Hamburg. Jugendliche investieren hunderte Euro, posten dann auf TikTok die Beute: Gehypte Süßigkeiten aus dem Ausland, die es hier nicht gibt, haben für Jugendliche Suchtpotenzial.

  • Trend in Hamburg: Hashtag #Candyshop erreicht viele Schüler
  • Takis-Chips, Prime-Limo, Nutella-Eier und Nerds werden aus dem Ausland importiert
  • Massen von Süßigkeiten im Kinderzimmer: Zuckerbomben, Farbstoffe und Zusätze können schädigen

Dass Kinder und Jugendliche ihr Taschengeld in Lakritzrollen, Gummischnuller, Kaugummis und Schokoriegel investieren, ist nicht neu. Doch inzwischen stehen bei Heranwachsenden aus Hamburg und ganz Deutschland auch zahlreiche Süßigkeiten und Snacks aus Übersee hoch im Kurs, die mithilfe von angesagten Influencern und der Plattform TikTok Kultstatus erreicht haben – etwa Takis Chips, Energy-Drinks wie Prime und süße Naschereien, die häufig aus Asien oder den USA stammen.

Gemeinsam haben viele der Produkte, dass sie ungesund und extrem teuer sind – und im krassen Gegensatz zu den neusten Empfehlungen des Bürgerrats für eine gesündere Ernährung von Kindern stehen. Zusammengefasst wird dieses Phänomen unter dem Hashtag #Candyshop, bei dem es darum geht, die Beute – also Pakete mit Süßigkeiten für teilweise mehrere hundert Euro aus Asien, den USA oder arabischen Ländern– auszupacken und den anderen Usern die ausgefallenen Süßigkeiten zu präsentieren.

Trend Candyshop: Hamburger Schüler geben überdimensional viel Geld für Süßigkeiten aus

Eine Packung mit den knallblau oder gelb gefärbten, kräftig gewürzten Takis kostet bis zu 8,50 Euro. Und auch für Nerds (bunte amerikanische Zuckerperlen), Oreo-Kekse in Lila, knusprige Tronky-Schokoriegel, den Energy-Drink Prime aus den USA oder Kitkat mit Pfirsichgeschmack müssen die Heranwachsenden tief in die Tasche greifen. Aufwendig belegte Donut-Kuchenkreationen werden mitunter für 17 Euro angeboten.

Takis
In vielen Kiosken gibt es Süßigkeiten, die bei Jugendlichen und Kindern hoch im Kurs stehen – etwa Takis Chips (Symbolbild). © IMAGO/Funke Foto Services | IMAGO/

Zu finden sind die Chips, Kekse, Küchlein, Gummitiere, Limos und Co. mittlerweile in allen Hamburger Stadtteilen: in Kiosken oder auch großen Süßigkeitenläden wie etwa in der Europa Passage oder an der Mönchebergstraße. Hier locken Massen an Produkten in knalligen Verpackungen und im schrillen Design – und verführen die Kinder, ihr Taschengeld zu investieren.

Hamburger Schüler teilen unter dem Hashtag #Candyshop ihre Beute aus dem Ausland

Online finden zudem schon seit Längerem Tests und Wettbewerbe statt, wenn es zum Beispiel um Takis geht, die ursprünglich aus Mexiko und den USA kommen. Wer kann die meisten scharfen Mais-Chipsrollen herunterschlingen? Und wie schmecken die neusten Sorten? Viele Kinder und Jugendliche reizt es, selbst auszuprobieren, was sie bei YouTube oder TikTok gesehen haben.

„Die Sorten kennt halt noch nicht jeder von den Erwachsenen“, erklärt ein Hamburger Fünftklässler. „Außerdem sind sie cool und man will auch wissen, wie die in echt schmecken.“

Warnung in Hamburg: Gefärbte Chips wurden zurückgerufen – Azofarbstoffe nachgewiesen

Doch die für Kinder und Jugendliche verlockenden Snacks und Süßigkeiten haben ihre Schattenseiten. Jüngst mussten Takis Chips zurückgerufen werden – das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit warnte vor der Sorte „Takis Fuego Tortilla Chips“.

Es seien die Azofarbstoffe E 110 und E 129 nachgewiesen worden. Zudem fehle der Warnhinweis auf den Tüten: „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen.“

Weil Hinweise für Allergiker fehlen, warnt Hamburger Verbraucherschützer eindringlich

Doch das ist kein Einzelfall. Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg hat schon öfter fehlende Hinweise bemerkt und angemahnt und den Umgang damit in Hamburg beklagt. „Es ist sehr häufig so, dass es auf den Verpackungen keine Hinweise für Allergiker gibt, was rechtlich so natürlich nicht vorgesehen ist“, sagt der Verbraucherschützer.

2021 kritisierte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg einen Süßwarenladen in der City wegen  unzureichender Kennzeichnung von Inhaltsstoffen (Archivbild).
2021 kritisierte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg einen Süßwarenladen in der City wegen unzureichender Kennzeichnung von Inhaltsstoffen (Archivbild). © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

„Es kommt vor, dass Allergene im Zutatenverzeichnis nicht hervorgehoben sind und die Kennzeichnungen ausschließlich in englischer Sprache oder gar in arabischen oder asiatischen Schriftzeichen aufgedruckt sind – für Kinder und Jugendliche also kein bisschen durchschaubar“, so Valet.

In der Vergangenheit hat der Verbraucherschützer bereits Verstöße in den großen Süßigkeiten-Geschäften in der Europa Passage und an der Mönckebergstraße verfolgt, angezeigt und bei der Lebensmittelüberwachung des Bezirks Mitte hinterlegt. Allerdings habe es bislang keine Handlung der Bezirksamtsführung gegeben, sagt Valet.

Schüler in Hamburg auf TikTok: Videos von überteuerten, importierten Snacks werden online geteilt

„Seit einiger Zeit sehen wir, dass der Trend komplett aus den Candy-Shops heraus in die Kioske schwappt und dadurch natürlich noch schneller an die Kinder gerät, die dort vielleicht ihre Eigenständigkeit mit kleinen Einkäufen ausprobieren sollen“, so Valet. „Was wir noch sehr stark kritisieren ist, dass teilweise nur ein handgeschriebener Verkaufspreis an der Ware klebt – Pflicht ist jedoch der Grundpreis pro Kilo oder Liter-Angabe.“

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Oftmals würden Füllmengen aus dem angelsächsischen Raum verwendet. Das sei ebenfalls undurchsichtig für den Konsumenten – ein Preisvergleich sei somit unmöglich. Takis Chips etwa kosten hochgerechnet im Verkauf rund 30 Euro pro Kilo, während herkömmliche No-Name-Chips bei etwa 6 Euro pro Kilo liegen. Kinder und Jugendliche kauften deshalb Waren, die schlicht überteuert und ungesund seien.

Takis und Co. in Hamburger Kiosken – Experte in Sorge

„Es macht uns Sorge, dass diese Dinge unkontrolliert in den Läden vorhanden sind“, sagt Valet. „Das sind keine sicheren Lebensmittel.“ Da es keinen Vollzug vonseiten der Behörden gäbe, rät Valet den Eltern, sich intensiv damit zu beschäftigen, was die Kinder kaufen und essen. „Es ist eine klare Gefahr – solche Produkte dürften nicht in den Kiosken sein.“

Eigentlich, so Valet, müssten diese schon bei der Einfuhr im Hamburger Hafen aus dem Verkehr gezogen werden, sodass der Verkauf gar nicht mehr möglich wäre.