Hamburg. Der Hamburger (90) hat als Kind viel Zeit im Bunker auf St. Pauli verbracht. Wie er dessen Wandlung findet – und was er dort erlebte.
- Als Kind suchte Karl-Heinz Plaschke im Bunker auf St. Pauli häufig Schutz vor Bomben.
- Der Zeitzeuge engagierte sich in einem Verein für die begrünte Aufstockung.
- Jetzt durfte er als erster Gast in dem Hotel übernachten, das dort eröffnet.
Als er das erste Mal vom Feldstraßen-Bunker auf Hamburg herabblickte, sah er den Michel, der von den ringsum brennenden Häusern erleuchtet wurde. „Wir Jungs stromerten durch den Bunker und guckten durch eine Eisenluke, die die Flaksoldaten offen gelassen hatten“, erinnert sich Karl-Heinz Pischke.
Jetzt blickt der 90-Jährige wieder von hier oben auf die Stadt. Als erster Gast darf er im Hotel Reverb by Hard Rock, das in den spektakulär aufgestockten und begrünten Bunker auf St. Pauli gezogen ist und am 5. Juli eröffnet wird, übernachten.
Grüner Bunker in Hamburg: 90-Jähriger Zeitzeuge ist der erste Hotelgast
Vom Grünen Bunker aus betrachtet Pischke den Michel, die Elbphilharmonie, den Hafen. Er steht mit seiner Lebensgefährtin auf einer der vielen Ebenen des pyramidenförmigen Aufbaus. Hotelmanager Till Westheuser hat ihnen bereits an der Rezeption die Schlüsselkarte zu ihrer Suite überreicht.
Jetzt führt er die beiden draußen ein bisschen herum: Über Treppen geht es an Beeten mit Stauden, Gehölzen und Büschen vorbei zur Dachterrasse. Diese liegt auf 58 Metern Höhe und wirkt mit einer von Wegen und Grünpflanzen umsäumten Rasenfläche und mehreren Apfelbäumen wie ein kleiner Park.
Grüner Bunker – Hamburger: „Mein Lebensretter hat eine Krone bekommen“
„Was für ein fantastischer Ausblick“, schwärmt Pischke. „In Kombination mit der Architektur und der Begrünung ist das etwas Einmaliges.“ Man merkt, dass ihm das Schutzgebäude, in dem er als Kind oft Zuflucht gesucht und nach der Ausbombung sogar eineinhalb Monate gewohnt hat, viel bedeutet. Den sogenannten Bergpfad, der sich um den Bunker herum nach oben windet, nennt er „Schärpe“. Zum Aufbau selbst sagt er: „Mein Lebensretter hat eine Krone bekommen.“
Dass er die Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 in dem Bunker verbrachte, war seiner Neugier zu verdanken. „Er war noch ziemlich neu. Und ich nahm den Fliegeralarm zum Anlass, meine Mutter zu überreden, ihn sich ansehen.“ Viele andere aus dem Karolinenviertel hätten stattdessen die Luftschutzkeller in ihren Häusern aufgesucht – oder blieben, wo sie waren.
„Bislang waren ja nur vereinzelt Bomben gefallen“, so Pischke. „In dieser Nacht aber verbrannten viele Menschen in ihren Betten. Und in der Glashüttenstraße, nicht weit weg von unserem Haus, sogar eine ganze Hochzeitsgesellschaft.“
Karl-Heinz Pischke war als Kind im Bunker – als dort Schüler zu Tode kamen
Erst kurz zuvor hatte die Familie die sogenannte Bunkerkarte bekommen, die ihm und seinen Eltern Plätze in Raum 27, in der zweiten Etage, zuwies. „Der Raum war etwa 250 Quadratmeter groß und füllte sich im Laufe der Nacht mit immer mehr Schutzsuchenden“, berichtet der Zeitzeuge. „Draußen herrschte das reinste Chaos.“
In dieser Nacht seien außer St. Pauli und der Innenstadt auch Altona, Eimsbüttel und Eppendorf bombardiert worden. Es war der Auftakt zur Operation Gomorrha, der dann – „immer mit einem Tag Abstand“ – noch viele weitere Teile Hamburgs zum Opfer fallen sollten.
Auch der Bunker selbst bekam in dieser ersten Nacht einen Treffer ab. „An einem der Flaktürme brach ein Kragen ab und riss zwölf Abiturienten meiner späteren Schule, der Albrecht-Thaer-Schule, in die Tiefe“, erinnert sich Pischke, der damals zehn Jahre alt war und noch zur Grundschule in der Laeiszstraße ging.
Grüner Bunker: Hamburger (90) war immer für umstrittene Aufstockung
Mittlerweile hat Hotelmanager Westheuser das ältere Paar zu seinem Zimmer geführt. Und als die ersten offiziellen Gäste die Tür mit der Nummer 235 öffnen, sind sie sichtbar beeindruckt. Der Flur, der Wohnbereich mit Sitzecke, das Schlafzimmer mit großem Doppelbett und Zugang zum Badezimmer – alles ist großzügig angelegt. Von jedem Zimmer hat man Zutritt zu einem Balkon.
Hier erzählt Pischke, warum er überhaupt als erster Hotelgast ausgewählt wurde. „Ich hatte mich auf einen Aufruf des Hamburger Abendblatts gemeldet und als Zeitzeuge für die Operation Gomorrha zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang kam ich mit dem Verein Hildegarden in Kontakt.“ Dieser hatte sich gegründet, um die gemeinschaftliche Planung und Nutzung der öffentlichen Flächen des begrünten Bunker-Aufbaus zu begleiten. Pischke trat dem Verein bei und sprach sich immer wieder für die umstrittene Aufstockung aus.
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Grüner Bunker in Hamburg „lädt dazu ein, ihn zu erklimmen“
„Ich finde es wunderbar, dass ich miterleben konnte, wie sich der Bunker wandelt“, sagt er nun. Es habe jahrelang eine Nutzung im Inneren gegeben – aber ohne dass sich das Bauwerk nach außen öffnete. „Jetzt lädt der Bunker mit seinem Dachgarten dazu ein, ihn zu erklimmen, sich an der Bepflanzung zu erfreuen und oben die tolle Aussicht zu genießen.“ Zudem gebe er der Stadt das Grün zurück, das für seinen Bau („Das Heiligengeistfeld war früher eine Wiese“) vernichtet worden war.
Nie hätte er sich auch nur ansatzweise ausmalen können, dass er einmal in „seinem“ Bunker in einem komfortablen Bett statt auf einer harten Holzbank schlafen würde, sagt Pischke. Und erst recht nicht, dass ihm und seiner Lebensgefährtin abends ein romantisches Candle-Light-Dinner auf der Dachterrasse serviert werden würde.