Neustadt. Uneinheitlich, stellenweise heruntergekommen – und vor allem öde. Geschäftsleute und Politiker drängen zum Handeln.

Es gab Zeiten, da galt der Gänsemarkt als einer der wichtigsten Treffpunkte in der Hamburger City schlechthin. Wer erinnert sich nicht an die Jahre, als der Platz zwischen Lessing-Denkmal und Valentinskamp nicht nur am Wochenende völlig überfüllt war. Damals gab es dicht beim Kino-Riesen Ufa-Palast noch zahlreiche Schnellrestaurants, in denen kaum ein freier Tisch zu bekommen war. Und im Sommer brodelte der beliebte Platz, als hätten sich alle Citybummler gleichzeitig dort verabredet.

Und heute? Der Gänsemarkt wirkt oft wie eine Drehscheibe, über die Spaziergänger nur hinüber hasten, ohne irgendwo länger zu verweilen. Der Gesamteindruck: uneinheitlich, stellenweise heruntergekommen – und vor allem öde. Die unbequemen Betonbänke sind beschmiert, das Pflaster ist übersät von Zigarettenkippen und Kaugummis. Auch abends herrscht vor Ort gähnende Leere, während die ein paar Hundert Meter entfernte Europa Passage gut besucht scheint.

„Aktuell gibt es für mich keinen Grund, herzukommen“, sagt Abiturientin Felicitas Müller, „dabei ist die Lage so dicht an der Alster eigentlich himmlisch.“ Ein Ehepaar eilt vorbei. „In seinem jetzigen Zustand ist der Platz ein Armutszeugnis für die Stadt“, schimpft die Frau. Auch die Betreiber und Beschäftigten der Läden rund um den Platz sind mit dem Gesamteindruck unzufrieden. Rainer Itzke, Verkäufer bei O2, sagt: „Früher hat man sich am Gänsemarkt getroffen, wenn man in der City verabredet war, heute ist das nicht mehr so. Der Platz wirkt unstrukturiert und ungepflegt.“ Und Nahit ­Habibi, Verkäuferin bei Blume 2000, befindet: „Mit den Jahren wurde es hier immer flauer, und man merkt einfach, dass Publikumsmagneten fehlen.“

Wie ein Fanal wirkte da auf viele die Nachricht, dass mit dem Traditionsunternehmen Schlemmermeyer nach rund 30 Jahren eine weitere Attraktion am Gänsemarkt schließt. Geschäftsführer Thomas Boots hatte, wie berichtet, mitgeteilt, dass sich der Standort „nicht mehr rechne“ und die mangelnde Attraktivität der Gegend bemängelt. Unter anderem hatte er die vielen Baustellen kritisiert, die ein stilvolles Flanieren vor Ort praktisch unmöglich machten.

Abiturientin Felicitas Müller ist vom
Zustand des Gänsemarkts enttäuscht
Abiturientin Felicitas Müller ist vom Zustand des Gänsemarkts enttäuscht © HA | Klaus Bodig

Die damit verbundenen Unannehmlichkeiten bemängelt auch ­Ksenija Raijh vom Eiscafé Dolce & Gelato an der Gerhofstraße, in dem während der Wintersaison Suppen verkauft werden. „Seit drei Jahren geht das schon so mit der ständigen Bauerei“, so Raijh.“ Nach ihrer Einschätzung habe das in den vergangenen Jahren zu Abwanderungen von Kunden und vielen Leerständen auch an der Gerhofstraße geführt, aktuell gebe es vor Ort wieder ungenutzte Ladenflächen.

­An­dreas Giercke, Geschäftsführer von Juwelier Becker, wird noch deutlicher: „Die Lage um den Gänsemarkt hat sich kontinuierlich verschlechtert, die Ger­hofstraße war zeitweise zu einer Handystraße verkommen.“ Die Geschäftsleute rund um den Gänsemarkt hoffen auf Besserung und bitten die Kunden um Geduld.

Denn wie berichtet stehen umfangreiche Umgestaltungsmaßnahmen an, mit denen der in die Jahre gekommene Platz wieder fit für die Zukunft gemacht werden soll. Dazu gehört eine komplett neues Pflaster, neue Bäume und zusätzliche Bänke. Diese Aufwertung des öffentlichen Raums steht im Zusammenhang mit der Gründung des BID (Business Improvement District) „Quartier Gänsemarkt“. Die BID hat es sich nach eigenem Bekunden zur Aufgabe gemacht „die Aufenthaltsqualität des Quartiers rund um den Gänsemarkt zu verbessern und wieder einen Anziehungspunkt zu entwickeln“.

Doch der Wettbewerb zur Umgestaltung und die Präsentation der Ergebnisse liegen mittlerweile rund zwei Jahre zurück, die BID ist seit vergangenem Sommer rechtskräftig – und geschehen ist bislang nicht viel.

Auch die Politiker wundern sich über das langsame Tempo. „Die Jahre rauschen ins Land, und nichts geschieht“, kritisiert Jörg Hamann, baupolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Und Michael Osterburg, Grünen-Fraktionschef Mitte, sagt: „Ich hatte gedacht, dass die Umgestaltung schon weiter sein müsste. Ich hoffe, das nun bald etwas zu sehen ist.“

Stefan Böse von der Stadtbäckerei setzt
auf die Effekte der Umgestaltung
Stefan Böse von der Stadtbäckerei setzt auf die Effekte der Umgestaltung © HA | Klaus Bodig

Senta Klafki, Projektleiterin der zuständigen Otto Wulff BID Gesellschaft mbH, erläutert die Hintergründe. Demnach muss der für Anfang März geplante Baubeginn um drei Monate nach hinten verlegt werden, weil zunächst noch Stromkabel unter dem Gänsemarkt verlegt werden müssen. Damit soll begonnen werden, sobald die Frostperiode beendet ist. Derzeit wird ein Infoschreiben für die Anlieger vorbereitet. „Auf diese Weise wird der Gänsemarkt nur einmal angetastet“, so Klafki. Auch im Zusammenhang mit den Bauarbeiten für die Busbeschleunigung vor Ort habe man vorausschauend gearbeitet: Dort wurde bereits der neue Belag verwendet, der später den ganzen Platz verschönert.

Stefan Böse, Geschäftsführer der Stadtbäckerei, der selbst im Lenkungsausschuss des BID mitarbeitet, ist zuversichtlich: „Der Platz wird aufgewertet.“ Und Nergiz, Kellnerin im Restaurant Ponti sagt: „Hoffentlich erwacht der Gänsemarkt nach dem Umbau aus seinem Dornröschenschlaf.“