Hamburg. Der Landschaftsarchitekt Felix Holzapfel-Herziger bepflanzt den Feldstraßenbunker und verrät, warum die Stadt mehr Grün benötigt.
Die hängenden Gärten von Babylon waren einst eines der sieben Weltwunder. In der Antike wuchsen hier auf 25 Meter hohen großen Terrassen prächtige Pflanzen, die über ein ausgeklügeltes System bewässert wurden. Auch Hamburg soll jetzt sein grünes Wunder erleben – an der Feldstraße wird der graue Weltkriegsbunker in den kommenden Wochen bepflanzt werden. Dafür zuständig ist Felix Holzapfel-Herziger, der Gründer des Hamburger Landschaftsarchitekturbüros L+: In dem Abendblatt-Podcast "Was wird aus Hamburg" spricht er über seine Pläne.
"Wir fanden es wichtig, hier unsere Ideen einzubringen"
„Das Projekt beschäftigt mich schon seit Ende 2014, als ich das Bild von der Idee in der Zeitung sah“, erinnert sich der diplomierte Landschaftsarchitekt, der das Büro L+ in der Schanze zusammen mit seinem Partner Julian Benesch betreibt. Damals hatte sich die Initiative Hilldegarden gegründet, um den Bunker zu begrünen. Holzapfel-Herziger begann sich zunächst ehrenamtlich zu engagieren und nahm an Workshops teil. „Wir fanden es wichtig, hier unsere Ideen einzubringen.“
Aus dem Ehrenamt wurde schließlich ein großer Auftrag für das Büro mit seinen zwölf Mitarbeitern: In diesen Tagen soll die Bepflanzung des grauen Kolosses gemeinsam mit dem Landschaftsbauer Hildebrandt beginnen. Auf mehr als 7600 Quadratmeter öffentlicher Grün- und Gemeinschaftsflächen sowie dem 300 Meter langen Bergpfad werden insgesamt rund 4700 Pflanzen gesetzt, zudem müssen 1690 Quadratmeter Fassadenfläche begrünt werden. Dafür werden 2000 Kubikmeter Substrat für Bäume, Sträucher, Hecken und Kletterpflanzen aus Silofahrzeugen auf mehr als 50 Meter Höhe geblasen. Bis Ende des Jahres, so der ehrgeizige Plan, soll die Bepflanzung zum großen Teil vollendet sein.
Feldstraßenbunker: Himmelsrichtungen wichtig für Bepflanzung
„Unsere Aufgabe war, mit Spezialisten die Pflanzen auszusuchen und sowohl mit Baumschulen wie Lorenz von Ehren als auch dem Pflanzenexperten Prof. Mark Krieger aus Rapperswil zu tüfteln, was wo am besten wachsen kann. Da landet man wegen des Windes schnell bei Pflanzen aus höheren Lagen, wie wir sie sonst in den Alpen oder den Pyrenäen finden“, sagt Holzapfel-Herziger. Beim pyramidenartigen Aufbau, der bis zu 58 Meter hoch wird, spielen die Himmelsrichtungen eine entscheidende Rolle.
Im Nordwesten des Bunkers ist es besonders windig, im Süden wird es im Sommer hingegen heiß; zwischen der Feldstraße und dem Heiligengeistfeld verändern sich die Klimazonen. „Da muss auch die Pflanzenauswahl variieren“, sagt Holzapfel-Herziger. So sind es weniger heimische als standortgerechte Arten, die auf St. Pauli wachsen werden. Die Landschaftsarchitekten müssen sich auf Neuland wagen. „Ein solches Projekt gibt es sonst nirgends auf der Welt“, sagt der 58-Jährige. Er verweist aber auf historische Vorbilder wie etwa die Terrassen auf den Borromäischen Inseln im Lago Maggiore oder den Guiginiturm von Lucca, auf dem die Steineichen wachsen.
St. Pauli wird grüner: Ist die Trockenheit ein Problem?
Ein mediterranes Bild sollte man auf dem früheren Flakbunker mit seiner Grundfläche von 75 x 75 Meter nicht erwarten. „Auf St. Pauli wird es etwas wilder, zerzauster aussehen, so wie an der Nordsee“, verspricht der Experte. Die Trockenheit der vergangenen Jahre macht ihm keine Sorgen. „Wir haben eine ausgeklügelte Bewässerung, gute Substrate und angepasste, robuste Pflanzen.“
Wichtig ist ihm aber, dass der grüne Bunker zu einem gewachsenen Naturraum wird: Neben Jungpflanzen finden sich auch ältere Bäume, etwa Kiefern, die bis vier Meter messen. Diese 1,5 Tonnen schweren Gewächse müssen mit einem Kran auf das Bunkerdach gehievt werden. Holzapfel-Herziger verspricht, dass der fertige Bunker so grün wird, wie die farbenfrohen Bilder aus dem Computer der Stadt versprochen haben.
„Der Aufwand ist vergleichbar mit der Pflege von Planten un Blomen“
„Bei der Visualisierung mag der ein oder andere Baum zu groß dargestellt worden sein, aber geschönt ist sie nicht: Wir haben die Staffelung mit überhängenden Gehölzen, Hecken, Bäumen und dahinter die Fassadenbegrünung.“ Vorzugsweise langsam wachsende Pflanzen werden dort angesiedelt, viele mittelgroße und kleine Gehölze; zugleich werden ältere mit ganz jungen kleinen Pflanzen gemischt. „Fällt ein älteres Gehölz später einmal aus, kann das jüngere es beerben.“
Damit im Winter St. Pauli nicht ins Graue changiert, werden 80 Prozent immergrüne Gehölze gepflanzt. „Aber auch die anderen 20 Prozent sind wichtig, wegen der Blüte und der Herbstverfärbung.“ Schon jetzt ist klar: Die Pflege des Dachgartens wird kein Selbstläufer: So werden zum Beschneiden Industriekletterer sich an- und abseilen müssen. „Der Aufwand ist vergleichbar mit der Pflege von Planten un Blomen“, sagt Holzapfel-Herziger. Sämtliche Kosten für Pflege und Unterhalt wird der Investor Matzen Immobilien KG übernehmen.
Auf dem Dachgarten ist für 900 Personen Platz
Es wird ein Park für alle – ohne Eintritt und frei zugänglich. 900 Personen können sich zeitgleich auf dem Dachgarten aufhalten. „Die Zutrittskontrolle ist natürlich ein Thema, damit sich dort keine Pulks bilden. Und Grillen auf der Dachbegrünung geht gar nicht.“ Im ersten Quartal, wenn der Bergpfad auf das Dach führen wird, soll der Bunker fertig sein. Danach werden dann auch das Hotel, die Veranstaltungshalle und der Informations- und Gedenkort ihre Pforten öffnen.
Doch der Bunker ist mehr als ein faszinierendes Haus und ein verrückter Park – er wird zugleich wissenschaftliche Forschungsstätte. „In Zeiten des Klimawandels besitzt die Bepflanzung des Bunker Vorbildfunktion“, sagt Holzapfel-Herziger. Um die Effekte einer Begrünung wissenschaftlich zu belegen, sind im gesamten Bunker Sensoren installiert, die fünf Jahre lang Verdunstungskälte und Wärmedämmung messen. „Wir haben bislang für Planungsprozesse viel zu wenige Daten, was Begrünung zu leisten vermag. Der Bunker wird zum Labor.“
Hohe Emissionen: Stadtgrün werde in Zukunft immer wichtiger
Klimaexperten der TU Berlin werten die Daten aus, um sämtliche klimatischen Effekte auf das Gebäude und das Mikroklima im Stadtviertel zu erfassen. „Nach solchen Daten gibt es eine immense internationale Nachfrage, wie wir jetzt schon erfahren. Hier hat der Bunker eine große Vorbildfunktion für weitere geplante grüne Bauten“, so der Experte.Holzapfel-Herziger betont, dass Stadtgrün in Zukunft überall wichtiger wird. 55 Prozent der Weltbevölkerung leben schon heute in Städten und sind für bis zu 70 Prozent der Emissionen verantwortlich.
„Den Städten kommt eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des Klimawandels zu. Grüne Inseln sind bei Hitzewellen, Dürren und Luftverschmutzung von zentraler Bedeutung, das Klima zu verbessern. Das hat auch eine soziale Dimension: Nicht jeder wohnt in einer Straße mit Bäumen, begrünten Innenhöfen oder Gärten.“ Die langfristigen Trends sind eindeutig, sagt er: „Auch in Hamburg erleben wir mehr und extremere Wetterereignisse. Mehr Hitzetage, mehr Trockenzeit, steigende Risiken von Starkregen mit weitreichenden Folgen für die Infrastruktur und die Gesundheit der Menschen.“
Begrünung kann Klimalagen ersetzen und Gebäude kühlen
Hier kommen wieder Pflanzen ins Spiel: „Sie kühlen, spenden Schatten, reduzieren Feinstaub, dämmen Verkehrslärm, schaffen Biodiversität. Und nicht zuletzt tun sie der Seele gut“, sagt Holzapfel-Herziger. Begrünung kann auch Klimaanlagen ersetzen und die Gebäude kühlen helfen. Dafür hat das Büro L+ auf dem Bahrenfelder Gelände des Desy Green Campus eine umfangreiche Fassaden- und Dachbegrünung umgesetzt.
Dort ist ein echter Hingucker entstanden: Die Dachflächen des Max-Planck-Instituts für die Struktur und Dynamik der Materie sind über eine Rampe und eine Treppe erreichbar und beherbergen die Außenterrasse der Cafeteria. Die Hansestadt verfolgt bei Gründächern ambitionierte Ziele. 2014 entwickelte Hamburg als erste deutsche Großstadt eine Strategie. Ziel ist es, mindestens 70 Prozent der Neubauten und der zu sanierenden Dächer zu begrünen: „Es gibt hier sehr gute Ansätze.“
Klimawandel: "Es muss noch mehr passieren"
Holzapfel-Herziger spricht von der „Schwammstadt“ – dahinter steckt die Idee, möglichst viel Wasser zurückzuhalten, zu binden und in die Verdunstung zurückzuführen. „Es ist wichtig, die Siele zu entlasten, die bei Starkregen überfordert sind.“ Hamburg genieße inzwischen eine Vorreiterrolle. Trotzdem wünscht sich der Landschaftsarchitekt noch mehr Initiativen für mehr Stadtgrün. „Es ist wichtig, dass die grüne Fassade städtebaulich und ästhetisch akzeptiert wird. Da haben manche noch eine etwas andere Auffassung.“
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Wichtig seien auch Patenschaften der Bürger für ihre Parks, gesellschaftliches Engagement für Grünflächen. Auch die Politik nimmt er in die Pflicht: „Es muss noch mehr passieren. Wenn wir jetzt handeln, sehen wir die Ergebnisse erst in einigen Jahren.“ Klimawandel bedeutet schon heute, die Bepflanzung den veränderten Verhältnissen von morgen anzupassen – statt Kastanien könnten beispielsweise in Zukunft in Hamburger Straßen verstärkt Platanen wachsen.
Grüner Bunker soll Markenzeichen für Hamburg werden
„Wir müssen uns am Klima von Frankreich und Italien orientieren“, sagt der Experte, der seine Karriere mit einer Landschaftsgärtnerlehre begann. In Hamburg nimmt er derzeit viele Alarmzeichen wahr: „Wenn die Bäume hier so stark blühen oder fruchten, ist das ein schlechtes Zeichen.“
Ein gutes Zeichen hingegen soll der Feldstraßenbunker setzen – und in die Welt strahlen: „Ich werde national wie international immer wieder nach dem Bunker gefragt, Kollegen bitten um Führungen“, erzählt der gebürtige Darmstädter. „Ich hoffe sehr, dass der grüne Bunker bald für Hamburg steht. Wir jedenfalls arbeiten daran.“
Fünf Fragen an Felix Holzapfel-Herziger
Meine Lieblingsstadt ist selbstverständlich Hamburg – allein schon wegen des vielen Grüns und der guten Mischung zwischen bebauten Flächen, Parks sowie der einzigartigen Wasserflächen von Binnen- und Außenalster. Ich hoffe, dass dieses Verhältnis auch mit der Verdichtung der Stadt so bleibt. Die Familie unserer Schwiegertochter kommt aus Taipeh und ist immer wieder erstaunt, dass man in der Stadt einen eigenen Garten und so viel Grün haben kann.
Mein Lieblingsstadtteil ist Neu-Allermöhe, wo ich lebe. Hier ist die Verteilung von Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen sehr gut gelungen. Der Individualverkehr wird über große Schleifen und als Finger in die Quartiere geführt. Dort gibt es eine grüne Mitte, zahlreiche Fleete und eine diagonale Erschließung. Da man immer diagonal laufen kann, sind die Wege für Fußgänger und Radler kurz. Unsere Kinder hatten auf ihrem Schulweg keine Straße zu queren. Und erst seit ein paar Jahren gibt es eine einzige Ampel für rund 23.000 Einwohner.
Meine Lieblingsorte sind Orte im Umbruch wie etwa der Bereich zwischen den beiden Elbbrücken, Naturorte wie die Boberger Dünen. Oder als gelungener Park der Lohsepark in der HafenCity. In diesem modernen Park gibt es mit der Grotte im Kinderspielbereich gelungene Zitate historischer Gärten.
Mein Lieblingsgebäude ist aus ästhetischer Sicht die Elbphilharmonie mit dem Spiel des Lichts auf der Fassade und ihrer Sichtbarkeit von unterschiedlichen Blickpunkten und aus städtebaulichen Achsen.
Einmal mit der Abrissbirne … ist schwer zu beantworten. Ich würde jedem Gebäude eine Chance geben und hätte beispielsweise den City-Hof auf keinen Fall abgerissen. Ich kann mich noch an den Vortrag des bekannten Fassadenbegrüners Patric Blanc erinnern, der auch aus diesen Häusern etwas gemacht hätte. Es wird immer wichtiger, Lösungen für den Bestand zu entwickeln.