Hamburg. In St. Georg können derzeit viele neue Läden und Restaurants entdeckt werden. Wer einzieht und wie hoch die Mieten sind.
In keinem Reiseführer fehlt die Lange Reihe in Hamburg als Kultmeile mit etlichen charmanten Läden und Restaurants. Hier wurde Hans Albers geboren, das Viertel steht für sexuelle Vielfalt und Toleranz – und nicht zuletzt findet auf dem benachbarten Carl-von-Ossietzky-Platz ein beliebter Wochenmarkt statt.
Besonders attraktiv ist die Straße in der Nähe der Außenalster aber auch dank ihrer Kaufleute und Gastronomen. Ob Currys, Pizza oder Tapas – die Bandbreite der Kulinarik ist groß. Dazu kommen Geschäfte mit Kunsthandwerk, seltenen Sneakern, Hüten oder Papeterien, welche die Gegend trotz ihrer Nähe zum nicht unproblematischen Hamburger Hauptbahnhof zum Shoppingparadies machen.
Lange Reihe in St. Georg: Viele neue Läden in der Kultmeile
Wer in diesen Tagen durch die Lange Reihe geht, wird allerdings etwas überrascht sein: Einige Läden stehen leer. Zugleich sind etliche Neueröffnungen zu sehen oder stehen kurz bevor, darunter weitere attraktive Bistros und individuelle Shops.
Auch im Restaurant Yume wird noch der Tresen eingebaut, der Anbieter von japanischer Küche eröffnet in diesen Tagen. „Wir haben Ramen und Bibimbap auf der Karte“, sagt Mitarbeiterin Lisa Yang mit Blick auf die Trendgerichte mit Nudeln und Reis, „das gibt es hier an der Langen Reihe noch nicht“. Und dabei macht es doch die „bunte Mischung“, findet die Asiatin, auch und gerade an dieser Straße.
St. Georg: Einige neue Ketten siedeln sich an
Das Yume, ein modernes Bistro mit viel Holz und bunter Kunst an den Wänden, ist ein Einzelkämpfer – es ersetzt das Hee-Yang Thai- und Sushi-Restaurant in der Immobilie. Ansonsten sind es vorwiegend Ketten, die sich hier neu ansiedeln, so wie das Cotidiano oder Erdkorn.
Erdkorn, ein Bio-Laden, eröffnet am 7. September in St. Georg. Das Geschäft wird derzeit umgebaut, allerdings wird hier nicht alles erneuert. Denn zuvor betrieb auf der Fläche bereits die Bio Company einen Supermarkt für ökologische Lebensmittel. Doch diese Bio-Kette zieht sich aus Hamburg zurück und übergibt in der Hansestadt vier Filialen an den Konkurrenten. Das Sortiment bleibt auch nach dem Wechsel teilweise unverändert: Die Bio-Company-Eigenmarke wird in den Filialen von Erdkorn weiter geführt.
Restaurant Cotidiano kommt an die Lange Reihe
Mit dem Cotidiano kommt ebenfalls zum Eröffnungsdatum 7. September ein Konzept an die Lange Reihe, das viele Hamburger schon aus der Innenstadt kennen. Einen Standort betreibt das Restaurant, das bis 16 Uhr Frühstück anbietet, aber auch mediterrane Speisen und Bowls serviert, bereits am Alten Wall. In der Langen Reihe bekommt das Cotidiano eine Bar und einen Gastraum im großstädtischen Industrie-Chic.
Mit „Milla“ gesellt sich zudem ein neues, weiteres Kosmetikstudio an die Ausgehmeile. Die Optionen, sich hier verschönern zu lassen, sind mit einem Nagelstudio, Friseuren und Barbershops bereits breitgefächert.
Lange Reihe: Bestatter ersetzt den Blumenladen
Auch eine Filiale des Hamburger Bestattungsinstituts GBI ist in die Straße gezogen. Inzwischen ist die Firma, die als Großhamburger Bestattungsinstitut 1920 von Gewerkschaften, der AOK und einem Konsumverein gegründet wurde, mit 15 Standorten in Hamburg vertreten.
„Vorher war hier ein Blumengeschäft“, sagt Jana Bruhn vom Geschäft Him&Laya, das im Haus den Bestattern gegenüber Naturtextilien und Accessoires aus Indien anbietet. „Der alte Laden war natürlich fröhlicher“, findet die Store-Managerin.
Einkaufsstraße in St. Georg – die Mieten sind rasant gestiegen
Doch der Wandel bestimmt den Handel – auch in der Langen Reihe. Nicht zuletzt, „weil die Mieten rasant gestiegen sind“, sagt Jana Bruhn. Durch die teureren Immobilien sind neben dem Blumengeschäft von Tessa Petzoldt in den vergangenen Jahren auch schon charmante Shops wie der Kräuterladen verschwunden.
Dass die Meile dennoch nicht zur austauschbaren Allerweltsstraße wird, ist aber auch so manchen „Machern“ des Viertels zu verdanken. Daniel Paysen von der Immobilienfirma Groth & Schneider gehört zu den Insidern und gibt einen Einblick in die finanziellen Rahmenbedingungen: Die Mieten für Gewerbeflächen reichen hier inzwischen von 25 bis 40 Euro netto für den Quadratmeter. Wobei die Summe von der Schaufensterfläche und der Lage in der Straße abhänge.
Leerstand in der Langen Reihe: Neue Mieter bewerben sich
Aber nicht bei jeder Neuvermietung müssten die Konditionen steigen, ein Naturgesetz ist die Verteuerung und damit die Gentrifizierung vieler Gegenden in Hamburg schließlich nicht. Ein Beispiel: Die Gewerbefläche an der Langen Reihe 103, wo eines der Leerstands-Schilder hängt, dürfte bald ein Geschäft für nachhaltige Damenkleidung übernehmen. Die Verhandlungen seien weit fortgeschritten, sagt Paysen. Hier blieben die Kosten für die neuen Betreiber auf dem Niveau wie zuvor.
Der Vorbesitzer, ein Laden für Kindertextilien, hatte den Mietvertrag nicht verlängert. „Aber uns sind solche kleinen, inhabergeführten Geschäfte am liebsten“, sagt Paysen, der auf den Mix in der Straße achtet, da sein Arbeitgeber Groth & Schneider hier nicht nur als Makler, sondern auch als Verwalter des Gebäudes auftritt.
Lange Reihe – eine reine „Fressmeile“ hat auch Nachteile
Auch solle die Straße nicht zur reinen „Fressmeile“ verkommen, findet Paysen. Als Verwalter hat Groth & Schneider im Blick, dass mit Restaurants auch Probleme auftauchen: Etwa mit der Abluft der Küche und Zumutungen für die Anwohner, wenn draußen die Gäste lärmen.
Ein weiteres Ladengeschäft ein paar Meter weiter, wo früher die Commerzbank saß, steht nach wie vor leer. Über Nachmieter wollte der Makler keine Auskunft geben.
Nachmieter aus Gastronomie und Handel zeigen Interesse
Mit abgeklebten Schaufenstern zeigt sich zudem die Adresse Lange Reihe 25. Bisher bediente hier ein Gastronomiebetrieb seine Gäste. Nun gebe es mehrere potenzielle Interessenten, heißt es vom zuständigen Makler Heimstaden. Ein neues Restaurant bewerbe sich um die Fläche, aber auch Betreiber aus Handel und Dienstleistungen, unter anderem ein Friseurbetrieb.
Wie verändert sich durch die vielen Neueröffnungen die Mischung in der Gegend? „Im Quartier sind erfreulicherweise noch viele Geschäfte und Angebote vorzufinden, die ich noch aus meiner Jugend kenne“, sagt Julia Staron vom Quartiersmanagement Lange Reihe. Es sei neue Gastronomie dazu gekommen, „die aber meistens inhabergeführt ist und ein vielfältiges Angebot für unterschiedlichste Bedürfnisse bietet“, ergänzt die Stadtteilkümmerin, die im Auftrag des Bürgervereins St. Georg unterwegs ist.
Julia Staron: Quartier ist sehr gesund und lebendig
Die ehemalige Betreiberin des Liveclubs Kukuun kennt die Branche aus eigener Erfahrung. „Insgesamt scheint das Quartier trotz einiger weniger Leerstände sehr gesund und lebendig“, bilanziert die Projektleiterin der Stadtmanufaktur GmbH, die sich bisher auch im Stadtteil St. Pauli engagiert hatte.
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Auch Jana Bruhn teilt diesen Eindruck. „Es ist und bleibt ein lebendiges Viertel, mit vielen Touristen“, freut sich die die Händlerin im Him&Laya. Seit einem Jahr betreibt einige Meter weiter die Kaffeerösterei Culdt ein Stehcafé an der Langen Reihe. „Ich habe noch nie in einer so schönen Atmosphäre gearbeitet“, freut sich Betreiber Jan-Philipp Schütt. Die Leute auf der Ecke seien „super lieb, super freundlich und so entspannt, als wenn sie den ganzen Tag im Urlaub sind“, findet der Kaffeeliebhaber.
Einziger Wermutstropfen sei die Nähe zur Drogenberatungsstelle Drob Inn, ebenfalls unweit des Hauptbahnhofs, so dass hin und weder Obdachlose in der Straße randalierten.
St. Georg: Alteingesessene Händler loben den „guten Mix“
Alteingesessene Geschäfte, etwa für Nähmaschinen, Sicherheitstechnik und Schmuck, vervollständigen das Angebot in der Langen Reihe. Die Inhaber sprechen gegenüber dem Abendblatt ebenfalls von einem nach wir vor „guten Mix“ der Geschäfte. Viele Besucher freuten sich, hier noch individuelle Shops zu finden und kämen lieber auf diese Seite des Hauptbahnhofs als in die großen Einkaufsmeilen wie die Spitaler Straße.
Schwieriger sei es zuletzt allerdings geworden, das Shoppingvergnügen an der Mönckebergstraße mit einem Besuch an der Langen Reihe zu verbinden, moniert eine Händlerin. Der Grund: Die Busse fahren nicht mehr durch, man muss einmal umsteigen, um in das lebendige Herz von St. Georg zu kommen.