Hamburg. Zwischen 1968 und 1971 fotografierte ein Mitarbeiter der Landesbildstelle die Stadt. Joachim Paschen wirft einen Blick zurück.

Matthias Iken

Wie sahen die Sechziger- und Siebzigerjahre in Hamburg eigentlich früher aus? Was seltsam klingen mag, ist eine berechtigte Frage: Denn Bilder und Bauwerke dieser Zeit sind nicht in Würde gealtert, sondern oft hässlich geworden, sie stehen für einen anderen Geist und einen überkommenen Geschmack. Dabei lohnt der zweite Blick.

Es ist Joachim Paschen, dem langjährigen Direktor der staatlichen Landesbildstelle, zu verdanken, dass es nun einen neuen Band mit Luftbildern aus der Zeit von 1968 bis 1971 gibt. Damals hatte sich Herbert Eisenhauer, der Fotograf der Landesbildstelle, in einen Polizeihubschrauber gesetzt und das Wachsen und Werden der Hansestadt dokumentiert. Aus 250 Farb- und 1000 Schwarz-Weiß-Bildern wählte Paschen aus. Für das Buch wurden die zum Teil unveröffentlichten Bilder nachbearbeitet.

Hamburg vor 50 Jahren: Aufbruch zur Zwei-Millionen-Stadt

Es zeigt den Aufbruch einer Stadt im Wiederaufbau nach den Zerstörungen im Bombenkrieg: Hamburg stand an der Schwelle zur Zwei-Millionen-Stadt: Eisenhauer flog entlang von Alster und Elbe, porträtierte die Innenstadt und den Hafen, aber auch die großen Neubauvorhaben.

Schon die Farben sind andere – die noch jungen Farbaufnahmen haben einen Gelbstich, doch auch Hamburgs Häuser tragen ein anderes Gewand: Der Sandstein des Rathauses oder des Alten Walls sind gräulich-schwarz verfärbt, die Kupferdächer hingegen tragen eine tiefgrüne Patina, manche Neubauten strahlen heller als heute, die Altbauten hingegen haben sich durch die Umweltverschmutzung dunkler verfärbt. Und auf dem Rathausmarkt parken die Autos. Es waren die Zeiten der autogerechten Stadt.

Der Fischmarkt auf St. Pauli sah vor einem guten halben Jahrhundert  komplett anders aus. Große Teile lagen brach
Der Fischmarkt auf St. Pauli sah vor einem guten halben Jahrhundert komplett anders aus. Große Teile lagen brach © Joachim Paschen/ Medien-Verlag Schubert, MVS | Joachim Paschen/ Medien-Verlag Schubert, MVS

Und noch etwas zeigen die Luftaufnahmen: Die Stadt ist weniger grün als heute – gerade Straßenbäume fehlen – und ist noch immer vom Krieg und dem Durchbruch der Ost-West-Straße gezeichnet. Auch Eins-a-Lagen sind noch unbebaut.

Manche Stadtteile haben sich radikal verändert

Besonders faszinierend sind die Bilder aus den Stadtteilen – entweder muss man zweimal hinschauen oder sich auf die Bildbeschreibung stützen: Der Fischmarkt beispielsweise ist eine gigantische Brache, viele Altbauten auf St. Pauli dämmern ihrem Abriss entgegen, der erst später in letzter Sekunde verhindert werden konnte. Und vor dem Dammtor fragt man sich, was fehlt. Es ist das Hotelhochhaus. Das Luftbild vom Feenteich zeigt, welche architektonische Preziose in den vergangenen Jahrzehnten hat weichen müssen. Paschens Lieblingsfoto zeigt den Hafen: „Überrascht hat mich, wie er vor der Container-Zeit aussah.“

Das neue Buch von Joachim Paschen hat 128 Seiten und kostet 34,90 Euro.
Das neue Buch von Joachim Paschen hat 128 Seiten und kostet 34,90 Euro. © Joachim Paschen/ Medien-Verlag Schubert, MVS | Joachim Paschen/ Medien-Verlag Schubert, MVS

Geradezu verstörend wirkt das Bild von Neu-Altona als Musterwohngebiet. Paschen schreibt: „Ende der 1960er-Jahre war weniger als die Hälfte der Planung umgesetzt: Die Stadtplaner schreckten vor den Folgen ihrer verwirklichten Utopie zurück.“ Trotzdem wachsen in dieser Zeit die sozialen Brennpunkte von morgen – etwa der Osdorfer Born oder die Großsiedlung auf der Horner Geest.

Hamburg vor 50 Jahren: City Nord wirkte damals avantgardistisch

Die City Nord hingegen wirkt geradezu avantgardistisch: Das HEW-Gebäude im Bau, die neue BP-Zentrale in der Form des Kohlenwasserstoffmoleküls Benzol. Der Strukturwandel binnen fünf Jahrzehnten ist überdeutlich: Die großen Werften sind überwiegend verschwunden, der Flugzeugbau auf Finkenwerder expandiert. Und in dieser Zeit entstanden die großen Einkaufszentren wie das EEZ, das Alstertal-Einkaufszentrum (gebaut in acht Monaten!) oder die Hamburger Straße.

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Der aktuelle Bildband ist bereits der vierte, der im Medien-Verlag Schubert erschienen ist. Nach „Unser schönes Hamburg in Luftaufnahmen von 1930“, „Hamburg in Luftaufnahmen von 1930, Bd. II“ und „Hamburgs Wiederaufbau“ hat Autor Joachim Paschen seinen vierten Band vorgelegt. Ob es einen fünften gibt, kann Paschen nicht sagen: „Das steht noch in den Sternen.“ Oder es liegt in den Archiven.

Joachim Paschen: Hamburg im neuen Glanz in Luftaufnahmen von 19681971, Medien-Verlag Schubert, 128 Seiten, 34,90 Euro