Hamburg. Verbraucherzentrale kritisiert Süßwarenladen an der Mö für unzureichende Kennzeichnung von Inhaltsstoffen. Was Candy World dazu sagt.
Schlangen von zumeist jungen Menschen sind vor dem Geschäft an der Mönckebergstraße nahe des Rathausplatzes keine Seltenheit. Wo früher die schwedische Sporthandelskette Stadium ihre Artikel anbot, verkauft seit Ende des vergangenen Jahres Candy World süße und salzige Lebensmittel wie Schokolade, Fruchtgummi, Chips und Getränke aus aller Welt. Vor allem Importprodukte, die es bisher nicht in deutschen Supermärkten gab, sollen im Sortiment sein.
Das stößt bei den Kunden offenbar auf große Gegenliebe – die Hamburger Verbraucherzentrale stört sich hingegen an vielen der angebotenen Waren. Der Grund: „Es werden grundlegende Kennzeichnungsvorschriften ignoriert, sodass die Lebensmittel nicht verkauft werden dürfen“, sagt Lebensmittelexperte Armin Valet. „Für Allergiker stellen sie sogar eine Gefahr dar.“
Valet bezieht sich in seiner Kritik auf die Gesetzeslage. So steht in der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung, dass Lebensmittel in deutscher Sprache zu kennzeichnen sind. Bei importierten Produkten müssten Pflichtangaben wie etwa die Bezeichnung des Lebensmittels, Zutatenliste, Nährwertangaben sowie Angaben zum Mindesthaltbarkeitsdatum, aber auch Allergenhinweise in leicht verständlicher, deutscher Sprache auf der Verpackung angegeben werden, sagt Valet. Das gelte auch für wichtige Warnhinweise.
Verbraucherzentrale fordert Schließung von Candy World
So seien die auf manchen Produkten in englischen Zutatenlisten gefundenen Namen „Red 40“, „Yellow 5“ und „Yellow 6“ für Farbstoffe in der EU nicht erlaubt. Dahinter würden sich die Azofarbstoffe Allurarot AC (E 129), Tartrazin (E 102) sowie Gelborange S (E 110) verbergen, die die Verbraucherzentrale als kritisch einstuft. Sie können pseudoallergische Reaktionen auslösen, besonders bei Menschen, die empfindlich auf Salicylate (Aspirin) reagieren oder Asthma oder Neurodermitis haben. Zudem müssen Produkte mit Azofarbstoffen laut EU-Verordnung den Warnhinweis „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen“ tragen.
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Die Hinweise auf Deutsch fehle bei der Mehrzahl der angebotenen Produkte, hätten mehrere Stichproben der Verbraucherzentrale ergeben. Häufig gebe es nur ein Etikett auf Englisch, teilweise habe man die Kennzeichnung der Ware nur auf Arabisch oder Japanisch gefunden. Von solch mangelhaften gekennzeichneten Lebensmitteln gehe eine Gesundheitsgefahr aus, zum Beispiel für Allergiker, die keine verwertbaren Informationen zu den beinhalteten Allergenen erhalten, so Valet: „Aus Sicht der Verbraucherzentrale müsste die Filiale vorübergehend geschlossen werden, bis die vielen Lebensmittel korrekt gekennzeichnet sind und keine Gefahr mehr vor allem für Allergiker darstellen.“
Unternehmen bezieht Stellung
Das Unternehmen äußerte sich auf Anfrage am späten Montagnachmittag in einem schriftlichen Statement zu den Vorwürfen. Man vertreibe Süßigkeiten, Snacks, Getränke und Cereals namhafter Hersteller aus aller Welt, wird Candy-World-Geschäftsführer Majid Moghadasi zitiert. „Die Inhaltsstoffe sind auf allen Produkten in der Regel auf Englisch ausgewiesen. Stand heute sind auf rund 80 Prozent unserer Produkte im Shop in der Mönckebergstraße die Inhaltsstoffe zusätzlich auch auf Deutsch deklariert“, so Moghadasi.
Man arbeite derzeit unter Hochdruck daran, die restlichen 20 Prozent der Produkte im Geschäft bis spätestens zum kommenden Sonnabend ebenfalls auf Deutsch zu etikettieren. Im Onlineshop seien bereits alle Produkte mit deutschen Inhaltsangaben versehen. Dies erfolge in enger Abstimmung mit dem Fachamt für Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt in Hamburg.
Candy World: „Wir nehmen den Verbraucherschutz sehr ernst"
„Wir nehmen den Verbraucherschutz und eine umfassende Information unserer Kunden auf den Produkten sehr ernst“, so Moghadasi. Daher führe man bereits seit einiger Zeit intensive Gespräche mit den Herstellern sowie den Lieferanten und arbeite daran, die Labelung der Produkte auf Deutsch in den Herstellungsprozess zu integrieren. Darüber hinaus stünden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Shop den Kunden bei Fragen zu Inhaltsstoffen und Allergenen gern zur Verfügung und berate sie entsprechend.
Die Verbraucherzentrale hat nach eigenen Angaben zwei Unterlassungserklärungen Candy World zustellen lassen und diese unterschrieben zurückerhalten. Eine betrifft die fehlende deutsche Kennzeichnung der Inhaltsstoffe, die andere die fehlenden Grundpreise. Das ist das Ausweisen des Preises beispielsweise pro Kilogramm, um eine Preisvergleichbarkeit herzustellen. Auch gegen diese Angabenpflicht verstoße das Unternehmen, so die Verbraucherzentrale. Moghadasi teilte mit, auch die Umsetzung der Ausweisung des Grundpreises im Shop an der Mönckebergstraße werde spätestens bis 4. September erfolgen. Im Onlineshop sei dies bereits umgesetzt.
Valet forderte das zuständige Bezirksamt Mitte dennoch auf, den Verkauf der aus seiner Sicht potenziell gefährlichen Lebensmittel umgehend zu unterbinden. Im Juni habe die Verbraucherzentrale das Amt über die Missstände informiert. In der Behörde wusste man damals aber offenbar schon Bescheid. Am 8. Februar 2021 hätte es eine erste Plankontrolle gegeben, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts: „Es wurde ein Kontrollbericht gefertigt, in welchem der Betreiber aufgefordert wurde, die Kennzeichnung in deutscher Sprache unter Mithilfe von Sachverständigen vorzunehmen.“
Für den September sei eine Nachkontrolle vorgesehen. Wann genau diese erfolge, blieb offen. Die Frage, ob Candy World eine Schließung drohe, wurde von der Sprecherin nicht direkt beantwortet. „Die einzuleitenden Maßnahmen hängen vom Ergebnis der Nachkontrolle ab“, sagte sie: „Ein Verbot des Inverkehrbringens nicht in deutscher Sprache gekennzeichneter Lebensmittel ist möglich.“