Zum Fall des toten Kindes wollte sich Peter Marquard nicht direkt äußern – aus Angst, sich zu belasten. Der Yagmur-Untersuchungsausschuss solle lieber andere Beteiligte in den Blick nehmen.

Hamburg. Eines stellte er gleich zu Beginn klar: Äußern wollte sich Peter Marquard, Jugendamtsleiter im Bezirk Mitte, in der Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zum gewaltsamen Tod der dreijährigen Yagmur nur zu bestimmten Fragen. „Es kann sein, dass ich Fragen zum Einzelfall nicht beantworten kann“, sagte er am Dienstagabend. Seine Begründung: Es könnte um sein eigenes dienstliches Verhalten gehen, das möglicherweise von „strafrechtlicher Relevanz“ sei.

Dass der als Zeuge geladene Marquard zum Fall Yagmur nur eingeschränkt aussagen wollte, hatte im Vorfeld für Empörung gesorgt. Der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries hatte von einer „Mauer des Schweigens im Bezirksamt Mitte“ gesprochen, Christiane Blömeke (Grüne) darauf hingewiesen, dass ein Untersuchungsausschuss kein Wunschkonzert sei.

Zunächst gab Peter Marquard, der in Begleitung seines Anwalts erschien, ausführlich Auskunft zu allgemeinen Fragen zu seiner Tätigkeit und der Arbeitsweise der Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD). Unter den wachsamen Augen seines rechtlichen Beistands äußerte sich Marquard wohlüberlegt und vorsichtig, aber durchaus kritisch.

Neben der starken Fluktuation der Mitarbeiter machte er auch aus den Schwierigkeiten im Arbeitsalltag der ASD-Mitarbeiter keinen Hehl. So sei das Verhältnis zwischen Bürokratie, konkreter Fallarbeit und Dokumentation für viele Beschäftigte unbefriedigend. „Die Empfindung, sich in einer Spirale aus Kontrolle und Belastung zu befinden, kann ich zutiefst nachempfinden“, sagte der Jugendamtsleiter.

Auch bei der umstrittenen Behörden-Software Jus-IT seien ihm viele Alltagsprobleme bekannt. In seinem Jugendamt gebe es sogar eine Top-Ten-Liste, auf der die Schwierigkeiten mit dem PC-Programm mehrmals im Jahr aktualisiert würden. „In meiner Wahrnehmung ist das Hauptproblem, dass Jus-IT einer technischen Logik folgt, die nicht mit dem alltagspraktischen Vorgehen der Mitarbeiter zusammenpasst“, sagte Marquard, der seit zwei Jahren Jugendamtschef im Bezirk Mitte ist.

Während seiner mehr als vierstündigen Vernehmung betonte der 57-jährige Diplom-Pädagoge jedoch auch, dass er nur im Ausnahmefall mit Einzelfällen und den dazugehörigen Akten zu tun habe. Er gebe etwa mal einen Rat, wenn er darum gebeten werde. „Aber ich treffe dabei keine Entscheidungen“, sagte er. Auch bei der Rückführung zu den Eltern eines Kindes, bei dem ein Verdacht der Kindesmisshandlung vorlag, sei er als Jugendamtsleiter nicht eingebunden gewesen.

Spätestens als der PUA-Vorsitzende André Trepoll (CDU) Fragen zum Fall der kleinen Yagmur stellte, reagierte Marquard wesentlich zurückhaltender und zeigte sich einsilbig. Er habe am 18. Dezember 2013, wenige Stunden nach Yagmurs Tod, das erste Mal von dem Fall gehört. „Vorher hatte ich keine Kenntnis von dem Fall“, sagte Marquard. Und er habe somit auch nicht gewusst, welche Fachkraft wann mit dem Fall betraut war. Da dieser zudem vom Jugendamt Mitte nicht als akuter Kindeswohlgefährdungsfall übernommen worden war, hatte auch die Kinderschutzkoordinatorin zuvor keinen Kontakt zu dem kleinen Mädchen.

Abschließend hob der Jugendamtsleiter hervor, dass er es begrüßen würde, wenn beteiligte Schnittstellen wie ASD, Familiengericht, Staatsanwaltschaft und Kita „neu in den Blick“ genommen würden. „Das halte ich für klug“, sagte Peter Marquard.

Yagmur, die unter der Obhut mehrerer Jugendämter stand, war in ihrem Elternhaus jahrelang misshandelt worden. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Mutter Mordanklage erhoben. Vor einer Woche hat der Prozess begonnen.