Hamburg. Arbeiten an der Kaiser-Wilhelm-Straße dauern schon drei Jahre – und gehen noch Monate. Kaufleute beklagen Einbußen und geben auf.
Axel Thiemann wischt, in gepflegtem blauen Hemd, über die Möbel seines Bistros „Thiemanns Regionales & Feines“. Edle Materialien, ein Mix aus Holz- und Industrieoptik machen das Lokal in der Hamburger City zum Hingucker. Doch draußen ist der Eindruck alles andere als schick. Ein enger Trampelpfad statt eines Bürgersteigs, dahinter eine riesige Baustelle, auf der Bagger das Erdreich hin und her schaufeln.
Thiemann muss sich mehrmals am Tag um den Staub kümmern, sonst bedeckt er schnell die ganze Einrichtung. Seit 2020 führt der Hamburger das Lokal an der Kaiser-Wilhelm-Straße. Erst kam Corona, und ebenfalls seit drei Jahren lähmt nun die Baustelle sein Geschäft.
Hamburger City: Baustelle an der Kaiser-Wilhelm-Straße dauert noch Monate
Laut und dreckig ist es hier, und das nun auch noch länger als geplant. Die bereits verzögerten Bauarbeiten am Springer-Quartier werden sich noch etliche Monate hinziehen. Immer wieder rücken neue Firmen mit schwerem Gerät an.
Zunächst wurden hier Erdarbeiten rund um einen denkmalgeschützten Tunnel vorgenommen, dann schaufelte das Stromnetz Hamburg. Und nun steht die Einrichtung von Radwegen an.
Kaiser-Wilhelm-Straße: Weitere Baumaßnahme wurde im August begonnen
Der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass man im August mit der weiteren Maßnahme an der Kaiser-Wilhelm-Straße begonnen habe. Und dass diese „voraussichtlich bis ca. 30. Juni 2024 andauert“. Die Arbeiten werden überwiegend werktags durchgeführt, teilweise auch am Wochenende, hieß es vom LSBG.
Anwohner finden keine Ruhe, Kaufleute sehen ihre Existenz gefährdet – und Pendler vermissen die Verkehrsachse zwischen Laeiszhalle und City, die immer wieder gesperrt ist. Die Bauarbeiten an der Westseite des Springer-Quartiers und die einspurige Caffamacherreihe im Osten lassen die viel befahrene Gegend zur Staufalle werden. Seit Jahren.
Baustelle in der City: Kaufleute haben den Standort bereits verlassen
Und das, obgleich das Vorhaben nach ursprünglicher Planung schon längst beendet sein sollte, wie Axel Thiemann kritisiert. Zehntausende Euro Einbußen habe der 46-Jährige mit seinem Bistro durch die Baustelle bereits erlitten.
Andere Gewerbetreibende haben die Bagger bereits vertrieben, und das in der Innenstadt, in der spätestens seit Corona ohnehin Leerstände und Ladensterben drohen. Ein Waxing-Studio hat die Straße kürzlich ebenso verlassen wie ein Shop für Pflanzenkonzepte. „Natürlich müssen bauliche Maßnahmen vorgenommen werden, wenn diese anstehen“, äußert Thiemann sein Verständnis für das Projekt vor seiner Tür.
Vorwurf der Mieter: Die Fahrbahn werde bei jeder Baumaßnahme erneut aufgerissen
Allerdings sollten die Bauarbeiten schneller und effizienter vorangetrieben werden. Jedes einzelne Gewerk reiße die Fahrbahn wieder von Neuem auf. „Und ich sehe immer nur fünf Leute auf der Baustelle“, sagt der Gastronom, der bereits Erfahrungen im Vier Jahreszeiten gesammelt hat und mit seinem Bistro eigentlich viel vorhat.
Denn er wollte hier auch Events veranstalten. „Firmenfeiern oder Geburtstage kann ich doch vergessen“, sagt der Hamburger resigniert und deutet auf das Chaos hinter den Fensterscheiben.
Restaurant-Betreiber fordert Entschädigung von der Stadt
Die Informationen zu den einzelnen Baufortschritten fließen nur spärlich, auch das beklagen hier mehrere Anwohner. „Als ich hier einzog, wusste ich nichts von der Maßnahme“, sagt Thiemann. Bis heute gebe es nur vereinzelt Postwurfsendungen der Stadt, „ein Rundschreiben zu Beginn und eines zur Verlängerung der Bauzeit“, sagt der Hamburger.
Auch beim Kyba, einem neuen Restaurant mit gehobener Küche an der Kaiser-Wilhelm-Straße 73, beschweren sich die Betreiber über mangelnde und, wie sie sagen, auch falsche Informationen. Besitzer Marc Gerlach beklagt, dass ihm 2021, als er sich für den Standort interessiert habe, vom Eigentümer und der Verwaltung der Immobilie, aber auch vom Makler und der Stadt selbst mitgeteilt worden sei, dass die „hiesige Baustelle Mitte 2022 fertiggestellt sein soll“. Der Hamburger bemüht sich seit Monaten daher auch vergeblich um eine finanzielle Entschädigung vonseiten der Stadt.
Baustelle: Entschädigung gibt es nur, wenn Arbeiten „Existenz bedrohen“
Diese lehnt die Forderung aber ab, mit den Worten: „Verlegungen und Behinderungen des Verkehrs durch Straßenbauarbeiten muss der mit dem ,Schicksal‘ der Straße verbundene Anliegerbetrieb, der von der Straße auch profitiert, grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen“.
Dies sei nur anders, „wenn sich die Straßenbauarbeiten nach Art und Dauer als besonders einschneidend, gar Existenz bedrohend auf den Anliegerbetrieb auswirken“.
Veloroute wird auf der Kaiser-Wilhelm-Straße eingerichtet
Vom LSBG heißt es zum letzten Bauabschnitt derweil, dass in Hamburg schließlich der Radverkehr gefördert werden soll. Unter anderem, indem die Velorouten ausgebaut werden.
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Die Velorouten 1 und 2 führen durch die Kaiser-Wilhelm-Straße. Auch durch den nun betroffenen Abschnitt zwischen Johannes-Brahms-Platz und Axel-Springer-Platz.
City Hamburg: Nach Bauarbeiten werden an Kaiser-Wilhelm-Straße Bäume gepflanzt
Im Zuge des Ausbaus würden auf beiden Seiten Radfahrstreifen entstehen, die Haltestellen der Metrobus-Linie 3 und der Expressbus-Linie X35 barrierefrei um- und ausgebaut und eine neue Mittelinsel eingerichtet. Diese soll insbesondere Fußgängern eine gute Erreichbarkeit des Bezirksamts Mitte ermöglichen, neben dem auch Steffen Henssler bald eine neue Gastronomie eröffnet.
Eine gute Nachricht gibt es allerdings für die leidgeprüften Anwohner: Der bisherige Baumbestand wird mit mehr als 50 Neupflanzungen wiederhergestellt und sogar gestärkt.