Hamburg. Ursprünglich sollte der Eröffnungstermin schon im Frühjahr sein. Nun werden neue „Empathieaktien“ ausgegeben.

Noch bedeckt Baustaub den Boden, Wandelemente stehen bereit, die Fenster zur Kleinen Alster und den Alsterarkaden vis à vis sind abgeklebt. Doch was hier entstehen soll, wird groß: Ein einzigartiger sozialer Ort im Herzen der Stadt auf 1000 Quadratmetern, mit Gastronomie und Bühne, einer Touristeninformation und Hamburgs längstem Bücherregal. Das ist die Vision der neuen Rathauspassage, die mit deutlich mehr Fläche und einem größeren Angebot eröffnen wird.

Diese Vision wird Wirklichkeit, das steht fest. Allerdings verzögert sich der Bau, wie bei so vielen Vorhaben derzeit, und das ganze Vorhaben wird teurer als geplant. „Wir leiden am Mangel an Fachkräften, die Baukosten steigen, bestelltes Material hängt auf dem Weg fest, Stahlmatten und Lüftungsanlagen sind derzeit schwer zu bekommen“, sagt Björn Dobbertin, Leiter der Rathauspassage, die 1998 auf Initiative von Stephan Reimers gegründet worden war. Hinzu kamen Nachjustierungen beim Brandschutz und Verzögerungen durch die Corona-Pandemie.

Rathauspassage: Neueröffnung für Frühsommer 2023 geplant

Die umgebauten und zur Alster hin stark erweiterten Räume hatten eigentlich schon 2021 eröffnet werden sollen, dann war vom Frühjahr und später vom November 2022 die Rede. „Wir planen die Neueröffnung derzeit für den Frühsommer 2023“, sagt Dobbertin.

Stephan Reimers, der als Theologe in den 1990er-Jahren das Diakonische Werk Hamburg leitete und das Straßenmagazin Hinz&Kunzt, die Hamburger Tafel und das Spendenparlament mit initiierte, bleibt die Rathauspassage ein Herzensanliegen. „Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass wir uns räumlich so stark erweitern könnten“, sagt er beim Rundgang mit Blick auf die großzügige Fläche, die sich mit zehn neu eingebauten Fenstern zur Kleinen Alster hin öffnet, venezianischen Arkaden gleich.

Rathauspassage: Gastronomie und Lesungen, Konzerte und Poetry Slam sind geplant

Hier soll die Gastronomie mit 85 Plätzen entstehen, draußen dürfen immerhin Stehtische hingestellt werden – auch das soll die Sichtbarkeit der neuen Rathauspassage erhöhen, deren Haupteingang künftig am Reesendamm liegen wird. Im Inneren ist Platz für Veranstaltungen mit bis zu 199 Personen – von Lesungen und kleinen Konzerten bis hin zu Podiumsdiskussionen, Poetry Slam und After Work Partys. Gespendete Bücher werden „für kleines Geld“ verkauft; seit der Gründung 1998 fanden so mehr als zwei Millionen Bücher neue Besitzer, wie Reimers stolz erzählt. Künftig sollen am Anleger vor der Rathauspassage auch Barkassentouren in die Speicherstadt starten. Und im Inneren gibt es einen Pilgerstempel, denn der Pilgerweg nach Santiago de Compostela führt über den Rathausmarkt.

Das Ganze ist ein Sozialprojekt im besten Sinne: Das Diakonische Wert betreibt unter dem Rathausmarkt am Zugang zur U-Bahn die Passage, in der Langzeitarbeitslosen und künftig auch mehr Menschen mit Behinderungen eine geregelte Beschäftigung finden.

Großzügig finanziell unterstützt wird der Umbau nicht nur von der Stadt, der der Grund gehört und die 2,4 Millionen Euro bereit gestellt hat, sondern auch von Spendern, die für jeweils 100 Euro eine sogenannte Empathie-Aktie kaufen konnten. Doch wegen der gestiegenen Baukosten wird nun mehr Geld benötigt, auch wenn die Bauunternehmen im Wissen, dass es sich um ein soziales Projekt handelt, versuchten, die Preise niedrig zu halten, wie es heißt.

Neue Rathauspassage: Spender gesucht

Ursprünglich hatten die Empathie-Aktien eine Summe von 1,2 Millionen Euro erbringen sollen, nun werden 1,4 Millionen Euro benötigt. 9606 von insgesamt 14.000 Aktien sind bereits verkauft. „Mehr als 4300 Empathie-Aktien stehen noch zur Verfügung, die wir an den Mann und die Frau bringen möchten“, sagt Susanne Winterberg, Geschäftsführerin der Muttergesellschaft passage gGmbH.

Stephan Reimers hofft, dass es noch Hamburgerinnen und Hamburger gibt, die den „sozialen Hafen“ im Herzen der Hansestadt unterstützen, Menschen aus der Arbeitslosigkeit holen und finanziell etwas beitragen möchten. Insgesamt konnten seit Gründung der Rathauspassage mehr als 400 Menschen wieder ins Arbeitsleben integriert werden. Das Projekt versteht sich als „Startrampe für ein selbstbestimmtes Leben“.

Derzeit wird in den 1000 Quadratmeter großen Räumen gebaut.
Derzeit wird in den 1000 Quadratmeter großen Räumen gebaut. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Rathauspassage: Reimers erläutert Spendern das Projekt auch persönlich

Größeren Spendern erläutert Stephan Reimers das Projekt und dessen Ziele auch einmal im persönlichen Gespräch. Wer neugierig geworden ist, kann aber auch am 12. November ab 10 Uhr in die Katharinen-Kirche kommen, wo Reimers mehr über die Geschichte des Projekts erzählt, das er einst aus der Taufe hob. Geplant sind dort auch ein Bücherverkauf, eine Auktion und Comedy-Aufführungen.

Notwendig war der Umbau der Rathauspassage durch einen Wasserschaden und in die Jahre gekommene Haustechnik geworden. Sie schloss im September 2019 für den Umbau – ursprünglich für ein gutes Jahr. Dann kam Corona. Reimers fühlt sich gegenwärtig an die Anfänge der Rathauspassage erinnert. Damals fehlten zur Finanzierung noch 200.000 Mark – aber die kamen am Ende doch zusammen.