Hamburg. Warum etliche Mädchen und Jungen sich woanders verpflegen – womöglich ohne Erlaubnis. Auf der Veddel soll ein Schulkiosk helfen.
Die Mittagsverpflegung in den Schulen in Hamburg ist seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema: Mal steht die Art der Zubereitung im Fokus, dann geht es um die Kosten, um die Art der Mensa. Nun geht es darum, ob sie überhaupt angenommen wird, die Mittagsverpflegung in der Schule. Denn in vielen weiterführenden Schulen verlassen die Schüler in der Mittagspause das Schulgelände – oftmals unerlaubt.
In der Regel dürfen in Hamburg alle Schüler der Klassenstufen 5 bis 10 das Schulgelände während der Pausen und der Freistunden nicht verlassen. Nicht alle Schulen können Design-Mensen vorweisen wie das Gymnasium Eppendorf. Deshalb halten sich viele Schüler nicht an die Regeln und meiden das Mittagessen in der Schule. „Meinem Kind schmeckt es da einfach nicht“, erzählt eine Mutter, deren Sohn die siebte Klasse eines Gymnasiums im Hamburger Norden besucht. „Deshalb nimmt er entweder Geld mit und kauft sich etwas beim Supermarkt, oder er isst bei Freunden, die nahe der Schule wohnen.“ Damit versicherungstechnisch alles in Ordnung ist, hat sie ihr Kind offiziell mit Antrag bei der Schulleitung von der Pflicht, auf dem Schulgelände zu bleiben, befreien lassen.
Mensa? Harvestehuder Schüler bestellten Knoblauchbrote bei Block House
Genauso ist es in der „Richtlinie über das Verlassen des Schulgeländes während der Pausen und Freistunden“ der Schulbehörde festgelegt. Dort heißt es: „Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 10 der allgemeinbildenden Schulen dürfen das Schulgelände während der Pausen und der Freistunden nicht verlassen.“ Und weiter: „Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe und der beruflichen Schulen dürfen das Schulgelände während der Pausen, die mindestens 15 Minuten dauern, und während der Freistunden verlassen.“
Von der Regel für die Schülerinnen und Schüler bis zur zehnten Klasse könne allerdings abgewichen werden, wenn die schulische Hausordnung im Einzelfall etwas anderes vorsehe – zum Beispiel, weil es vorübergehend oder punktuell keine Versorgung innerhalb der Schule gebe. „Darüber entscheidet dann die Schulkonferenz, an der Schulleitung, Elternrat, Lehrerkonferenz und Schülerrat beteiligt sind“, erläutert Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. „Das heißt, eine Öffnung muss auch von den Eltern mitgetragen werden.“
Wichtig dabei sei, zu wissen: „Die Schulkonferenz legt dann die genauen Regelungen und auch Verantwortlichkeiten fest. Wenn nämlich Schüler das Schulgelände auf Antrag der Eltern verlassen dürfen, tragen dann die Eltern die rechtliche Verantwortung, nicht die Schule.“
Verlassen des Schulgeländes ist nur mit Erlaubnis der Eltern in Ordnung
Rege genutzt wird dieser Passus mit Elternerlaubnis so gut wie in allen weiterführenden Schulen in allen Hamburger Stadtteilen. Etwa in Harvestehude. Schon vor etlichen Jahren sollen Schüler des Wilhelm-Gymnasiums bei Block House am Mittelweg Knoblauchbrote mit Sour Cream bestellt haben, die dann auf dem Schulhof oder im Lateinunterricht verspeist wurden.
Auch heute noch gehen die Wilhelm-Gymnasiasten mittags gern raus. „Weil sie ihren Chip vergessen haben, den sie fürs Mittagessen in der Schule brauchen, weil es als cool gilt und weil sie einfach ein bisschen rauswollen“, berichtet die Mutter eines Achtklässlers. „Sie machen manchmal noch einen kleinen Spaziergang an der Alster entlang. Außerdem ist es auch eine Motivation, dass in der Schule das Handy verboten ist, man es aber dann natürlich rausholen kann.“ Essen holten die Schüler sich donnerstags immer auf dem Turmweg-Wochenmarkt, im Pöseldorf-Center beim Bäcker oder im Supermarkt.
Mit der Bahn zum Burger-Schnellrestaurant statt in die Schulmensa
Oder sie steuerten ein anderes Ziel an: „Meine beiden Kinder haben das Glück, dass Freunde sehr nah wohnen, da gehen sie auch oft in der Pause hin“, erzählt die Mutter. So gut wie alle Eltern hätten die Einverständniserklärung unterschrieben, die auf einem Elternabend verteilt wurde, sodass ihre Kinder schon ab Klasse 8 das Schulgelände verlassen dürfen.
Aus dem zwölf Kilometer entfernten Nienstedten ist zu hören, dass einige Schüler das Burger-Restaurant Jim Block ihrer Mensa vorziehen sollen und gar mit der Bahn nach Othmarschen zum Statthalterplatz fahren – die Schnellrestaurants öffnen bereits um 11.30 Uhr.
Doch immer nur Burger und Pommes mittags? Nichts für Julius Jarchow und Vincent Bleckwedel. Die beiden Blankeneser und Schulfreunde gingen gemeinsam auf das örtliche Marion-Dönhoff-Gymnasium. Die Mensa in der Oberstufe kam für sie nicht infrage; ein Angebot für mittägliches Essen, möglichst schnell auf der Hand und nicht zu teuer, war in der Gegend selten zu kriegen. Aus diesem Mangel entstand die Bowl-Kette der beiden: JayJay’s, die heute mit fairen Schülerpreisen hungrigen Kids gesund durchs Mittagstief verhilft.
Wie ein gläserner Kiosk Abhilfe schaffen soll
Essen und Lernen auf dem Campus, das ist hingegen das erklärte Ziel der Schule auf der Veddel. In der Stadtteilschule wurde jüngst ein moderner Stahl-Glas-Pavillon eingeweiht, der als Schulkiosk dient und auch als Projekt von Schülern betrieben wird. Möglich wurde der Kiosk durch eine Spende des nahe liegenden Einkaufszentrums Westfield Hamburg-Überseequartier.
Dieser kleine Kubus soll als Magnet dienen dafür, dass in der Schule gegessen wird. Alle Beteiligen sind zuversichtlich. „Früher mussten wir zum Supermarkt gehen und dazu zwei viel befahrene Straßen überqueren, außerdem war es nicht erlaubt, das Schulgelände zu verlassen“, sagt Laila, eine der Initiatorinnen. Bisher haben die Betreiber ihr Sortiment an Schultischen verkauft. „In dem neuen Kiosk wird der Umsatz bestimmt steigen“, so die engagierte Schülerin.
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Ab jetzt werden die Lernenden und Lehrenden also in einladender Atmosphäre von Schülern in den Pausen mit Snacks und Getränken versorgt, damit sie auf dem Schulgelände verbleiben und nicht zum Supermarkt gehen müssen. Nebenbei lernen sie, wie man ein kleines Handelsunternehmen führt, von der Sortimentsplanung über Budgetierung, Einkauf und Verkauf bis zur Buchhaltung. Ab jetzt hat das Unternehmen sogar einen eigenen Unternehmenssitz: ein Kiosk auf dem Pausenhof.
„Ein Signal, dass Bildung weit über Stundenpläne hinausgeht“
Lob kommt aus der Schulbehörde. „Dieser einzigartige Kiosk ist das starke Signal, dass Bildung weit über Stundenpläne und Klassenzimmer hinausgeht“, sagt Thorsten Altenburg-Hack, als Leiter des Amtes für Bildung für mehr als 350 Schulen zuständig.
Das angewandte Lernen mit Bestellungen, Inventur, Verkauf und Pflege begrüßt vor allem Schulleiterin Bianka Petri. Sie freut sich für die jungen Menschen: „Hier können unsere Schülerinnen und Schüler praktische Erfahrungen sammeln, lernen, wie ein kleines Handelsgeschäft geführt wird, und wichtige Fähigkeiten entwickeln, die sie auf das Leben vorbereiten.“