Hamburg. Café, Buchhandlung, Eventlocation: Was Hamburg und Touristen in den neuen Räumlichkeiten unterm Rathausmarkt geboten wird.
Endlich! Die Rathauspassage hat geöffnet. Nach der langen und 4,5 Millionen Euro teuren Sanierung hat Hamburgs „sozialer Hafen“ seit Mittwoch wieder für die Menschen und Besucher der Stadt geöffnet – fast acht Jahre nach der Präsentation der ersten Umbaupläne. Rathauspassage Hamburg nennt sich die Einrichtung, die einst fensterlos ein Schattendasein unter dem Rathausmarkt fristete und sich jetzt hell, einladend und modern präsentiert.
„Herzstück des Sozialunternehmens ist die Beschäftigung von Menschen, die aufgrund von Schicksalsschlägen lange vom Erwerbsleben ausgeschlossen waren“, so Geschäftsleiter Björn Dobbertin. Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, fasst die Besonderheit des Ortes so zusammen: „In der Bibel heißt es bei Jeremia: ‚Suchet der Stadt Bestes‘. Für mich steht dieses kurze Zitat, das den Pilgerstempel der Rathauspassage ziert, geradezu programmatisch für die Hamburger Institution.“
City Hamburg: Rathauspassage ist jetzt eröffnet
Noch vor Kurzem mochte sich Dobbertin nicht auf einen konkreten Eröffnungstermin festlegen. Grund waren die vielen unerwarteten Ereignisse, die negative Auswirkungen auf den Fortschritt der 2019 begonnenen Sanierungsarbeiten hatten. Erst Corona, dann verschiedenste Verzögerungen bei den Gewerken, die Dominoeffekte hatten.
Bei einem Vorort-Besuch im Februar präsentierten sich die neuen Räumlichkeiten unter dem Rathausmarkt, die unter anderem durch den Verkauf von Empathie-Aktien saniert werden konnten, schon ziemlich fertig. Durch die Fenster zur Kleinen Alster hin fällt viel Licht. Der hellgraue Boden und das gemaserte helle Holz, das für Tresen und Regale verwendet wurde, unterstreichen den modernen, freundlichen Eindruck.
Rathauspassage unter dem Rathausmarkt erhält einen neuen Haupteingang
Fast kann man sagen, die Rathauspassage ist ans Licht gekommen. Denn es gibt zwar weiterhin den unterirdischen Eingang vom Zugang zu U3 und S-Bahn. Der neue Haupteingang aber liegt an der anderen Seite des Rathausmarktes, vor Bogner und Starbucks. Auch das Konzept wurde komplett überarbeitet. „Wir werden uns künftig ,Rathauspassage Hamburg‘ nennen, damit unser Bezug zur Stadt deutlich wird“, so Dobbertin.
Dass der noch enger ist als zuvor, zeigt sich, als er die sechs unterschiedlichen Bereiche vorstellt, in die die Rathauspassage künftig unterteilt ist. Auch sie waren übrigens ein Grund für die Verzögerung. „Es hat sehr lange gedauert, ein System für Kasse und Warenwirtschaft entwickeln zu lassen, das alle Bereiche erfassen kann.“
Rathauspassage Hamburg: Es gibt jetzt einen Ticketschalter und Pilgerstempel
Die erste Abteilung heißt „Hamburg erleben“ und liegt gegenüber des alten Haupteingangs. Statt wie früher nur über das kirchliche Angebot und oberflächlich über Hamburg zu informieren, kann man in der neuen Touristenzentrale künftig Tickets für alle möglichen Veranstaltungen und Museen sowie die Hamburg Card erhalten.
Da der Pilgerweg nach Santiago de Compostela über den Rathausmarkt führt, kann man sich hier auch den Hamburger Pilgerstempel abholen. Dazu gibt es die beliebten Upcycling-Produkte aus alten Büchern am Counter: Lampenschirme aus gerollten Buchseiten, Karten aus ehemaligen Covern oder hübsch beklebte Ostereier.
Innenstadt: Jeden Monat nimmt die Rathauspassage 20.000 gebrauchte Bücher an
Um die Bücher selbst geht es im zweiten und dritten Bereich der neuen Rathauspassage. Ein neues Angebot ist die Abteilung „Buchhandlung Kehrwieder“, in der – erstmalig in der Geschichte der 1998 gegründeten Rathauspassage – neue Bücher verkauft werden. „Das Besondere daran ist, dass sie entweder über Hamburg oder von Hamburgern geschrieben wurden“, erläutert Dobbertin das Konzept. Einzige Ausnahme sei die Abteilung „Morden im Norden“.
Überwiegend wird der Handel aber mit gebrauchten Büchern betrieben. Wie eh und je nimmt das Sozialunternehmen pro Monat rund 20.000 gebrauchte Bücher an. Etwa 60 Prozent davon werden digital erfasst und online – und auch wieder in der Rathauspassage – verkauft (der Rest geht ins Up- oder Recycling).
Im mehr als 25 Meter langen Bücherregal steht auch eine Bibel von 1840
Die gebrauchten Bücher nehmen auch den größten Teil der mehr als 25 Meter langen Bücherwand in Anspruch, die laut Dobbertin die längste in Hamburg ist. Rezept- und Kinderbücher, Romane, Reiseführer, Sachbücher – hier wird jeder Bücherwurm fündig. Auch der, der etwas Ausgefallenes sucht: Hinter Glas lagern unter anderem eine Bibel von 1840, die Gesetzordnung der Stadt Hamburg von 1771 oder das großformatige, silbern eingebundene Buch „Hitchhiker‘s Guide to the Galaxy“.
Neben der Vitrine sind auch gepolsterte Lesenischen und große Schubladen für Schallplatten in die Bücherwand eingelassen – und eine Bühne. Diese bildet das vierte Standbein der neuen Rathauspassage. Ausgestattet mit sehr guter Bühnen- und Beleuchtungstechnik steht sie für Kinoabende und Lesungen, aber auch für Demokratiebildung und Leseförderung zur Verfügung.
Rathauspassage Hamburg: In der „Cafédrale“ gibt es 85 Plätze mit Alsterblick
Hingucker ist das Harmonium, das schon in der alten Rathauspassage stand, nur ein wenig versteckt. Dobbertin klappt den Deckel hoch und deutet auf ein Schild. „Dass es aus dem Geschäft in Liverpool stammt, in dem auch die Beatles ihre Instrumente kauften, ist erwiesen. Dass John Lennon darauf ,Let It Be‘ spielte, ist dagegen wohl nur eine Legende.“
Gegenüber der Bücherwand liegen die „Cafèdrale“, eine Gastronomie mit 85 Plätzen und langem Tresen, und der Ankerplatz, wo Getränke und Speisen zum Mitnehmen verkauft werden. „Im Café gibt es traditionelle Hamburger Snacks wie Franz- oder Fischbrötchen, aber auch Holsteiner Kartoffelsuppe oder, als kulinarische Anlehnung an den Pilgerweg, französische Quiche und spanische Bocadillos“, sagt Dobbertin. Auch alkoholische Getränke sind im Angebot.
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Rathauspassage: Hier direkt in der City werden 45 Langzeitarbeitslose beschäftigt
Der „Ankerplatz“ ist eine Ausgabestelle für Snacks und Getränke zum Mitnehmen. Sie liegt zum U- und S-Bahn-Zugang hin und ist das eigentliche Herzstück der Rathauspassage. Während diese erst um 10 Uhr öffnet, könnten sich dort alle, die schon früh arbeiten, ab 7 Uhr günstig einen Kaffee oder ein belegtes Brötchen holen. Auch die Tradition des „Kaffeeschiebens“ lebt hier wieder auf: Menschen können einen Kaffee zahlen für jemanden, der ihn sich gerade nicht leisten kann.
Denn trotz schicker Möbel und teurer Software für Kassensystem und Warenwirtschaft („Die Anbieter stammen alle aus Hamburg und sind uns sehr weit entgegengekommen“, so Dobbertin) ist und bleibt die Rathauspassage ein soziales Projekt. Unter den 70 Mitarbeitern sind 45 Langzeitarbeitslose, die hier fit gemacht werden – für ein selbstbestimmtes Leben ohne Transferleistung.