Hamburg. Investor René Benko kauft weiter in Hamburg ein. Mit Folgen. Allen Mietern eines Hauses am Jungfernstieg 48 wurde gekündigt.
Nicht nur wegen des markanten Namens und der original erhaltenen Einrichtung aus den 1920ern ist sie gegenüber dem Gänsemarkt nicht wegzudenken: Roth’s alte Englische Apotheke blickt auf eine 200-jährige Geschichte in Hamburg zurück – und die könnte jetzt mal eben so beendet werden.
Das Haus Jungfernstieg 48 wurde von einer Erbengemeinschaft verkauft. Sämtliche Mieter, inklusive der historischen Apotheke, haben von der neuen Eigentümerin, der „Jungfernstieg 48 Immobilien GbR“, die Kündigung erhalten.
Immobilien Hamburg: Historische Apotheke vor dem Aus
Die Firma gehört zu Signa, wiederum ein Unternehmen des umstrittenen Großinvestors René Benko. Signa gehören in Hamburg diverse Objekte: der Elbtower, der aktuell an den Elbbrücken in der HafenCity in die Höhe wächst, das Alsterhaus am Jungfernstieg, die Zentrale der Hamburg Commercial Bank am Gerhart-Hauptmann-Platz.
Das Grundstück der inzwischen abgerissenen Gänsemarkt-Passage zählt ebenfalls zum Signa-Portfolio. Dort befindet sich zurzeit eine riesige Baustelle, auf der ein 250 Millionen Euro schwerer Büro-, Geschäfts- und Wohnkomplex inklusive Shoppingcenter entstehen soll.
Und direkt nebenan: der Altbau Jungfernstieg 48. Die 1786 gegründete Apotheke befindet sich seit 1928 in diesem Gebäude.
Roth’s alte englische Apotheke versorgte englische Schiffe im Hafen
Gegründet von Medizinalrat Dr. Wendelin Roth versorgte die Apotheke einst englische Schiffe im Hamburger Hafen mit Arznei. Die Einrichtung der heutigen Verkaufsräume stammt noch aus dem Jahr 1928, sagt Rüdiger Bettin, der Roth’s alte englische Apotheke seit mehr als 30 Jahren führt.
Gezimmert wurden die Möbel aus dem mittlerweile geschützten tropischen Edelholz Rio Palisander im sogenannten Dampferstil. Dieser erhielt seinen Namen, weil er in den 1920ern und 1930ern in Passagierschiffen verbaut worden ist. Die Einrichtung im hinteren Bereich der Apotheke sei sogar noch älter: Sie stammt aus der Zeit vor dem Umzug ins heutige Gebäude und wurde aus Mahagoni gefertigt.
Jungfernstieg 48: Mietern wurde zum 31. März 2024 gekündigt
Gekündigt wurde den Mietern des Hauses Jungfernstieg 48, darunter neben der Apotheke auch Grüne’s Leihhäuser, zum 31. März 2024. „Wir befinden uns seit 20 Jahren in diesem Objekt, bis dato waren stets langfristige Mietverträge abgeschlossen worden“, sagt Berit Schröder-Maas von Grüne’s Leihhäuser.
Bei der letzten Vertragsverlängerung sei seitens des vorigen Vermieters nur noch ein befristeter Gewerbemietraumvertrag angeboten worden. Insofern sei die Kündigung nicht übermäßig überraschend gewesen. „Die Art und Weise haben wir jedoch als sehr unschön empfunden, da uns der neue Besitzer, die Jungfernstieg 48 Immobilien GbR, erst mit dem Eingang der Kündigung vorgestellt wurde“, so Berit Schröder-Maas.
Weitere Informationen habe es nicht gegeben. „Wir wären sehr gern auch weiterhin in den Räumlichkeiten am Jungfernstieg 48 verblieben, da wir uns dort sehr wohlgefühlt haben und jeder Umzug mit erheblichen Kosten verbunden ist“, so die Mitarbeiterin. Grüne’s Leihhaus habe aber bereits neue Räume gegenüber dem Rathaus in der Hermannstraße gefunden.
Immobilien: Apotheker will mit Benko über Erhalt der Apotheke verhandeln
Eben mal umziehen, das kommt für Rüdiger Bettin und seine Apotheke nicht infrage – allein wegen der antiken Innenausstattung. Die Apotheke sei außerdem an ihrem jetzigen Standort berühmt.
Touristen aus aller Welt finden den Weg zum Jungfernstieg 48, so Bettin. Auch, weil Roth’s alte englische Apotheke in jüngster Zeit Anlaufapotheke für Kreuzfahrtschiffe geworden ist. Derzeit kämen allerdings weniger Kunden – wegen der Großbaustelle nebenan. Eine Absperrung versperrt den Bereich vor der Apotheke und erschwert den Zugang zum Haus erheblich.
Jungfernstieg 48: Das 1862 errichtete Haus steht unter Denkmalschutz
Der 74-jährige Rüdiger Bettin und seine Frau Angela fürchten vor allem die Zerstörung des wertvollen und geliebten Interieurs. „Wir wollen unsere Apotheke schützen. Wir wollen auf jeden Fall mit dem neuen Eigentümer über den Erhalt der Apotheke verhandeln“, sagt Angela Bettin. „Im Notfall geben wir sie auch ins Museum.“ Aber das wäre schade, so die Bettins. „Die Apotheke funktioniert ja noch als Voll-Apotheke.“
Das 1862 errichtete Gebäude am Jungfernstieg 48 steht unter Denkmalschutz, ein ähnliches Schicksal wie der benachbarten Gänsemarkt-Passage dürfte ihm daher nicht blühen. Auf Abendblatt-Nachfrage äußerte sich die Firma Signa zu den Kündigungen und weiteren Plänen.
Man habe die Immobilie Ende April erworben. „Da das Gebäude einen großen Instandhaltungsrückstau aufweist, ist eine behutsame und denkmalgerechte Sanierung notwendig“, sagt Unternehmenssprecher Sebastian Schmidt.
Daher wurden die Mietverträge zum Ende der Laufzeiten, also zu Ende März 2024, gekündigt. Im Anschluss will das Unternehmen entsprechende Sanierungsarbeiten durchführen, so der Sprecher. „Wir werden mit den Mietern zeitnah das Gespräch suchen.“
Immobilien Hamburg: Für Linke ein „weiterer Baustein für eine Benko-City“
Als „erschreckende Entwicklung“ bezeichnet derweil Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft, das Vorgehen des neuen Eigentümers: „Das ist ein weiterer Baustein für eine Benko-City.“
Hamburg, München, Berlin – überall kaufe Benko Filetgrundstücke und Gebäude in den Innenstädten. „Der Senat muss jetzt die wenigen Instrumente, die er hat, nutzen, um Benko auszubremsen“, so Sudmann.
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Die Politikerin fordert ein besonderes Vorkaufsrecht für die Hamburger Innenstadt sowie die Verweigerung jeglicher Extra-Baurechte. Ihre Frage: Weshalb kämpft der Senat nicht auf Bundesebene für ein öffentliches Immobilienregister sowie eine Spekulationsbremse mit Grundstückspreisdeckel? „Das würde den Kampf gegen Spekulation erleichtern.“