Hamburg. „Kein Job aus den Stellenanzeigen“ – Cheeky Cate nimmt Besucher mit zu besonderen Orten auf dem Kiez. Das Abendblatt war dabei.

Als Cate vor sieben Jahren begann, auf dem Hamburger Kiez als Prostituierte zu arbeiten, konnte sie lange Zeit nicht richtig schlafen. Zu präsent waren die teils verstörenden Erlebnisse rund um die Reeperbahn, zu verletzend die täglichen Beleidigungen. Doch diese belastende Anfangszeit ist der 27-Jährigen heute nicht mehr anzumerken. „Mittlerweile macht mir das alles nichts mehr aus“, sagt sie.

Fröhlich und ein bisschen hibbelig steht die zierliche Hamburgerin auf dem Beatles-Platz und wartet darauf, mit ihrer „Huren-Tour“ beginnen zu können. Seit knapp fünf Wochen führt sie unter dem Namen „Cheeky Cate“ Touristen und Neugierige über den Kiez, erzählt von ihren Erfahrungen und Erlebnissen als Prostituierte und beantwortet Fragen – „besonders gerne die, die unter die Gürtellinie gehen“.

Reeperbahn Hamburg: Verruchte „Huren-Tour“ durch St. Pauli – Prostituierte packt aus

25 Gäste, darunter viele Touristen, sind an diesem Freitagabend gekommen, um sich von der jungen Hamburgerin in eine geheimnisumwobene Parallelwelt entführen zu lassen.

Als eine von 989 in Hamburg angemeldeten Prostituierten (Anm. d. Red.: Laut Sozialbehörde kann die Zahl der in der Stadt legal arbeitenden Sexarbeiterinnen deutlich höher liegen, weil Anmeldebescheinigungen auch in anderen Bundesländern ausgestellt werden.) kennt diese das Gewerbe mittlerweile in- und auswendig.

Cate selbst kam mit der Branche damals durch eine Freundin in Kontakt, war zuerst nur neugierig und dann schnell überzeugt. „So einen Job findet man nicht in den Stellenanzeigen“, sagt die Hamburgerin. Es mache ihr Spaß, nicht nur im Hamburger Nachtleben unterwegs, sondern selbst ein Teil davon zu sein.

Hamburger Prostituierte führt Neugierige über den Kiez und die Reeperbahn

Mehrmals die Woche von 20 bis 4 oder 6 Uhr steht Cate seitdem an der Reeperbahn und bietet ihren Service, also sexuelle Handlungen für Geld, an. Angst vor Schichtbeginn habe sie dabei nie. „Ich bin tatsächlich eher vor den ,Huren-Touren‘ nervös“, verrät die junge Frau. Hier könne sie die Reaktion der Menschen schlechter einschätzen – und starte daher meist mit einem komischen Bauchgefühl.

Anmerken lässt sie sich das nicht. Selbstbewusst und immer mit einem frechen Spruch auf den Lippen führt Cate die Teilnehmenden von Station zu Station. Im noch leeren Club Shooters geht es los. Hier gibt es für alle einen Schnaps aufs Haus und ein paar Anekdoten – ebenfalls gratis – dazu.

„Auf St. Pauli sind wir eine riesige Familie“

Wie in den meisten Clubs auf der Reeperbahn wird Cate beim Hereinkommen herzlich begrüßt. Hier kennt und unterstützt man sich, ist füreinander da, passt aufeinander auf. „Auf St. Pauli sind wir eine riesige Familie“, betont sie.

Diese Unterstützung ist für die Prostituierte nicht selbstverständlich: In den vergangenen Jahren habe es immer wieder Freunde gegeben, die der 27-Jährigen wegen ihrer Berufswahl den Rücken zugekehrt haben. Ganz im Gegensatz zu ihren Eltern und ihrer Schwester, „die immer voller Respekt“ gegenüber der Tätigkeit sei, die schließlich als ältestes Gewerbe der Welt gilt.

„Der schöne Klaus“ trieb auf dem Hamburger Kiez sein Unwesen

Auch die historische Entwicklung der Prostitution ist Thema auf der rund zweistündigen Tour. Im Hinterhof des Hotels St. Joseph erzählt Cate, wie in den dahinterliegenden Räumlichkeiten vor mehreren Jahrzehnten ein Sammelort für Prostituierte geschaffen wurde, um diese „weg von der Straße“ zu holen. Oder wie Klaus Barkowsky, auch „der schöne Klaus“ genannt, hier eine bunte Schar an Frauen – „sie waren mit ihrem Schmuck immer wie Christbäume behängt“ – beschäftigte.

Während des Stopps vor der St.-Joseph-Kirche, gelegen inmitten zahlreicher Clubs, Bars und Kneipen, betont die 27-Jährige hingegen eindringlich, wie wichtig es ist, auch diesen Ort mit Respekt zu behandeln. „Respekt zeigen“: Diese Forderung wiederholt Cate während ihrer Tour mantraartig immer wieder. Aus gutem Grund.

Vor der St.-Joseph-Kirche auf St. Pauli bittet Cheeky Cate um Respekt für diesen Ort.
Vor der St.-Joseph-Kirche auf St. Pauli bittet Cheeky Cate um Respekt für diesen Ort. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

Besonders Frauen beleidigen die Prostituierten auf der Reeperbahn

„50 Prozent der Menschen beleidigen dich, die anderen 50 Prozent nicht“, erzählt sie. Dabei seien es insbesondere Frauen, von denen sie als „Nutte“ oder „Schlampe“ beschimpft und bei denen die Verachtung am deutlichsten werde.

„Es gibt natürlich auch Männer, die uns beleidigen – oder handgreiflich werden. Weil sie denken, unser Körper gehöre nach der Bezahlung nun ihnen“, sagt die Hamburgerin fast nebenbei, während sie die kleine Gruppe vom Boxkeller des Clubs Zur Ritze in Richtung Silbersackstraße führt. „Aber“, ergänzt sie bestimmt und dreht sich so, dass alle sie gut hören können: „Man kann keinen Körper der Welt kaufen. Nur den Service.“

Auf der „Huren-Tour“ gibt Cheeky Cate einige Anekdoten preis – witzige, aber auch verstörende.
Auf der „Huren-Tour“ gibt Cheeky Cate einige Anekdoten preis – witzige, aber auch verstörende. © Funke Foto Services | Michael Rauhe

Cheeky Cate: „Wir Prostituierten sind nicht vom Mars“

Überhaupt wünscht sich die junge Prostituierte mehr Akzeptanz für ihren Beruf. „Wir Prostituierten sind nicht vom Mars. Wir trinken dasselbe Wasser, wir haben dieselben Träume“, betont sie eindringlich.

Sprechen will die Hamburgerin auch über die Vorteile ihres Gewerbes: „Ich bin mein eigener Chef und entscheide, wann, wie oft und mit wem ich arbeite“, so Cate. Ihren genauen Verdienst will sie dann aber doch nicht verraten – nur so viel: „Es ist wirklich genug.“

Prostituierte erzählt Tour-Gästen von ihren Erfahrungen

Angekommen auf der Silbersackstraße, direkt gegenüber der Großen Freiheit, deutet Cate auf ein Fenster in einem unscheinbaren Gebäude. Dahinter verbirgt sich ihr „Arbeitszimmer“.

Die Zimmer der Prostituierten unterscheiden sich alle, sagt Cate. „Gleich ist nur, dass bei allen ein Bett, meistens ein Waschbecken und natürlich Kondome zu finden sind.“ Anschließend erzählt sie den Tour-Teilnehmenden von witzigen, aber auch von befremdlichen Erfahrungen mit Freiern. Verklemmt darf man als Gast bei dieser Tour auf jeden Fall nicht sein.

„Würde niemals mit einem Mann, der für Sex bezahlt, eine Beziehung eingehen“

Von der Silbersackstraße geht es über den Hans-Albers-Platz bis vor die Tore der Herbertstraße. Nach einem Stopp an der Davidwache endet die ungewöhnliche Führung schließlich im Pulverfass, einem Travestietheater. Hier ist Zeit für den abschließenden Schnaps, einige Informationen über die Geschichte des Cabarets und vor allem dafür, Cate Fragen zu stellen. „Traut euch ruhig“, ermuntert sie die bunt gemischte Gruppe, die bis dahin nur bedächtig zugehört hat.

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„Gibt es auch manchmal Kunden, die du selbst anziehend findest oder in die du dich verknallen kannst?“, fragt eine junge Frau daraufhin interessiert. Cate überlegt kurz. „Es gibt natürlich manchmal Männer, die gut aussehen“, antwortet sie schließlich, „aber verknallen tue ich mich da nicht. Ich würde niemals mit einem Mann, der für Sex bezahlt, eine Beziehung eingehen.“

Reeperbahn: Hamburger Prostituierte bittet um Höflichkeit

Zum Abschied der „Huren-Tour“ hat Cate noch eine Bitte: „Wenn ihr das nächste Mal an einer Prostituierten auf der Straße entlanggeht – wünscht ihr doch einfach mal einen schönen Abend. Ich kann euch versprechen, dass sie sich unglaublich darüber freuen wird.“ Mit diesem Satz entlässt sie die Teilnehmenden in das Hamburger Nachtleben – bevor sie einige Minuten später selbst wieder zu einem Teil davon wird.