Hamburg. 800 Wohnungen für 3000 Menschen sollen an zwei Standorten entstehen. Viele Anwohner und die CDU wollen das verhindern.
Gegen den Widerstand von Anwohnern will der Bezirk Mitte in Billstedt 800 Wohnungen für mindestens 3000 Flüchtlinge bauen. Dafür wurden zwei Flächen vom Bezirk Mitte östlich des Neubaugebiets Haferblöcken am Öjendorfer See benannt. Aber in dem Stadtteil leben schon jetzt mehr als 1900 Flüchtlinge, weshalb sich die Anwohner wehren. Es hat sich die Bürgerinitiative „Natürlich MITTEndrin“ gebildet: „Wenn die Stadt tatsächlich an zwei Standorten am Öjendorfer See die beiden Großraumsiedlungen für bis zu 3000 Flüchtlinge baut, dann verhindert das die Integration der Flüchtlinge“, sagte Christian Münster von der Bürgerinitiative dem Abendblatt. Denn so würden Gettobildung und ethnische Abgrenzung geradezu von der Stadt provoziert. Zudem gebe es an den angedachten Standorten keine Infrastruktur, so Münster.
Wie groß das Interesse und wie emotionsgeladen die Diskussion über die Pläne der Stadt ist, wurde bei der Bürgerinformationsveranstaltung im Kurt-Körber-Gymnasium in Billstedt deutlich. Die Aula der Schule war am Montagabend überfüllt, etwa 700 Menschen waren vor Ort. Auf dem Podium saßen Politik und Verwaltung und sahen sich auch mit der Frage konfrontiert, warum die Wahl wieder auf Billstedt gefallen sei. Es gab Buhrufe für Politik und Verwaltung. Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) stand bei der Veranstaltung Rede und Antwort. Er sagte dem Abendblatt: „Der Widerstand der Menschen vor Ort gegen dieses Vorhaben war bei der hoch emotionalen Diskussion am Montagabend spürbar. Aber dass es Vorbehalte und heftige Kritik der Menschen aus dem Stadtteil geben wird, war uns von Anfang an klar.“ Den Bürgern in Billstedt werde viel abverlangt, aber in diesen Zeiten gebe es keine andere Möglichkeit, so Grote weiter. Dem Bezirksamtsleiter ist wichtig: „Wir haben in allen Stadtteilen in unserem Bezirk eingehend geprüft, ob Flächen zur Verfügung stehen. Wir haben aber keine passenden gefunden.“ Der Vorteil der Flächen in Billstedt sei, dass sie groß seien und parallel auch herkömmlicher Wohnraum entstehen könne.
So hilft Hamburg den Flüchtlingen
Auch SPD-Fraktionschef Falko Droßmann zeigte Verständnis für die Bürger: „Die Stimmung in Billstedt ist aufgeheizt, das ist nachvollziehbar. Denn dass der Stadtteil, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht, ebenso wie Wilhelmsburg bereits an seine Grenzen geraten ist, ist offensichtlich.“ Aber Droßmann wirbt trotzdem um Verständnis: „Wir haben hier eine Notlage und müssen deshalb die beiden Standorte am Öjendorfer See nutzen, um hochwertigen Wohnraum zu schaffen, der Platz für bis zu 3200 Menschen bietet.“ Unterdessen gab sich Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg besorgt: „Die Veranstaltung zeichnete sich durch hohe Emotionen aus, leider gab es auch einige rechte Parolen. Das ist nur eine Minderheit, aber höchst bedenklich.“
Rechte Parolen wurden am Dienstag bei der Sitzung der Bezirksversammlung, bei der es um die Flüchtlingsunterbringung in Billstedt ging, nicht laut. Es waren etwa 60 Bürger zur Fragestunde gekommen. Alle Sitzplätze im Zuschauerbereich waren besetzt: Warum die Last nicht besser verteilt werde, wieso man nicht auf dezentrale Unterbringung setze oder warum die Sorgen der Bürger außen vor gelassen würden – das fragten die Billstedter die Politiker. Die zeigten Verständnis für die Sorgen der Menschen, machten aber auch auf die Ausnahmesituation aufmerksam, in der sich Hamburg befindet. In den ersten neun Monaten dieses Jahres hat Hamburg 35.021 Flüchtlinge aufgenommen, im Vorjahreszeitraum waren es 8774.
Die SPD hatte am Dienstag einen Antrag in die Bezirksversammlung eingebracht, in dem sie die „von Senat und Bezirken“ verfolgte kurzfristige Schaffung von Wohnraum für 3000 bis 4000 Flüchtlinge unterstützt. Allerdings wird Bezirksamtsleiter Grote in dem Antrag, der mit großer Mehrheit beschlossen wurde, zu zahlreichen Maßnahmen aufgefordert. Dazu zählen Bürgerbeteiligung und dass ein Ausbau der Kapazitäten für Schulen und Kindertagesstätten erfolgt.
Die CDU sprach sich in ihrem Antrag gegen die zwei „für Großunterbringungen vorgeschlagenen Flächen in Billstedt aus“. Er wurde abgelehnt. Fraktionschef Gunter Böttcher: „Die geplanten Großunterkünfte stellen, insbesondere wegen ihrer viel zu hohen Anzahl an Plätzen in einem ohnehin stark mit Unterbringungseinrichtungen belasteten Stadtteil, keine Lösung dar.“ Böttcher warnte, „vielmehr würden diese Großunterkünfte zu einem neuen Teil des Problems – für die Flüchtlinge und die Anwohner in Billstedt.“ Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp gab zu bedenken: „Die soziale Struktur in Billstedt ist nicht mehr ausgewogen. Der Migrationsanteil beträgt 54 Prozent.“ Erkalp weiter: „Wir haben es jetzt schon nicht geschafft, alle bisherigen Migranten zu integrieren, wie soll es denn bei 4000 oder 5000 Menschen funktionieren?“