Hamburg. Jeden Monat werden der Rathauspassage 10.000 Bücher gespendet. Viele lassen sich nicht verkaufen – weggeworfen werden sie aber nicht.

Taschenbücher, Gesamtausgaben, dicke Romane, Lexika und Noten – jeden Monat werden der Rathauspassage rund 10.000 Bücher gespendet. Nicht alle eignen sich für den Wiederverkauf, aus dem die gemeinnützige Institution einen Teil ihrer Einnahmen bestreitet. Etwa die Taschenbücher aus den 50er-Jahren, deren Seiten aus dünnem Papier mittlerweile brüchig sind. Die veralteten Atlanten, die niemandem mehr etwas nützen. Oder die vielbändigen Gesamtausgaben, in die keiner mehr reinschauen wird.

In einem Lagerraum im zweiten Stock eines Wilhelmsburger Gewerbehinterhofs hauchen Mitarbeiter der passage GmbH vielen dieser Bücher neues Leben ein. Aus den bunten Buchdeckeln alter rororo-Taschenbücher machen sie Postkarten, ihre leinenen Buchrücken werden zu Lesezeichen. Notenblätter falten sie zu Christbaumschmuck, aus alten Atlanten stellen sie Kofferanhänger her, Landkarten nutzen sie als Geschenkpapier.

Upcycling: Was sich aus alten Büchern alles basteln lässt

Und aus Büchern mit festem Einband stellen sie kleine Wandkonsolen her. „Wir versuchen, so viele Bücher wie möglich weiterzuverwenden“, sagt passage-Geschäftsführerin Gudrun Stefaniak. Etwa 80 Prozent der Spenden gingen in den Verkauf, der bis zur Fertigstellung der Rathauspassage nur online erfolgt, oder werde weitergegeben an die Seemannsmission Duckdalben oder an Schulen. Der Rest werde entsorgt – oder eben fürs Upcycling verwendet.

Mit einem kleinen Team sitzt sie heute zwischen unzähligen aufeinandergetürmten Bücherkartons (zumeist stabile und daher beliebte Bananenverpackungen), in denen Bücherspenden lagern, die bereits eine grobe Vorsortierung in einer benachbarten Lagerhalle hinter sich haben. In hohen Metallregalen hinter ihnen stehen übersichtlich sortiert rund 5000 Bücher, die bereits ins neue digitale Lagersystem eingepflegt wurden. Auf mehreren Arbeitstischen schließlich liegen Bücher und Noten, die auf die Weiterverarbeitung warten. Gudrun Stefaniak weist auf einen Stapel Taschenbücher mit rororo-Logo. „Diese Rowohlt-Rotations-Romane wurden in der Zeit der Mangelwirtschaft produziert und waren dazu gedacht, weitergegeben zu werden. Durch uns bleiben sie in der Rotation, obwohl wir sie wegen der schlechten Papierqualität nicht mehr verkaufen können.“

Neues aus alten Büchern basteln

Während Buchhändlerin Anja Danielzik, die sonst für den Onlinehandel zuständig ist, gerade ein kegelförmiges Drahtgestell mit Notenblätter-Streifen und kleinen Anhängern aus Buchseiten beklebt, haben sich Monika Prien und Host Kleemann zwei in sattem Türkis eingebundene Bänder einer Schiller-Gesamtausgabe von 1965 vorgenommen, um aus ihnen Wandkonsolen zu basteln. Die meiste Arbeit nimmt dabei das Falten der Buchseiten ein. „Das muss sehr sorgfältig gemacht werden“, sagt der ehemalige Filialleiter Kleemann, der gerade bei Seite 319 angelangt ist. Vorsichtig nimmt er die Ecke rechts unten und biegt die Seite Richtung Buchfalz, bis ihre untere Kante bündig mit diesem abschließt, streicht kräftig über den entstandenen Knick und wendet sich Seite 320 zu.

Monika Prien hat bereits alle Seiten ihres Buches gefaltet und am Buchrücken eine kleine Metallhalterung angebracht, mit der die Konsole später aufgehängt wird. Die frühere Altenpflegerin nimmt sich eine der vorgeschnittenen, halbrunden Acrylglasscheiben, pult die Schutzfolie ab und bestreicht sie mit Kleber. Dann setzt sie das Ganze vorsichtig auf ihr aufgefaltetes Buch und lehnt die liegende Konsole zum Trocknen an einen Bücherstapel.

In der Rathauspassage können Upcycling-Produkte gekauft werden

Horst Kleemann und Monika Prien, die beide länger arbeitslos waren, gehören zu den 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der passage GmbH, die eine öffentlich geförderte Festanstellung haben (insgesamt sind es 150). Die beiden 65-Jährigen sind froh, bis zu ihrer Rente „noch etwas Sinnvolles tun zu können“, wie Kleemann sagt. Die beiden sind unter anderem im Charity-Shop unter dem Rathausmarkt tätig, der auch während des Umbaus der Rathauspassage geöffnet hat.

Hier können auch die Upcycling-Produkte gekauft werden. Die kleinen Wandkonsolen kosten 23 Euro, ein Set mit Schlüsselanhänger und Postkarten aus rororo-Taschenbüchern 5,50 Euro. Und wer gerne selber basteln möchte, kann eine Box mit zahlreichen Anregungen für weihnachtliche Do-it-yourself-Ideen für 4,99 Euro erwerben.