Hamburg. Tragisches Unglück im Hamburger Hafen. Der Pilot konnte seine Passagiere nicht retten – und brach vor Gericht in Tränen aus.

Es hätte ein besonders schönes Erlebnis für ein Ehepaar werden sollen: ein Rundflug in einem Wasserflugzeug über Hamburg. Doch es wurde ein Flug in den Tod. Der 57-Jährige und seine fünf Jahre jüngere Frau ertranken unter tragischen Umständen im Hamburger Baakenhafen.

„Es war wirklich ein besonderes Drama, zu dem wohl mehrere unglückliche Umstände geführt haben“, sagt Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher im Crime-PodcastDem Tod auf der Spur“ des Abendblatts mit Rechtsmediziner Klaus Püschel. „Dabei begann dieser 22. August 2009 für das Paar aus Niedersachsen eigentlich vielversprechend. Es herrschte perfektes Wetter. Kurve um Kurve flog die Cessna mit dem Piloten und den Passagieren an Bord über den Hamburger Hafen.“

Hafen Hamburg: Wasserflugzeug sinkt und reißt zwei Passagiere in den Tod

Doch als das Flugzeug immer tiefer sank, wurde deutlich, dass sich ein Unglück anbahnte. Das Fahrwerk des Wasserflugzeugs war – auch noch kurz vor der Landung im Baakenhafen – immer noch ausgefahren. „Für eine Landung im Wasser gibt es spezielle Schwimmer, die für ein sicheres Aufkommen und dann Weitergleiten sorgen sollen“, erklärt Püschel. „Da wäre ein Fahrwerk, das zusätzlich ausgefahren ist, doch nur im Weg.“

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„So war es dann ja auch“, sagt Mittelacher. „Bei der Landung überschlug sich das Flugzeug plötzlich, eine riesige Wasserfontäne schoss in die Höhe. Und schließlich hing die Maschine kopfüber im Wasser. Der Pilot konnte sich aus dem Flugzeug retten. Aber die beiden Passagiere, die auf den hinteren Plätzen saßen, wurden in 2,5 Meter Tiefe kopfüber in der Kabine eingeschlossen.“

Flugzeugunglück: Pilot taucht immer wieder, um das Ehepaar zu retten

„Und der Pilot, der sich aus der Maschine retten konnte, tauchte wieder und wieder nach den Passagieren in der Hoffnung, sie noch retten zu können“, erzählt Püschel. Doch diese Versuche schlugen fehl. Als Feuerwehrtaucher eine halbe Stunde darauf den Mann und seine Frau bergen konnten, war es bereits zu spät: Die Eheleute verstarben im Krankenhaus, sie waren ertrunken.

Nach dem Absturz eines Wasserflugzeugs im Hamburger Hafen kümmern sich Rettungskräfte um die Passagiere. Das Ehepaar wurde leblos aus dem Wasser geborgen.
Nach dem Absturz eines Wasserflugzeugs im Hamburger Hafen kümmern sich Rettungskräfte um die Passagiere. Das Ehepaar wurde leblos aus dem Wasser geborgen. © AndrE Zand-Vakili

Der Pilot musste sich vom 3. Januar 2012 an vor Gericht verantworten. „Der Vorwurf gegen den 44-Jährigen lautete auf fahrlässige Tötung“, erinnert sich Mittelacher. „Er habe pflichtwidrig versäumt, das Fahrwerk der Cessna nach einem Tankstopp am Flughafen Fuhlsbüttel wieder einzufahren.“

Prozess: Pilot wird in Hamburg wegen fahrlässiger Tötung angeklagt

Durch diesen Bedienfehler sei die Cessna T 208 H mit ausgefahrenen Rädern im Hafengewässer gelandet und habe sich überschlagen. Die Verteidigung sah das allerdings anders. Sie argumentierte, dass es keinen Bedienfehler gegeben habe. Nicht der Angeklagte habe versagt, sondern allein die Technik.

Die Anwälte meinten, dass beim Tankstopp die Ereignisse, die in der Tragödie mündeten, in Gang gesetzt worden sein könnten. „Unter anderem sei möglich, dass einer der beiden Passagiere beim Aus- oder Einsteigen in Fuhlsbüttel einen Hebel touchierte und so das mechanische Sicherheitssystem außer Kraft setzte“, erklärt Mittelacher. „Ein weiterer Erklärungsansatz hing mit den Kontrollleuchten zusammen.“

Flugzeugunglück: Der Angeklagte bricht vor Gericht in Tränen aus

„Ich habe die durch die Kontrolllampen angezeigte Position des Fahrwerks als korrekt wahrgenommen“, hieß es in der Erklärung des Angeklagten. „Und der Schwimmer stand in der Wasserlandungsposition.“ Deshalb, so sagte es der Verteidiger, habe der Pilot gar keinen Fehler erkennen können.

„Dem Tod auf der Spur“, das Podcast-Logo mit Klaus Püschel und Bettina Mittelacher.
„Dem Tod auf der Spur“, das Podcast-Logo mit Klaus Püschel und Bettina Mittelacher. © Hamburger Abendblatt

Als sein Verteidiger schilderte, wie der Pilot verzweifelt versuchte, die Fluggäste zu retten, wie er im trüben Wasser kaum etwas sah, kaum Luft bekam und nur für einen kurzen Moment einmal ein Bein zu fassen bekam, brach der Angeklagte vor Gericht in Tränen aus.

„Offenbar haben ihn da seine Gefühle und seine Erinnerungen übermannt“, vermutet Mittelacher. „Das ist nachvollziehbar“, findet Püschel. „Immerhin hat er versucht, Menschenleben zu retten. Und es ist ihm nicht gelungen. Das muss extrem belastend gewesen sein, psychisch und auch körperlich. Er wird durch die vielen Tauchversuche geschwächt gewesen sein.“

„Wie es gut ein Jahr nach dem Unglück dem Angeklagten ging, ließ ein Brief erahnen, den er im Herbst 2010 an Hinterbliebene des verstorbenen Ehepaares geschrieben hatte“, berichtet Mittelacher. „Darin hieß es: ,Der 22. August 2009 ist der traurigste Moment, den ich in meinem Leben erfahren musste.’“

Pilot: „Der traurigste Moment, den ich in meinem Leben erfahren musste“

Im Prozess vor dem Amtsgericht kam unter anderem ein Sachverständiger zu Wort, ob die richtigen Kontrolllampen geleuchtet hätten, sei technisch nicht nachzuweisen, meinte der Gutachter. Auch bei zwei anderen Warnsystemen sei unter Umständen möglich, dass sie ausgefallen seien.

Am Ende verhängte das Amtsgericht gegen den Piloten neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen zweifacher fahrlässiger Tötung. „Im Gegensatz zum Anwalt des Angeklagten, der argumentiert hatte, alle Warnsysteme der Maschine hätten nicht funktioniert, war der Richter der Meinung, dass nicht sämtliche Warnanlagen versagt hätten“, erinnert sich Mittelacher.

Urteil beim Amtsgericht: Pilot bekommt neun Monate Haft mit Bewährung

„Der Richter sagte an den Angeklagten gerichtet: ,Ich bin überzeugt, dass Sie einen Fehler gemacht haben. Sie haben gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen.’“ Anerkennen müsse man, dass der Pilot unter Einsatz seines Lebens versucht habe, die Passagiere zu retten.

Der Fall ging noch in die Berufung. Und in dieser zweiten Instanz hat der Pilot ein Geständnis abgelegt. Er meinte: „Ich sage aus vollem Herzen: Ich trage die komplette Verantwortung für den Flug, das ist klar.“ Er habe wohl die Kontrolllichter falsch interpretiert. Das war der fatale Fehler, den ich begangen habe.“

Hafen Hamburg: Pilot schildert, wie er die Passagiere aus dem Flugzeug retten wollte

Er habe versucht, die Passagiere aus der Kabine zu retten. „Ich bin auf das Dach des Flugzeugs geklettert und habe überlegt: Wie kriege ich das Ding von oben auf? Ich war verzweifelt, ich hatte kein Werkzeug. Dann bin ich immer wieder runtergetaucht.“

Doch die Sicht in dem trüben Wasser sei „gleich null“ gewesen. Das Landgericht verhängt schließlich eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Euro wegen fahrlässiger Tötung. Die Richterin sagte zum Angeklagten: „Sie als Pilot tragen für Ihre Passagiere eine ganz besondere Verantwortung, weil die Ihnen ihr Leben anvertrauen.“