Hamburg. Das HEW-Bürohaus galt als Meisterwerk des dänischen Architekten Arne Jacobsen. Nun baut es ein Hamburger Investor um. Die Pläne.
In diesem Gebäude steckt nicht nur der Teufel im Detail – im Fernsehklassiker „Timm Thaler“ arbeitete er sogar dort. Das HEW-Gebäude in Hamburgs City Nord, entworfen vom dänischen Stardesigner Arne Jacobsen, zählt zu den Architektur-Ikonen der Stadt. Und nun wird es sich verändern. Die Baugenehmigung für den Umbau ist erteilt, verrät Martin Schaer vom Immobilienentwickler Matrix. Das Hamburger Unternehmen will die vier Hochhausscheiben fit für das 21. Jahrhundert machen.
Matrix hat Einkaufszentren, Warenhäuser und Büros für insgesamt 1,5 Mrd. Euro entwickelt sowie revitalisiert und sieht sich als ein Experte für das „Bauen im Bestand“. Diese Zauberformel verspricht, alles unter einen Hut zu bringen: Klimabewusstes Bauen, Nachhaltigkeit und Kostenersparnis. Matrix hat Jacobsens Spätwerk vor vier Jahren erworben: „Die große Herausforderung war und ist der Denkmalschutz“, erzählt Schaer. Denn nicht einmal den Experten war zunächst klar, was an dem Gebäude original oder zwischenzeitlich erneuert worden ist. „Wir haben jeden Quadratmillimeter sehr intensiv analysiert. Das hat drei Jahre gedauert.“ Ausdrücklich lobt er die „tolle Zusammenarbeit“ mit den Denkmalschützern.
„Arne Jacobsen hat das Gebäude sehr schlau geplant“
Dass diese nicht immer einfach war, liegt in der Natur der Sache: Intensive Debatte gab es über die Fassade des 153 Meter langen und 44 Meter hohen Gebäudes. „Sie ist unglaublich schön, und wir werden sie genauso wiederherstellen. Aber technisch ist die Fassade langfristig leider nicht zu halten.“ Eine der zentralen Fragen lautet, wie ein Gebäude aus dem Jahr 1969 energetisch den höchsten Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht werden kann.
Die zweite Herausforderung war, das Gebäude – das ab 1969 den HEW, später Vattenfall eine Heimat gab – künftig unterschiedlichen Mietern zur Verfügung zu stellen, schließlich ist die Zeit der großen Konzernzentralen vorbei. „Arne Jacobsen hat das Gebäude sehr schlau geplant. Man kann nicht nur die einzelnen Ebenen unabhängig voneinander vermieten, sondern auch die ungefähr zweieinhalbtausend Quadratmeter pro Etage aufteilen“, sagt der 53-Jährige. Wenn ein Mieter sich im Laufe der Zeit verändern möchte, können die Räume mitatmen. „So schaffen wir moderne Arbeitswelten.“
City Nord: Revitalisierung soll 8000 Tonnen CO2 einsparen
Zugleich geht es um Klimaschutz: „Wir erhalten die gesamte Konstruktion inklusive der Gründung und des Untergeschosses. Das spart im Vergleich zum Neubau alleine fast 8000 Tonnen CO2 – das entspricht dem gesamten Jahresverbrauch von 650 Vier-Personen-Haushalten“, sagt der Vater zweier Kinder. Der Abbruch des Rohbaus hingegen hätte einen massiven Energieeinsatz verlangt und die CO2-Emission verdoppelt.
In die Klimabilanz fließt zudem die energetische Sanierung ein. „Nach der Fertigstellung soll das Gebäude 44 Prozent weniger Energie verbrauchen. Eine solche CO2-Bilanz funktioniert nicht mit einem Neubau.“ Und billiger kann es auch sein, betont der Spross einer Architektenfamilie: Der Rohbau macht ungefähr ein Drittel der Gesamtkosten aus, in ihm steckt der größte Anteil an Stahl und Beton. Je mehr erhalten wird, desto niedriger sind die Baukosten. Die Rohstoffe gelten als einer der größten Kostentreiber beim Neubau.
Abrisse lassen sich oft vermeiden – aber nicht immer
Deshalb empfiehlt Schaer, der das Unternehmen Matrix vor 20 Jahren mit Olaf Heinzmann gegründet hat, sensibler mit dem Bestand umzugehen. „Wir sollten uns häufiger die Frage stellen, ob wir abreißen müssen oder revitalisieren können.“ Allerdings sei stets eine Fall-zu-Fall-Analyse nötig: Es gebe Gebäude, die kaum zu sanieren sind, etwa weil statische Probleme, mangelnder Flächeneffizienz oder ein veralteter Brandschutz dem entgegenstehen. Dazu zählt er die Postpyramide in der City Nord, die trotz Denkmalschutzes 2017 abgerissen worden war. Auf dem Areal der ehemaligen Oberpostdirektion am Überseering entstand das Ipanema-Ensemble mit einem Bürohaus und 523 Wohneinheiten.
Andere Bauten hingegen bieten sich für das Bauen im Bestand geradezu an – wie das alte HEW-Gebäude. „Die gesamte Struktur und aufgeräumte Konstruktion ermöglicht die Revitalisierung.“ Bei dem Bürohaus in der City Nord hofft der Betriebswirt, zwei Drittel der Rohbaukosten einsparen zu können: „Es fallen ja auch Rückbaukosten an. In unserem Fall müssen wir die Fassade abbauen und das Gebäude entkernen.“ Auch hier kommt es auf den Einzelfall an – Schaer sagt aber auch: „Wenn wir eine Bepreisung des CO2 bekommen, rechnet sich das Bauen im Bestand besser.“
Jobs in Hamburg: Auch das Gebäude zählt
Schneller indes geht es nicht: „Die reine Bauzeit dürfte die gleiche sein. Denn ich muss Teile des Gebäudes abbrechen, entsorgen, entkernen und dann wieder neu aufbauen. Auch die Bauabwicklung ist aufwendiger. Auf der anderen Seite aber habe ich ein bestehendes Planungs- und Baurecht und ich spare mir große Diskussionen mit Anliegern.“ Schaer sieht noch weitere Vorteile: Bauen im Bestand erhält das Stadtbild: „Das erhöht die Akzeptanz, weil Substanz und Werte alter Baukunst bewahrt werden. Davon profitieren die Nutzer vielfältig, bis hin zum Recruiting, wenn der Arbeitsplatz attraktiv ist.“
Das Bauen im Bestand dürfte durch die veränderten Rahmenbedingungen noch attraktiver werden. Denn die Preise für Bestandsimmobilien sinken, während die Baukosten explodieren. Und die Nachfrage des Kapitalmarkts nach nachhaltigen und CO2-armen Investitionsobjekten wächst. „Das macht die bislang oft teure Revitalisierung wirtschaftlich attraktiv.“ Das sogenannte Refurbishment passe zum Zeitgeist, da moderne Arbeitswelten entstehen, ohne dass Altes zerstört wird. Fertig werden soll der runderneuerte Jacobsen-Bau im Jahr 2026. Mietverträge sind aber noch nicht unterzeichnet. „Dieses Haus hat eine derartige Strahlkraft und bietet so viel Flexibilität sowie neue Arbeitswelten, dass wir mit Blick auf das Mieterinteresse sehr optimistisch sind.“
Der City Nord traut Schaer noch eine Menge zu
Ausdrücklich lobt der Hummelsbüttler die Potenziale der City Nord. „Das ist eine absolute 1-a-Lage. Auch außerhalb der Innenstadt müssen wir Flächen anbieten.“ Entscheidend sei jeweils die Einbindung in einen Stadtteil, in Wohnbebauung, in moderne Mobilitätskonzepte. „Die City Nord liegt nicht im Nirwana. Es ist viel klüger, die Arbeit zu den Menschen zu bringen und nicht die Menschen zur Arbeit.“ Das Quartier grenzt an eine der größten innerstädtischen Grünflächen Europas, den Stadtpark, rundherum sind in den vergangenen Jahren viele neue Wohnungen wie im Pergolenviertel entstanden.
„Das Quartier wandelt sich gerade, wird immer urbaner und durchmischter. Und die Anbindung an den Nahverkehr ist fantastisch. Man ist keine fünf Minuten vom Flughafen entfernt und braucht nur 18 Minuten in die Innenstadt.“ Das Problem sieht er anderswo: „Die City Nord hat nicht das beste Image, ihre Vorzüge sind kaum bekannt. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass sich das ändern wird. Deshalb investieren wir dort. Und wir sind nicht die Einzigen, die da daran glauben.“ Das Jacobsen-Gebäude könnte ein Leuchtturm des Aufbruchs der City Nord werden. „Der Wandel in eine modere New Work Immobilie kann symbolisch für die City Nord von morgen als großer zusammenhängender Campus stehen“, hofft Schaer.
Der Unternehmer verteidigt die Leistung von René Benko
Insgesamt liegt das Projektentwicklungsvolumen bei rund 250 Millionen Euro, wenn nichts dazwischenkommt. „Natürlich macht auch uns die Zinsentwicklung, gerade die Geschwindigkeit der Erhöhung, Sorgen. Wir alle wussten, dass die Nullzinspolitik auf Dauer nicht bleiben kann. Die Dramatik war dann aber die Geschwindigkeit der Zinsschritte von 0 auf 4,5 Prozent binnen weniger Monate: Es ist wie das Ziehen der Notbremse im Hochgeschwindigkeitszug: Da kannst du froh sein, wenn du als Passagier nur ein paar blaue Flecken oder eine kleine Platzwunde davonträgst.“
Die Notbremsung der Zentralbank trifft derzeit die gesamte Branche hart, auch solide Unternehmen. Am Benko-Bashing will sich Schaer nicht beteiligen. „Ich bewundere seine unternehmerische Leistung. Das muss man auch einmal ganz anerkennen. Alle Beteiligten und Investoren sind Topprofis. Derzeit aber wird ein Bild kreiert, das in dem einen oder anderen Kopf herumspukt, aber eigentlich nicht der Realität entspricht.“
Immobilien in Hamburg: „Der Markt funktioniert derzeit nicht.“
Schaer wird grundsätzlich: „Ich weiß nicht, ob das alle – insbesondere aufseiten der Behörden und der Politik – so richtig verstanden haben. Der Markt funktioniert derzeit nicht.“ Dementsprechend bedürfe es politischer Initiativen, die den Wohnungsbau wieder voranbringen. „Hamburg ist bei dem Thema Wohnen mit der Idee eines dritten Förderwegs ganz weit vorn“, lobt er. Zugleich müsste man aber auch Abstriche in Kauf nehmen: „Müssen wir jetzt immer die absolut beste, tollste Architektur an jeder Ecke haben? Wir müssen schneller werden, auch ein paar alte Zöpfe abschneiden. Sonst werden wir das nicht hinbekommen.“
Bestenfalls im Verbund mit starken Kapitalpartnern kann sich Schaer auch ein Engagement in den Benko-Projekten vorstellen: „Selbstverständlich sind wir offen und wollen helfen, wenn sich Möglichkeiten ergeben. Aber wir sind ein kleines mittelständisches Unternehmen, da muss man seine eigenen Grenzen kennen.“
Mit der Neuerfindung von alten Warenhäusern kennt sich Matrix aus, so hat das Unternehmen die Karstadt-Häuser in Kiel und Norderstedt weiterentwickelt und das alte Hertie-Haus in Stade abgerissen: „Es gibt viele Möglichkeiten. Warenhäuser liegen an zentralen Punkten. Aber die Gebäude sind kompliziert – vertikal wie horizontal. Die oberen Stockwerke sind schwerer zu vermieten. Wegen der großen Gebäudetiefen wird man über Innenhöfe nachdenken müssen, auch wenn man damit sehr viel Nutzfläche und Ertrag verliert.“
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Trotzdem ist ihm nicht bange, dass eine Nachnutzung der Warentempel gelingen kann. Um die Innenstadt, wo auch sein Büro liegt, macht sich Schaer dann auch wenig Sorgen: „Wir haben das große Glück, dass Hamburgs Innenstadt sehr abwechslungsreich und qualitativ hochwertig ist.“ Nun seien neue Wege gefragt: „Wenn wir dort mit vereinten Kräften von Stadtplanung, Projektentwicklern, Investoren andere Wege wagen, werden wir spannende Lösungen finden.“ Eine Idee seien beispielsweise Gesundheitszentren oder der Vorschlag, die Produktion wieder in die Stadt zu holen. „Es gibt viele Konzepte, die sich zunächst ein bisschen verrückt anhören. Aber warum nicht einmal Gemüse in der Innenstadt anbauen, das im Restaurant darunter verwertet wird? Krisen bieten immer auch Chancen.“
Fünf Fragen an Martin Schaer
Meine Lieblingsstadt wechselt regelmäßig. Neben Hamburg, mittlerweile meine Heimat, bin ich gerade großer Lissabon-Fan. Die portugiesische Hauptstadt profitiert von der Lage am Meer und bringt Tradition mit Lust auf Neues toll in Einklang. Die Menschen sind sehr liebenswürdig. Es macht Spaß, dort zu sein.
Mein Lieblingsstadtteil ist Winterhude. Das Quartier ist gewachsen und in der Lage, sich immer wieder neu zu erfinden. Die Nähe zur Alster und die vielen schönen kleinen Gastronomien sind besonders. Jeden Sonnabendvormittag versuche ich auf dem Goldbekmarkt einzukaufen.
Mein Lieblingsplatz ist der Rödingsmarkt. Mich faszinieren das Viadukt der Hochbahn, die hier aus dem Untergrund kommt, sowie die einzigartige Mischung aus Alt und Neu. Der Ort hat nicht die höchste Aufenthaltsqualität, aber hier kommt unglaublich viel Hamburg rüber. Das wird bestimmt ein schönes Bindeglied zwischen Innenstadt und HafenCity.
Mein Lieblingsgebäude ist das Bürohaus von Arne Jacobsen in der City Nord. Das zweite ist mein eigenes Haus, weil ich es selbst bauen durfte.
Einmal mit der Abrissbirne da möchte ich niemandem zu nahe treten. Gerade in den 70er- und 80er-Jahren gab es so manche Fehlentwicklung. Ich bin auch kein Fan von neueren Gebäuden wie dem Kaufland-Gebäude an der Stresemannstraße am ehemaligen Kühne-Gelände.