Hamburg. Marietta Andreae war eine enge Vertraute. In ihrem Werk erfahren Leser auch, was der Designer besonders an Hamburg liebte.
Die Terrasse der Villa Jako oberhalb der Elbe in Blankenese war der Ort, an dem Marietta Andreae und Karl Lagerfeld ihre Beziehung im Sommer 1995 vertieften – natürlich rein platonisch. Vier Jahre zuvor hatte der Modeschöpfer, Designer und Fotograf, der 1933 in Hamburg geboren wurde, das herrschaftliche Gebäude gekauft und liebevoll restaurieren lassen.
Buch über Karl Lagerfeld: Villa Jako war sein Hamburger Domizil
Bei vielen Baubesprechungen wurde Lagerfeld, der seinen Hauptwohnsitz im Palais „Pozzo di Borgo“ an der Rue de l’Université in Paris hatte, von seiner Vertrauten Andreae begleitet, die nun ein Buch über Lagerfeld geschrieben hat.
Die PR-Expertin erinnert sich an das Jahr 1995: „Am 9. August schickte mir Karl ein Fax, dass er am Vortag noch einen kleinen Lastwagen mit Gepäck, Büchern und Möbeln losgeschickt hatte und sich selbst gegen Mittag mit seinem Chauffeur von Paris aus auf den Weg nach Hamburg machen werde.“
Karl Lagerfeld: Freundin aus Hamburg berichtet über gemeinsame Zeit
Gegen 21 Uhr klingelte bei Andreae das Telefon, und 30 Minuten später trafen sich die beiden in der Villa Jako, die an der kleinen Straße Wilmans Park 17 liegt und heute dem Musikunternehmer Michael Haentjes gehört, der diese seit Langem zum Kauf anbietet. „Sechs Wochen lang blieb Karl in der Stadt. Wir haben wunderbare Gespräche auf der Terrasse geführt oder sind durch den Rosengarten auf dem weitläufigen Grundstück spaziert. Wir haben uns fast jeden Tag gesehen und sind auch zusammen in die Innenstadt gefahren, um Accessoires für sein Hamburger Wohnhaus zu kaufen.“
Das Abendblatt trifft Andreae in der Hanse Lounge in den Alsterarkaden. Auf dem Glastisch liegt ihr Werk. Auf dem Cover ist ein von Starfotograf Helmut Newton aufgenommenes Foto zu sehen, das Karl Lagerfeld vor seinem Pariser Palais zeigt. Es trägt die Widmung „Für Marietta. Ihr Geheimrat Lagerfeld.“ Als Titel hat die Autorin passenderweise „Mein Geheimrat Lagerfeld“ gewählt. Auf mehr als 270 Seiten finden die Leser Anekdoten, Fotos und Zeichnungen aus dem reichen Fundus von Marietta Andreae.
Marietta Andreae und Karl Lagerfeld trafen sich zum ersten Mal in Paris
Vor 40 Jahren waren sich die beiden in Paris begegnet. Dort hatte der legendäre Modepapst seine erste große Haute-Couture-Show als Kreativdirektor für Chanel präsentiert. Marietta Andreae war gerade zur PR-Direktorin des Modehauses für Deutschland und Österreich ernannt worden. „Bei unserem Treffen hat er mich sofort gefragt, ob ich Deutsche sei.“
Die beiden parlierten in ihrer Muttersprache, und aus dieser Begegnung sollte sich eine 25-jährige „intensive berufliche Zusammenarbeit und Freundschaft“ entwickeln. Bis zum Schluss blieben die beiden beim „Sie“.
Karl Lagerfeld wäre im September 90 Jahre alt geworden
Seit 1976 ist die gebürtige Münchnerin in Hamburg, lebt in Eppendorf. Bis 2000 hat Andreae für Chanel gearbeitet, sich danach mit ihrer eigenen PR-Agentur selbstständig gemacht und ist ein fester Bestandteil der Hamburger Gesellschaft.
Am 10. September würde Karl Lagerfeld, der im Februar 2019 verstorben ist, seinen 90. Geburtstag feiern. War das der Grund, dass Marietta Andreae nun dieses Buch herausbringt? „Ich habe all die Bücher, die über ihn erschienen sind, gelesen. Aber ich hatte immer das Gefühl, da ging es nur darum, den öffentlichen Karl Lagerfeld zu beschreiben. Und das gibt ein verzerrtes Bild ab. Ich war ihm sehr verbunden, und deshalb wollte ich beschreiben, wie Karl Lagerfeld wirklich war.“
Nämlich? „Liebevoll, tolerant, großzügig und positiv neugierig.“
Karl Lagerfeld: Der Weltbürger hat sich in Hamburg wohlgefühlt
Und sein Verhältnis zu seiner Heimatstadt beschreibt sie so. „Karl hat sich hier immer sehr wohlgefühlt. Er war begeistert, wie höflich die Hamburger ihm, dem Weltbürger, begegneten, und hat hier auch nie einen Bodyguard gebraucht, weil man ihn nicht groß behelligte.“
In den 1980er-Jahren hatte Karl Lagerfeld seine Liebe zur Fotografie entdeckt und seine erste Ausstellung organisierte Marietta Andreae für ihn in Hamburg. Das war 1989 im Hotel Intercontinental an der Außenalster.
Auch zur Eröffnung der Chanel Boutique 1992 an der ABC-Straße erschien Karl Lagerfeld persönlich. Bevor die Villa Jako zu seinem Domizil in der Hansestadt wurde, nächtigte der Modeschöpfer im Vier Jahreszeiten. „Das Vier Jahreszeiten war sein Lieblingshotel, hier haben wir auch häufig miteinander gespeist.“
Eine Woche lang verbrachten die beiden außerdem gemeinsam auf Sylt. Das war 1995. Anlass war, dass Karl Lagerfeld dort den Chanel-Katalog fotografierte. Sein Model: Claudia Schiffer. Damals kam es zu einem Zwischenfall, von dem Andreae mit einem Schmunzeln berichtet.
„Wir waren auf dem Weg zur Sansibar in Rantum, und Karl entdeckte ein Stück Heideland. Dort wollte er das erste Foto mit Claudia machen.“ Doch gerade als das Topmodel die Fläche betreten hatte, kam die Polizei und machte „Karl darauf aufmerksam, dass das Betreten verboten sei, und drückte ihm einen Strafzettel in die Hand“.
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Auf Sylt fotografierte Karl Lagerfeld Topmodel Claudia Schiffer für Chanel
Den beglich Andreae gemeinsam mit Lagerfelds Chauffeur am nächsten Tag auf der örtlichen Polizeiwache. „Natürlich verbreitete sich das wie ein Lauffeuer in der örtlichen Presse.“
Fortan fotografierte Lagerfeld nur noch auf dem Areal von Herbert Secklers Sansibar. „Wir hatten dort eine tolle Zeit. Die Stimmung war gelöst. Karl war ein wunderbarer Chef, und ich habe mit ihm immer auf Augenhöhe zusammengearbeitet. Und das Schönste war, er konnte über sich selbst lachen. Das verbindet uns beide.“
Buch über Karl Lagerfeld: Freundin feierte in seiner Hamburger Villa
Die beiden waren häufig zusammen auf Reisen. Nächtigten unter einem Dach anlässlich der Salzburger Festspiele oder besuchten zusammen Preisverleihungen in München oder Stuttgart. In seinem Pariser Palais war Andreae Hausgast. „Karl war ein großartiger und liebevoller Gastgeber.“
Im Jahr 1997 durfte Andreae seine Villa Jako für einen Empfang anlässlich ihres Geburtstages nutzen, und der große Meister gestaltete persönlich die Einladungskarten. Die beiden kommunizierten übrigens bevorzugt per Fax, die Korrespondenz füllt 14 Ordner.
In der Elbphilharmonie präsentierte Karl Lagerfeld 2017 eine Modenschau
Das Gespräch mit dem Abendblatt neigt sich dem Ende. Wann war das letzte Treffen der beiden? „Das war nach Karls exklusiver Modenschau für Chanel 2017 in der Elbphilharmonie. Auf der After-Show-Party in der Fischauktionshalle sind wir uns um den Hals gefallen, und es war so, als wenn wir uns gestern zuletzt gesehen hätten.“
Dabei war das letzte Treffen bestimmt „sieben Jahre her gewesen. Zu Weihnachten hatte mir Karl damals noch einen dieser üppigen Blumenkörbe geschickt.“ Danach meldete sich Karl Lagerfeld nicht mehr bei ihr. Marietta Andreae lächelt. „Was mir geblieben ist, sind 25 wunderbare Jahre mit unvergesslichen Treffen.“
Karl Lagerfeld: Signierstunde mit Freundin Marietta Andreae
Hamburger Abendblatt-Leser können sich am 24. Mai bis 14 Uhr unter treueprogramm-abendblatt@funkemedien.de zur exklusiven Signierstunde am 24. Mai von 17 bis 18 Uhr in der Buchhandlung Felix Jud anmelden.