwasser zurückgegriffen werden, um die Grundwasserreserven zu schonen.
- Der Hochwasserschutz müsse gestärkt, Überschwemmungsflächen dürften nicht weiter reduziert werden.
- Dabei müsse auch genügend Geld im Haushalt bereitgestellt werden, um die Maßnahmen zu finanzieren, die die Stadt nun ergreifen müsse, um sich auf stärkeren Regen und längere und intensivere Hitzeperioden einzustellen.
Der Klimawandel führe nicht nur zu stärkeren Niederschlägen und mehr Hitze, so der Klimabeirat in seinem Papier, sondern auch zu einer stärkeren Luftbelastung und mehr Lärm, da die Schallgeschwindigkeit u. a. von der Temperatur abhänge. Die Experten kritisieren, dass der Senat bisher insgesamt nicht genügend getan habe, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. „Eine alle Sektoren übergreifende und alle relevanten Entscheidenden einbindende Strategie und deren Umsetzung liegt bislang nicht vor“, heißt es in seinem Papier.
Klimabeirat: „Hamburg droht wichtige Weichenstellungen zu verpassen“
„Ohne integrierte Maßnahmen zur Anpassung Hamburgs an den Klimawandel droht für Hamburg, dass wichtige – besonders langfristig notwendige – Weichenstellungen verpasst werden. In vielen aktuell anstehenden Entscheidungen, besonders auch in der Stadtentwicklung und Infrastrukturplanung, haben die Aspekte der Anpassung an den Klimawandel in der Abwägung weiterhin einen untergeordneten – und auf keinen Fall einen systematisch betriebenen und strategischen – Stellenwert.“
Künftig müssten „die Erfordernisse der Folgen des Klimawandelsbei allen relevanten Entscheidungen und Maßnahmen Beachtung finden und in notwendigen Fällen in Planungen berücksichtigt werden“, so die Wissenschaftler. „Hierfür ist zeitnah ein Hamburger Gesetz zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu erarbeiten.“
Bäume in Hamburg: Statt den Bestand weiter zu reduzieren, soll mehr gepflanzt werden
Wichtig sei neben anderen Maßnahmen die Reduzierung des Flächenverbrauchs, „um einen hohen Anteil an dezentralen Grünflächen als Qualität einer klimaresilienten Stadtentwicklung sicherzustellen“. Durch Entsiegelung müssten „zusätzliche Grünflächen mit gesundheitsfördernder Aufenthaltsqualität für Freizeit, Kühlung und Regenwasserversickerung“ bereitgestellt werden.
Außerdem müsse der Baumbestand in Hamburg vergrößert, dürfe also keinesfalls weiter reduziert werden, so die Klimaexperten. „Dies gilt für Straßenbäume und Bäume in öffentlichen Grünflächen und Parks wie auch für den privaten Baumbestand und in Naturschutzflächen.“
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Im Verkehrsbereich müssten der „motorisierte Individualverkehr“ weiter reduziert und die Nutzung von HVV, Fahrrad und das Zufußgehen gefördert werden. „Dazu sind Geh- und Radwege wünschenswert, die vor starkregenbedingter Überflutung weitgehend sicher und durch Bäume beschattet sind“, heißt es in dem Papier. Damit das Bus- und Bahnfahren auch bei Hitze attraktiv sei, müssten zudem „angemessene Temperaturen sowohl in den Bahnen und Bussen als auch in den Bahnhöfen“ sichergestellt werden.
Umweltsenator Kerstan will bis Jahresende eine „Klimaanpassungsstrategie“ vorlegen
Umweltsenator Jens Kerstan begrüßte den „fachlichen Input des Klimabeirats“. Dieser komme „genau richtig“. Die Umweltbehörde stimme derzeit „in einer ersten Runde einen Entwurf für die Hamburger Klimaanpassungsstrategie zwischen den Fachbehörden und den Bezirken“ ab, so Kerstan. „Anschließend gehen wir damit in die weitere Beteiligung und wollen bis Ende des Jahres die Klimaanpassungsstrategie im Senat beschließen.“
Weitere Informationen zum Klimabeirat und in Kürze auch seine aktuelle Empfehlung sind auf dessen Internetseite hier abrufbar.