Hamburg. Besondere Geste für weltberühmten Modeschöpfer. Weggefährten vermissen den prominenten Hamburger bis heute. Wie sie sich erinnern.
Auch Genies sind nicht unsterblich. So zog der Tod den großen Karl Lagerfeld, Weltbürger und Hamburger, Modezar und (eigene) Marke, vor genau fünf Jahren, am 19. Februar 2019, plötzlich vom Laufsteg des Lebens.
85 Jahre alt (um sein Geburtsjahr ließ er selbst mit innerer Freude lange „buchhalterische Unstimmigkeiten“ ranken), ging Karl Lagerfeld an jenem schwarzen Dienstag für immer. Unerwartet, denn bis zu zwei Tage vor seinem Ableben hatte der Designer in seiner Wahlheimat Paris noch gezeichnet und konzipiert.
Karl Lagerfeld: Angst vor dem Tod hat der große Modezar aus Hamburg nicht gehabt
Und doch war alles mit der ihm eigenen preußischen Disziplin vorbereitet – man stirbt, wie man gelebt hat: Die Entwürfe der Fendi-Herbstkollektion waren vollendet, die Chanel-Prêt-à-porter-Kreationen für den kommenden Winter auch.
Angst vor dem Tod hatte Karl Lagerfeld selbst ohnehin nie: „Es ist für mich ganz simpel“, sagte er dem „Spiegel“ im Mai 2015, „Mein Leben fängt mit mir an, hört mit mir auf.“ Und in jeder Silbe schwang er mit, dieser nackte Narzissmus („Ich interessiere mich nur für mich selbst und mein Spiegelbild“, 2008), den der Modeschöpfer kultivierte. Er war schon zu Lebzeiten eine Ikone (weißes Haar, zum Zopf gebunden, Sonnenbrille und früher Fächer), lange bevor man in überteuerten Seminaren lernen konnte, sich selbst zur Marke zu machen.
Mode: Die Welt trauert bis heute um Karl Lagerfeld, einen Botschafter Hamburgs
Der Verlust ist stets am schwierigsten für jene, die bleiben. So trauerte vor fünf Jahren die ganze Welt, mindestens jedoch die Modewelt, und tut es bis heute. „Wenn die Schauen in Paris nahen“, sagt Lagerfelds enge Hamburger Vertraute, Marietta Andreae, „dann vermisse ich ihn besonders.“ Denn früher habe sie oft das Privileg gehabt, in Lagerfelds Chanel-Studio bei den finalen Anproben der Models dabei sein zu dürfen.
In ihrem Buch „Mein Geheimrat Lagerfeld“ (275 Seiten, 38 Euro), das die Eppendorfer PR-Unternehmerin, die den Modeschöpfer rund ein Vierteljahrhundert beruflich und privat begleitete, im vergangenen Jahr veröffentlichte, bringt Marietta Andreae den oft so distanziert wirkenden Designer der Welt ein bisschen näher.
Hamburger Chanel-Expertin verrät in ihrem Buch Geheimnisse über Karl Lagerfeld
Sie verrät, warum er nie ohne Toaster verreiste („weil kein Spitzenhotel es hinbekam, ihm morgens einen richtig heißen Toast aufs Zimmer zu bringen“), er stets Sonnenbrille trug („er wollte, dass niemand seinen traurigen Dackelblick sah“) und dass er für ein Chanel-Fotoshooting 1986 die legendäre Prostituierte Domenica in der Herbertstraße aufsuchte („Er war positiv neugierig!“).
Dass die Stadt Hamburg einen ihrer berühmtesten Söhne bald mit einer nach ihm benannten Straße ehren wird, findet Marietta Andreae „einfach wunderbar“, wie sie dem Hamburger Abendblatt sagt: „Schon vom ersten Moment an war ich der Meinung, und ich schreibe das auch in meinem Buch, dass Karl Lagerfeld in seiner Geburtsstadt eine besondere Würdigung verdient.“
Karl Lagerfeld: Auch mit dem Bundesverdienstkreuz war der Hanseat ausgezeichnet
Und diese Würdigung bekommt der Modeschöpfer mit Bundesverdienstkreuz, der einer der bekanntesten Botschafter Hamburgs in der Welt war, schon in wenigen Wochen: Im April wird in der Innenstadt am Alsterfleet, zwischen Adolphsbrücke und Neuem Wall 75, ein 155 Meter langer Abschnitt in „Karl-Lagerfeld-Promenade“ umbenannt.
„Karl Lagerfeld hat sein Leben als Weltbürger geführt, aber stets die Verbindung zur Stadt seiner Kindheit aufrechterhalten“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kurz nach Lagerfelds Tod im Februar 2019. Das ist so richtig wie nüchtern formuliert und klang beim Modeexzentriker selbst so: „Die Stadt gehört zu meinem persönlichen Background; Hamburg ist wie eine Tapete in meinem Gehirn“, sagte Lagerfeld dem Abendblatt am Rande seiner spektakulären Chanel-Modenschau 2017 in der Elbphilharmonie.
Hamburg: Im April wird eine Promenade in der City nach Karl Lagerfeld benannt
Dass nun ausgerechnet am Alsterfleet diese Promenade entsteht, ist natürlich kein Zufall: In der nahe gelegenen Buchhandlung Felix Jud, die Lagerfeld selbst liebevoll sein „intellektuelles Delikatessengeschäft“ nannte, war der Hanseat Stammkunde. Einmal soll der Hochkreative, der seine Inspiration aus Büchern zog (300.000 Exemplare hat er hinterlassen!), von einem Schaufenster so begeistert gewesen sein, dass er rief: „Ich kaufe alles!“
„Karl Lagerfeld kam zum ersten Mal zu Felix Jud, als er seine Villa in Blankenese sanierte“, sagt Robert Eberhardt, seit 2021 Inhaber und Geschäftsführer der Traditionsbuchhandlung, der sich gemeinsam mit Abendblatt-Marketingchefin Vivian Hecker für die Promenade starkgemacht hatte. „Danach kam Lagerfeld immer wieder vorbei, anfangs als Überraschungsgast und später mit Anmeldung.“ Oft sei dann eine Cola Zero serviert worden.
Karl Lagerfeld blieb der Buchhandlung Felix Jud stets als Stammkunde treu
Lagerfeld gründete später selbst eine Buchhandlung in Paris, blieb aber bis zum Tod Felix Jud treu. So bestellte er beim früheren Geschäftsinhaber Wilfried Weber oft historische Plakate oder Bücher zu einem bestimmten Thema für die Vorbereitung seiner gigantischen Chanel-Shows.
„Meine Vorgängerin, Marina Krauth, flog für ihn auch zu einer Auktion nach New York“, sagt Robert Eberhardt. „Lagerfeld kommunizierte immer mit Fax. Wir haben noch viele Kisten dieser Faxe in unserem Archiv. Und wir haben bis heute seine Bücher im Angebot, auch einige Plakate und Möbel und sogar Handschuhe.“
Mode Hamburg: Bei Bad Bramdstedt verbrachte Lagerfeld Jahre seiner Kindheit
Karl Lagerfeld sei ein „Weltstar“ gewesen, schwärmt Robert Eberhardt, „ein Freigeist und einer der kultiviertesten Persönlichkeiten der vergangenen Jahrzehnte“.
Das war nicht von Beginn an abzusehen: Lagerfeld wurde (wie mittlerweile amtlich bestätigt ist) am 10. September 1933 als Sohn des Kondensmilch-Fabrikanten (Glücksklee) Otto Lagerfeld und dessen Ehefrau Elisabeth in Hamburg geboren – als Karl Otto Lagerfeld. 1934 erwarben seine Eltern das Gut Bissenmoor bei Bad Bramstedt und zogen dorthin. Rückblickend ein prägender Ort, denn auf dem Dachboden soll Lagerfeld eine US-Ausgabe der Modezeitschrift „Vogue“ gefunden haben.
Hotel Atlantic: Hier sah Lagerfeld eine seiner ersten Modenschauen
Wenige Jahre später kehrte die Familie in die Hansestadt zurück, der junge Karl besuchte die Bismarckschule. In diesen Jahren soll er auch seine ersten Modenschauen, im Hotel Esplanade am Dammtor und im Hotel Atlantic, gesehen haben. 1953 dann die Zäsur: Karl Lagerfeld zog mit seiner Mutter nach Paris. „Sie sagte damals: Karl, du musst hier raus“, erinnerte sich Lagerfeld an den Umzug als 19-Jähriger. „Was hätte ich auch in Hamburg tun sollen? Ein Hotel führen? Entsetzlich, das wäre ein Puff geworden!“
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1954 nahm er mit einem selbst entworfenen Wollmantel an einem internationalen Designwettbewerb teil. Mit dem ersten Platz öffnete sich Lagerfeld die Tür zur Pariser Modewelt. Der renommierte Pierre Balmain stellte den jungen Designer als Assistenten ein. Es folgten Stationen bei berühmten Modehäusern wie Jean Patou, Krizia, Fendi und Chloé, wo er Modegeschichte schrieb.
Supermodel: Karl Lagerfeld entdeckte das deutsche Supermodel Claudia Schiffer
1983 übernahm Karl Lagerfeld, der später das deutsche Supermodel Claudia Schiffer entdecken und zu seiner Muse machen sollte, die Leitung des traditionsreichen Modehauses Chanel.
Sein Privatleben hielt der Katzenliebhaber und Jogginghosen-Verächter („wer die trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren“) tatsächlich privat. Schließlich, so erzählte er einmal, habe ihn einst eine Wahrsagerin dringend vor einer Ehe gewarnt.
Karl Lagerfeld: Daniel Brühl schlüpft für TV-Serie in die Rolle von „Kaiser Karl“
Vielleicht wird noch das ein oder andere Geheimnis in der von Modefans sehnsüchtig erwarteten Streaming-Serie „Kaiser Karl“ auf Disney+ gelüftet, in der Schauspieler Daniel Brühl den weltberühmten Hanseaten verkörpert. Ab wann genau die sechs Teile abrufbar sein werden, steht jedoch noch nicht fest.
Die um 16 Seiten erweiterte Neuauflage der seit langer Zeit vergriffenen Hamburger Abendblatt Collector‘s Edition „Karl Lagerfeld“ ist ab Ende April für 10 Euro/Treue-Preis 8 Euro in unserer Geschäftsstelle am Großen Burstah 18-32 erhältlich. Vorbestellungen sind ab sofort möglich unter shop.abendblatt.de.