Hamburg. DJ Jerome trifft die Verschandelung vom Song „L‘amour toujours“. Welche unangenehmen Erfahrungen er und Kollegen damit gemacht haben.
Es gibt in diesen Tagen kaum ein Lied, über das so viel gesprochen wird, wie „L´amour toujours“ des italienischen Musikproduzenten Gigi D‘Agostino. Seit in der vergangenen Woche auf der Nobelinsel Sylt eine Gruppe junger Erwachsener den 2000er-Jahre-Hit mit rassistischen Parolen umgetextet hat, schoss der Song in den Charts nach oben. Ein unrühmlicher Erfolg.
Auch der Hamburger Marcel-Jerome Gialelés – besser bekannt als DJ Jerome – hat sich in den vergangenen Tagen viele Gedanken über den Musikklassiker aus dem Jahr 2001 gemacht.
„L‘amour toujours“ in Sylt: Hamburger DJ Jerome spielt den Song nicht mehr
„Als Songwriter würde es mich wahnsinnig machen, wenn mein Werk derart zweckentfremdet und für politische Zwecke genutzt werden würde. Es ist natürlich von der rechten Szene ein ziemlich ‚cleverer‘ Schachzug, einen absoluten Ohrwurm und sehr beliebten Song umzutexten und somit das Unsagbare wieder salonfähig zu machen. Sorry, aber das ist absolut menschenverachtend und geschmacklos“, sagt der Hamburger gegenüber dem Abendblatt.
Auch DJ Jerome kam am vergangenen Wochenende unfreiwillig mit dem Song, der eigentlich von Liebe handelt, in Berührung: Auf einem Flug von Stuttgart nach Hamburg summte ein Mann die Melodie des Songs – anschließend entbrannte „großes Gelächter“ unter den drei Freunden des Passagiers. Die menschenverachtenden Textzeilen sang der Mann zwar nicht, doch DJ Jerome hat es trotzdem wütend gemacht.
„Egal welche Intention der Herr hatte, eklig und absolut unnötig ist es in jedem Fall. Man kann sich grundsätzlich über Migrationspolitik und gerne auch über den Frust gegenüber der Regierung unterhalten, aber ‚Ausländer raus!‘ zu rufen, oder das sogar witzig zu finden, entzieht sich meinem Verständnis. Es frustriert mich somit als Künstler und auch als Mensch“, so Marcel-Jerome Gialelés .
DJ Jerome erlebte, wie rassistische Textpassagen zu „L‘amour toujours“ gesungen wurden
Pfingsten sei der Hamburger bei einem Job erneut mit dem Song konfrontiert worden. Gemeinsam war er mit dem Veranstalter auf dem Weg zu seiner Bühne gewesen, als sie an einem anderen Dancefloor vorbeikamen, wo gerade „L‘amour toujours“ gespielt wurde. Einige Menschen haben mitgegrölt, auch die Textpassage „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ war wohl deutlich zu vernehmen. Der wütende und fassungslose Veranstalter reagierte sofort, ging in das Partyzelt und regelte die Situation. Anschließend fragte er DJ Jerome umgehend, ob er ebenfalls plane, diesen Song zu spielen. Der Hamburger verneinte das.
„Der Song war jahrelang fest in meinem Programm, immer in aktuellen Versionen“, sagt DJ Jerome. Doch vor einiger Zeit habe er anderen Liedern den Vorzug gegeben. „Wenn ich das Lied spielen und diese Parolen mitbekommen würde, würde ich den Song sofort abbrechen und diese Menschen Richtung Ausgang verweisen. Ich habe Anfang des Jahres von Kollegen mitbekommen, wie diese hässlichen Parolen immer häufiger ‚gesungen‘ wurden – ob auf Dorffesten, in Discos oder auf Events. Ich konnte es nicht fassen und dachte, das wären nur ein paar Einzelfälle von – sorry für die Ausdrucksweise – dummen Menschen“, so der Hamburger.
Dem ist aber nicht so. Fast täglich werden neue Vorfälle auf Veranstaltungen bekannt. Zuletzt am Montag, als bekannt wurde, dass auch auf dem Schlagermove in Hamburg die rassistische Version von „L´amour toujours“ lauthals angestimmt wurde. Die Ermittlungen des Staatsschutzes laufen.
Ärger um Sylt-Skandal: DJ Jerome will sich Freude an der Musik nicht nehmen lassen
Seine Freude an der Musik will sich DJ Jerome aber dadurch nicht vermiesen lassen. Er hat sie praktisch neu für sich entdeckt. Der Musiker laboriert noch an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls. Am 7. November vergangenen Jahres wollte er nur kurz das Altpapier wegbringen. Der 41-Jährige stand gerade hinter seinem geparkten Auto in Tornesch, als ein 22 Jahre alter alkoholisierter Fahrer in seinen Audi raste. Der Hamburger DJ wurde dabei zwischen seinem Auto und einem Baum eingeklemmt, erlitt schwerste Beinverletzungen.
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Sieben Stunden musste er im UKE notoperiert werden – akute Lebensgefahr. „Mir geht es nach dem Unfall immer besser, ich stehe seit dem 29. März wieder erfolgreich auf den Bühnen und bin den ganzen Sommer auf vielen Festivals unterwegs“, sagt Gialelés, der aber weiterhin mit Physiotherapie an den körperlichen Folgen arbeitet.