Sozialdemokraten setzen sich für gesetzlichen Erhalt von Backsteinfassaden ein. Antrag in der Bürgerschaft. Es dürfe nicht mehr sein, dass sich „ungesteuert das Erscheinungsbild ganzer Straßenzüge“ ändere.

Hamburg. Beim Anblick der gelblichen Fassade des Wohnhauses an der Ecke Chateauneufstraße/Smidtstraße in Hamm ist für Dirk Kienscherf das Urteil klar: „Eine städtebauliche Katastrophe ist das“, sagt der baupolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Inmitten eines von rotem Backstein geprägten Viertels sticht ein Haus mit einer Fassade aus hellen Dämmplatten heraus. Gegen eine energetische Sanierung habe er überhaupt nichts – im Gegenteil. „Doch warum fügt sie sich nicht optisch in den Bestand ein?“, fragt Kienscherf.

Das soll künftig besser geregelt sein. Der Städtebauexperte wird deshalb nun einen Antrag in die Bürgerschaft einbringen, in dem der Senat aufgefordert wird, „Hamburgs Backsteinerbe zu erhalten“. Dafür müssen wir künftig stärker auf die „Gestaltung der Fassaden Einfluss nehmen können“, fordert der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Es dürfe nicht mehr sein, dass sich „ungesteuert das Erscheinungsbild ganzer Straßenzüge“ ändere. Betroffen seien viele Stadtteile. Neben Hamm etwa auch Horn, Rothenburgsort, Barmbek und Bahrenfeld.

In diesen Stadtteilen soll die Stadt laut des Bürgerschaftsantrags den Bauherren künftig vorschreiben können, wie die Fassaden aussehen dürfen. Energetisch saniert werden solle nur noch dann, wenn der „Backsteincharakter“ des Viertels erhalten bleibe. Das bedeutet: Alles, was nicht in das ursprüngliche Ortsbild passt, also andersfarbig ist, wird nicht mehr genehmigt.

„Bisher wurde dieses Instrument vor allem für das ‚weiße Hamburg‘ mit seinen Jugendstilquartieren verwendet“, so Kienscherf. Derartige sogenannte Erhaltungsverordnungen gebe es etwa im Generalsviertel in Hoheluft-West sowie in Rotherbaum und Harvestehude.

Nun soll dieses Instrument auch für das „rote Hamburg“ verwendet werden. Kienscherf gibt zu, dass der Erhalt von Backsteingebäuden oder deren Fassaden in Einzelfällen wirtschaftlich nicht immer möglich sei. In solchen Fällen dürfe auch abgerissen und neu gebaut werden – aber im ursprünglichen Stil. „Der Erhalt des städtebaulichen Charakters der neuen Fassade oder des neuen Gebäudes muss einfach eine stärkere Beachtung finden.“ In Hamburg gebe es schließlich viele positive Beispiele für eine behutsame, Stadtbild- und architekturverträgliche Sanierung.

Zudem bringt die Dämmung von Fassaden nicht in jedem Fall das gewünschte Ergebnis. Manchmal werden dadurch nur höchstens 25 Prozent Energieeinsparung erzielt. Mit anderen Maßnahmen, wie dem Einbau von neuen Fenstern und Türen sowie isolierten Dächern oder modernen Heiztechniken, kann der Verbrauch von Energie um bis 50 bis 70 Prozent gesenkt werden. Das ist ein Ergebnis des EU-Forschungsprojektes mit dem sperrigen Namen Co2olBricks. Das Projekt war 2010 ins Leben gerufen worden, damit sich 18 Städte aus dem erweiterten Ostseeraum darüber Gedanken machen, wie die Energieeffizienz denkmalgeschützter und anderer historischer Backsteingebäude verbessert werden könne, ohne dass die typischen Merkmale und damit der kulturelle Wert verloren gehen.

Bei den Grundeigentümern ist die Wärmedämmung an den Fassaden ohnehin nicht sehr beliebt. Deren Verband weist schon seit einiger Zeit auf die hohen Kosten bei der Montage und den vergleichsweise geringen Nutzen hin. Auch gibt der Grundeigentümerverband zu bedenken, dass gedämmte Fassaden bei Bränden eine große Gefahr darstellten und diese darüber hinaus irgendwann einmal als Sondermüll entsorgt werden müssten.

Aus Kienscherfs Sicht bringt die bisherige Praxis, wonach der Bauherr selbst entscheiden kann, wie die Fassade des Wohngebäudes aussieht, nichts. Selbst die Ausweisung als Milieugebiet – wie auf der Veddel und in der Jarrestadt – bietet keinen rechtlichen Schutz. Die Stadt hat bislang nur dann direkten Einfluss auf die Erscheinungsweise der Gebäude, wenn diese unter Denkmalschutz stehen. „Mit unserem Antrag wollen wir ein Instrument unterhalb des Denkmalschutzes installieren“, sagt Dirk Kienscherf. Zuständig für die Genehmigungen bei der Veränderung von Fassaden wären dann die Bezirke.

Geht es nach dem Willen der SPD-Fraktion, soll die Stadt auch im Bündnis für Wohnen über Maßnahmen beraten, wie der Erhalt der historischen Fassaden verbessert werden kann. Ansonsten, sagt SPD-Politiker Kienscherf, erhielten ganze Straßenzüge ein austauschbares Antlitz.

Und Dämmfassaden wie in Hamm-Nord? „Die gilt es künftig zu verhindern.“