Hamburg. Podiumsdiskussion der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft über die Lage der Branche, nachhaltiges Bauen und Hamburgs Prestigeobjekt.
Einmal im Jahr trifft sich die Baubranche im Ausbildungszentrum-Bau in Steilshoop, um die Lage am Immobilienmarkt zu diskutieren. Anders als bis 2022 dominierten bei der Expertendiskussion am Donnerstagabend die Molltöne. Die Richtung gab schon Michael Seitz, der Vorsitzende der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft, vor: Er verwies darauf, dass die Kosten im Wohnungsbau einschließlich der Grundstückskosten seit 2020 im Mittel von 3028 Euro pro Quadratmeter auf 4318 Euro gestiegen sind, ein Plus von 42,6 Prozent.
„So befinden wir uns in einer paradoxen Situation: Einerseits haben wir eine extrem hohe Nachfrage. Es fehlen schätzungsweise über 800.000 Wohnungen, Tendenz steigend“, sagte Seitz. „Andererseits können die Hersteller von Wohnungen ihr Produkt nur zu Kosten herstellen, die sich kein normaler Mieter mehr leisten kann. Also wird nicht mehr gebaut.“ Wie zum Beweis sickerten parallel zur Veranstaltung die jüngsten Wohnungsbauzahlen durch. Bundesweit entstanden 295.000 Wohnungen, etwas mehr als erwartet, aber viel weniger als benötigt.
Elbtower Thema bei Expertenrunde: Hamburgs Prestigebau nicht vor 2028 fertig
Entsprechend deutlich fiel die Losung von SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf aus: „Die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum ist die soziale Frage unserer Zeit“, betonte er. Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass immer höhere Baustandards dazu führen, die Klimaschutzziele zu erreichen. „Vielmehr müssen wir Standards im engen Austausch mit der Baubranche gemeinsam optimieren - gemäß dem Motto optimal statt maximal.“
Deutliche Kritik übte er an Wirtschaftsminister Robert Habeck, der die Branche zusätzlich verunsichert habe. Lars Rückert, Vorstandsmitglied der Innung Sanitär Heizung Klempner Hamburg, betonte: „Allen muss klar sein, dass der Prozess des nachhaltigen Bauens von Anfang an einen Mehraufwand bedeutet - und zwar für alle Beteiligten.“
Christine Lemaitre, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, warb hingegen darum, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten. „Wir können mit dem Mythos aufräumen, dass nachhaltiges Bauen per se teurer ist. Nachhaltig errichtete Gebäude sind langlebiger und bieten Investitionssicherheit.“
Signa-Pleite: Warum hat die Stadt auf Investor René Benko gesetzt?
Auch der Elbtower spielte eine Rolle in der Debatte: Lemaitre nannte das gesamte Projekt schwierig und zeigte sich verwundert, dass die Hansestadt überhaupt auf den Investor René Benko gesetzt hat. Ihren Vorschlag, dort über eine Wohnnutzung nachzudenken, lehnte Kienscherf ab. Das funktioniere nicht angesichts des Lärms am Standort, der Gleistrassen, der Nähe zu Aurubis. Auch Oberbaudirektor Franz-Josef Höing betonte, dass man dort angesichts der Vorgaben „schlichtweg nicht wohnen“ kann. „Ich bin aber nach wie vor zuversichtlich, dass sich Investoren finden und weiterbauen.“ Selbst wenn dies nicht gelänge, werde sich eine Lösung finden.
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Carsten Joost, Geschäftsführer der blu Gesellschaft für nachhaltige Immobilienprojekte, verwies auf die Massen an Beton und CO2, die bereits in das Gebäude an den Elbbrücken und seine Gründung geflossen sind. „Allein deshalb ist es sinnvoll, dass wir den Elbtower wie ursprünglich geplant zu Ende bauen.“ Kienscherf betonte aber, es sei zentral, dass kein Steuergeld in das Projekt fließe. Und fügte hinzu: „Den Investor mochten wir alle nicht, aber das Gebäude ist toll.“
Gefragt in die Runde, glaubte keiner der Experten an eine Fertigstellung des Elbtowers vor dem Jahr 2028/2029 – ursprünglich war die Übergabe des Wolkenkratzers für 2025 geplant.