Hamburg. Der Verein Act-Aware engagiert sich gegen Übergriffe bei Veranstaltungen. Warum das Wetter dabei eine große Rolle spielt.
Es ist wieder so weit: An diesem Wochenende werden Dutzende Hamburger und Hamburgerinnen nach Wilhelmsburg pilgern, um in großem Rahmen das Dockville Festival zu zelebrieren. Auch Teresa Hähn wird ab Donnerstag vor Ort sein – allerdings nicht um zu feiern, sondern um zu arbeiten.
Die 29-Jährige ist Mitgründerin des gemeinnützigen Vereins Act-Aware (übersetzt bedeutet der Name „bewusst handeln“). Zusammen mit ihrem Team, das mittlerweile aus über 70 Menschen besteht, engagiert sich die Wilhelmsburgerin für mehr Awareness auf Veranstaltungen.
Dockville: Hamburger Verein will für Awareness sorgen
Doch was bedeutet Awareness eigentlich? „Awareness bezeichnet das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für Situationen, in denen die Grenzen anderer überschritten werden oder wurden. Alle Formen von Diskriminierung und (sexualisierter) Gewalt können dabei eine Rolle spielen, es geht aber auch um Sensibilität für das Wohlbefinden einer Person“, wird der Begriff auf der Website des Vereins erklärt.
Dass Situationen auf Menschen dabei ganz unterschiedlich wirken können, hat die 29-Jährige schon oft erlebt. „Grenzen sind individuell“, betont Hähn und erklärt, dass diese auch immer mit Erlebnissen aus der Vergangenheit zusammenhängen können.
Generell fange eine Grenzüberschreitung aber immer genau da an, wo ein „Nein“ nicht akzeptiert wird, so die Gründerin. Es gebe zum Beispiel oft Situationen, in denen trotz klarer Ablehnung immer weiter nach der Handynummer gefragt oder ein Getränk aufgedrängt werde.
Verein engagiert sich auch gegen rassistische Übergriffe auf Veranstaltungen
„Es kann aber auch so etwas wie auffälliges Hinterherstarren oder Greifen sein“, erklärt Hähn. Doch auch das Engagement gegen rassistische Übergriffe oder andere Formen der Diskriminierung ist Teil der Vereinsarbeit.
- Bedrängt und belästigt - Was Frauen auf dem Kiez erleben
- Sexuelle Belästigung im Schwimmbad - Zehn Fälle in 2023
- Arlo Parks - Ausnahme-Sängerin beim Dockville Festival
Passiert so etwas, können Betroffene auf dem diesjährigen Dockville Festival nach pinken Westen Ausschau halten. Das ist das Erkennungszeichen des Teams von Act-Aware, das mit 14 Personen als Ansprechpartner vor Ort ist.
„Bei uns steht die betroffene Person im Mittelpunkt und das, was sie jetzt gerade braucht. Wir fragen nicht, was passiert ist, sondern schaffen Angebote“, sagt die Wilhelmsburgerin und unterscheidet dabei ganz klar ihre Aufgaben von denen des Security-Personals oder der Polizei.
„Durch Alkohol sinken die Hemmschwellen, die Leute werden übermütiger“
Generell sei es vor Beginn einer Veranstaltung zwar total unabsehbar, wie viel für das Act-Aware-Team zu tun ist, einen Indikator gibt es nach Ansicht von Hähn dann aber doch: „Wenn es sehr heiß ist, dann sind die Leute manchmal einfach ein bisschen drüber – und der Alkohol wirkt anders.“
Aus Erfahrung wisse sie: Je mehr Leute betrunken sind und je höher der „Substanzkonsum“ ist, desto mehr Vorfälle gibt es. „Durch Alkohol sinken die Hemmschwellen, die Leute werden übermütiger“, sagt die 29-Jährige und appelliert: „Wir müssen wegkommen von dieser Saufkultur.“ Jeder müsse sich darüber bewusst werden, dass der Konsum von Alkohol Auswirkungen auf das eigene Verhalten hat. Auch in diesem Zusammenhang betont die Vereinsgründerin, dass das Team von Act-Aware „keine Partypolizei“ sei.
Verein Act-Aware berät bei Erstellung von Awareness-Konzepten
Bei seiner Arbeit setzt der Verein nicht nur auf Präsenz, sondern auch auf Prävention. „Schon im Vorhinein beraten wir die Veranstaltenden bei der Erstellung von Awareness-Konzepten“, erklärt Teresa Hähn.
Dazu gehöre zum Beispiel, sich mit Machtstrukturen innerhalb eines Veranstaltungsunternehmens auseinanderzusetzen und auch Mitarbeitende im Hinblick auf Übergriffe zu sensibilisieren. Für diese Arbeit erhielt der Verein bereits kurze Zeit nach Gründung eine Förderung von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
Hamburger Gründerin von Act-Aware hat Tipp für Umgang miteinander
Für alle Feierwütigen hat die Wilhelmsburgerin zum Thema „Grenzen einhalten“ noch einen Tipp: „Nur ,ja’ heißt ,ja’. Bei allem nach Zustimmung zu fragen, zum Beispiel vor einer Berührung oder einem Kuss, kann eine sehr schöne Erfahrung sein“, sagt Hähn.
Auch auf dem Reeperbahn Festival vom 20. bis 23. September wird die 29-Jährige mit ihrem Team vor Ort sein. Ob das Erkennungszeichen dann wieder eine pinke Weste ist, steht aber noch nicht fest.