Hamburg. Richter spricht von „zwei schrecklichen Taten“. Täter ist schizophren – und gilt weiterhin als Gefahr für die Allgemeinheit.

Sie versuchte alles, um ihrem Peiniger zu entkommen. Sie bemühte sich zu fliehen, sie versuchte, ihn auszutricksen oder ihn zu besänftigen. Vergebens. Enis B. (alle Namen geändert) kannte keine Gnade. Er quälte und missbrauchte die 20-Jährige. Vier Tage nach diesem Verbrechen vom 1. Januar dieses Jahres überfiel der Mann auch noch eine 74-Jährige in deren Wohnung, schlug und missbrauchte auch sie. Ein Martyrium für beide Opfer. Sie leiden bis heute.

Jetzt hat das LandgerichtHamburg das Urteil über den Täter gesprochen. Der 28-Jährige wird in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Es handele sich um „zwei schreckliche Taten“, sagte der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Erschreckend sei auch, dass es in diesem Fall „völlig dem Zufall überlassen“ sei, wer zum Opfer werde. Zum Prozessauftakt hatte der 28-Jährige die ihm vorgeworfenen Verbrechen eingeräumt.

Prozess Hamburg: Vergewaltigung und Missbrauch – Richter: „Es kann jeden treffen“

Eine Gefängnisstrafe kam nach Überzeugung der Kammer für den Angeklagten nicht in Frage, weil dieser psychisch schwer krank ist. Ein Gutachter hatte ausgeführt, dass Enis B. unter einer Schizophrenie leidet. Weil aber aufgrund der Erkrankung zu erwarten sei, dass der 28-Jährige weitere schwere Straftaten begehen könne, könne Enis B. nicht in Freiheit kommen.

Der Angeklagte sei „eine Gefahr für die Allgemeinheit“, betonte der Vorsitzende Richter. „Es kann jeden treffen, der unterwegs ist.“ Bei seinen Übergriffen habe der Angeklagte unter anderem den Tatbestand der besonders schweren Vergewaltigung und der gefährlichen Körperverletzung erfüllt.

Verfahren vor dem Hamburger Landgericht: Die Opfer erlitten ein Martyrium

Der 20 Jahre alten Jennifer R. war der Angeklagte in der Neujahrsnacht von der Reeperbahn in öffentlichen Verkehrsmitteln fast bis zu deren Zuhause in Harburg gefolgt. Dort, in der Nähe einer Schrebergartenanlage, fiel er über die junge Frau her, missbrauchte sie mehrfach, schlug sie immer wieder und bedrohte sie mit dem Tode.

Als wäre nichts geschehen, bot er ihr dann etwas zu essen an und sagte, da sie ja jetzt gemeinsam ein Kind bekommen würden, müsse sie ihn heiraten. Erst an der Haustür ihrer Gasteltern gelang es dem jungen Au-pair, ihren Peiniger loszuwerden.

Vergewaltigung: Die Zeugin leidet bis heute unter Ängsten

Im Prozess hatte Jennifer R. geschildert, welche Qualen, psychische und körperliche, sie erlitten hatte. Unter anderem hatte Enis B. ihr die Nase gebrochen. Und bis heute, so hatte die Zeugin dargelegt, leide sie unter Ängsten, wenn sie allein unterwegs sei oder mit der Bahn fahre.

Auch im Leben von Martha F. dominieren bis heute Ängste und Schmerzen. Die 74-Jährige war am 5. Januar zu Hause, als es an der Tür klingelte und sie öffnete, weil sie ein Paket erwartete. Doch dort stand nun der alkoholisierte Enis B., drängte die Rentnerin in deren Wohnung, packte sie am Hals, brachte sie zu Boden und versuchte, sie zu missbrauchen.

Rentnerin wurden durch Schläge mehrere Frakturen zugefügt

Dabei schlug der Täter der 74-Jährige immer wieder so massiv ins Gesicht, dass sie mehrere Frakturen davontrug. Als sie verzweifelt um Hilfe schrie, kam ein Nachbar der Rentnerin zu Hilfe. Dieser Mann setzte Reizgas gegen den Täter ein, so dass dieser auf den Dachboden des Mehrfamilienhauses flüchtete.

Dort wurde er kurze Zeit später festgenommen. Schließlich wurde auch festgestellt, dass er als Täter bei der Vergewaltigung der 20-Jährigen in Betracht komme.

Wie die junge Frau hat auch Martha F. erhebliche Verletzungen davongetragen. Drei Wochen musste das Opfer später im Krankenhaus behandelt und zweimal operiert werden. Bis heute leidet sie unter Sehstörungen, weil durch die Schläge auch ihr Auge verletzt wurde. Und nach wie vor leidet sie unter Schlafstörungen. Nach dem Übergriff hatte sie sich wochenlang kaum aus ihrer Wohnung getraut.

Prozess Hamburg: Nach Missbrauch – Opfer traut sich lange kaum aus ihrer Wohnung

Enis B. wurde in Syrien geboren, kam 2015 nach Deutschland. Und zunächst, so betonte es der Vorsitzende Richter, war es dem jungen Mann gelungen, hierzulande Fuß zu fassen. Er lernte die Sprache und ging einer Arbeit nach. „Dann kam plötzlich ein Bruch“, so der Richter. „Wir wissen nicht, welches Ereignis dafür ausschlaggebend war.“ Enis B. habe begonnen, Drogen zu konsumieren, er gab seine Arbeit auf.

Und dann, 2018, brach seine Schizophrenie aus. Der 28-Jährige begann Stimmen zu hören. Und, wie der psychiatrische Sachverständige es im Prozess ausgeführt hatte, sorge diese Schizophrenie dafür, dass der Erkrankte einen Eindruck von der Realität erhält, die nicht mit dem übereinstimmt, was andere erleben. So könne es zu weiteren schweren Straftaten kommen.