Hamburg. Der Hamburger soll in mindestens zwei Fällen zu viel Geld verlangt haben. Der Ausgang des Verfahrens überrascht die Tierhalterinnen.
Er ist umstritten, und immer wieder werfen ihm Tierhalter überhöhte Rechnungen und Behandlungsfehler vor. Jetzt musste sich Tierarzt S. aus Hamburg vor dem Amtsgericht verantworten. Wieder lautete der Vorwurf, zu hohe Rechnungen ausgestellt zu haben.
Wie etwa bei Anna Imbro: Sie war mit ihrer Labradoodle-Hündin Emily vor drei Jahren bei Tierarzt S., weil diese ein Loch im Zahn hatte. Für die Behandlung berechnete er am Ende zusätzliche Zeitgebühren.
Prozess Hamburg: Umstrittener Tierarzt behandelte Katze Sazou und Hündin Emily
Bei Christina Pietsch, die wie Anna Imbro als Zeugin geladen war, ging es um die Behandlung ihrer Katze Sazou, die ebenfalls wegen ihrer Zähne bei Tierarzt S. in Behandlung war – und auch Christina Pietsch musste einen erhöhten Zeitaufwand extra zahlen.
Vor Gericht wurde Tierarzt S. nun Betrug vorgeworfen, weil er den Tierhalterinnen Pietsch und Imbro mehr abgerechnet haben soll als eigentlich erlaubt ist.
Auch Akademiker haben Schwierigkeiten, Tierarztrechnung zu verstehen
Dass Tierarztrechnungen nicht immer ganz leicht zu verstehen sind, haben an diesem Nachmittag während der Verhandlung auch die Vorsitzende Richterin und der Staatsanwalt erfahren müssen. Die Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT) – eine verbindliche Rechtsverordnung – hatten die Juristen sich offensichtlich im Vorfeld nicht im Detail angesehen, und so musste der Sachverständige, ein 70 Jahre alter Tiermediziner dieses komplizierte Konstrukt vor Gericht erläutern.
Und auch für ihn war es nicht leicht, die Rechnungen von Tierarzt S. zu verstehen. „Selbst Akademiker haben Schwierigkeiten, durch diese Rechnung durchzusteigen. Ich als Sachverständiger hatte ebenfalls meine Probleme damit. Wie soll ein Laie das schaffen?“
Tierarzt berechnete zu Unrecht einen zeitlichen Mehraufwand
Im Kern geht es darum, dass Tierarzt S. im Fall von Hündin Emily 256 Euro für einen zeitlichen Mehraufwand berechnet hat und bei Katze Sazou 128 Euro für einen ebenfalls angeblich erhöhten Zeitaufwand. Es gäbe grundsätzlich die Möglichkeit, den Zeitaufwand extra zu veranschlagen, aber eben nicht in jedem Fall, so der Sachverständige.
So sei eine Zeitgebühr dann erlaubt, wenn der Tierhalter möchte, dass ein Tierarzt länger beim kranken Tier verweilt oder bei bestimmten Leistungen, wenn das Verlegen eines Venenkatheters länger als üblich dauert. Immer dann, wenn der zusätzliche zeitliche Aufwand einer Leistung erheblich ist.
Beim Röntgen oder bei einer Zahnextraktion aber nicht. „Und da liegt der Kollege nicht richtig“, sagt der Sachverständige gegenüber dem Angeklagten. „Denn eine Strahlendiagnostik beinhaltet den Faktor Zeit bereits, und auch eine einfache Zahnextraktion darf nicht mit Zeit berechnet werden.“
Prozess Hamburg: Tierarzt muss sich fortbilden und 500 Euro Bußgeld zahlen
Das hat Tierarzt S. jedoch gemacht. Der wiederum beruft sich auf das Computersystem, das ihm automatisch bestimmte Faktoren und Abrechnungsmodalitäten ausdruckt. „Die GOT aber schreibt eine dezidierte Abrechnung vor“, so der Sachverständige. Herr S. habe seine Rechnungen formal nicht korrekt aufgeschlüsselt.
Dass es am Computerprogramm liegt und dass hinter den erhöhten Rechnungen keine böswillige Absicht liegt, haben dem Tierarzt dann auch der Staatsanwalt und die Vorsitzende Richterin geglaubt. Daher wurde das Verfahren vorläufig eingestellt – gegen ein Bußgeld von 500 Euro. Außerdem muss Tierarzt S. innerhalb der kommenden vier Monate eine entsprechende anerkannte Fortbildung machen, damit er die GOT und das Computersystem beherrscht und es so nicht mehr zu diesen hohen Abrechnungen kommt.
Diese Entscheidung überrascht Anna Imbro: „Es ist schade, dass ein Computerprogramm in der heutigen Zeit nicht richtig benutzt werden kann – angeblich.“
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Hamburger Tierarzt: „Immer stehe ich wegen derselben Sachen vor Gericht“
Tierarzt S. war von Prozessbeginn an von seiner Unschuld überzeugt. „Es ist nicht das erste Mal, dass man mir mit dieser Masche kommt. Immer stehe ich wegen derselben Sachen vor Gericht“, sagt er. „Dass ich hier bin, ist völlig überflüssig.“ Er meint damit, dass Tierhalter ihm immer wieder überzogene Rechnungen, fehlerhafte Behandlungen und rüdes Benehmen vorwarfen.
Wie zum Beispiel im Fall von Ilse Löbhard, die gegen den Tierarzt wegen falscher Abrechnungen vor der Zivilkammer des Landgerichts Hamburg geklagt hatte (AZ 8bc227/19). Ihrer Klage wurde am 17. Mai 2022 zu 83 Prozent stattgegeben, von der damaligen Rechnung in Höhe von 950 Euro waren also die meisten Positionen tatsächlich fehlerhaft. Ilse Löbhard hat 605 Euro zurückbekommen.