Die Hafenentdecker-Tour ist eine der beliebtesten Führungen der Internationalen Bauausstellung und zeigt viele unbekannte Ecken Hamburg. Nach einem Stadtteilrundgang geht es mit der Barkasse vom Müggenburger Zollhafen in die Norderelbe.

Veddel Es rumst ordentlich, als Barkassenführer Heiner Joneleit ablegt. Sein Schiff liegt quer zur Strömung, am Dock der Internationalen Bauausstellung (IBA) im Müggenburger Zollhafen. Während des Manövers wird es immer wieder an den Ponton des bunten Gebäudes gedrückt, das gestapelten Containern nachempfunden ist. Das größte schwimmende Bürohaus Deutschlands ist Ausgangspunkt unserer Führung. Hafenentdecker-Tour heißt sie vielversprechend.

Tatsächlich hat uns Aron Bohmann, der 26-jährige Tourführer, schon während des ersten Teils der Veranstaltung an Orte geführt, an denen keiner von uns je zuvor war. Im Verlauf unserer Route werden wir noch viele weitere entdecken. Bohmann, Stadtplaner und Urban-Design-Student, gehört zum Touren-Team der IBA. Auf verschiedenen Führungen geleiten sie die Besucher über das 35 Quadratkilometer große IBA-Gebiet auf den Elbinseln und im Harburger Binnenhafen.

Einen Überblick darüber hat Bohmann unserer knapp 30-köpfigen Gruppe zu Beginn der Tour an dem großen Modell gegeben, das im IBA-Dock zu sehen ist. Außerdem hat er uns über die Stadtentwicklungsabsichten der IBA informiert. Die Hamburger unter den Hafenentdeckern erinnern sich größtenteils an die Schlagzeilen, mit denen Wilhelmsburg früher von sich reden machte: Mord und Totschlag, Dioxinskandal und schließlich der kleine Volkan, der auf einem Schulgelände von Kampfhunden totgebissen wurde. Für die Dänin Birthe Bertelsen ist das neu. „Es ist interessant zu erfahren, dass die IBA den Stadtteil aufwerten will“, sagt die Angestellte der Kopenhagener Stadtverwaltung.

Dann geht es zu Fuß durch die Veddel – dem wohl authentischsten Hafenstadtteil Hamburgs, heute eingepfercht zwischen Hafen, Autobahn und Bahntrasse. „Früher lag hier die SlomanSiedlung, rund 200 winzige Einfamilienhäuser“, hatte Bohmann erklärt. Die Siedlung wurde in den 1920er-Jahren abgerissen, dann errichtete Fritz Schumacher seine typischen Rotklinker-Häuser. An der Veddeler Brückenstraße hatte Bohmann uns ein schlecht gelungenes Sanierungsbeispiel gezeigt: die Verzierungen des Mauerwerks sind hinter der Wärmedämmung verschwunden. Am Immanuelplatz deutet er auf eines, das gelungen ist. „Unser unsichtbarstes IBA-Projekt“, sagt er.

„Es ist spannend, an einem Ort in Hamburg zu sein, an dem man sich sonst nicht aufhält“, sagt Silvie Kölzsch aus Ohlsdorf. Die Tour ist ein Geburtstagsgeschenk für ihren Mann. Ausgesucht wurde sie von Otis, dem neunjährigen Sohn. Er freut sich besonders auf die HafenCity. „Moderne Gebäude mag ich nämlich lieber als alte“, sagt er. Die Barkasse hat abgelegt und schippert durch den Müggenburger Zollhafen. Aufmerksam hört Otis unserem Lotsen zu. Das Flutschutz-Tor, unter dem wir gerade durchfahren, werde von Kupferproduzent Aurubis betrieben, sagt Bohmann. „Das Unternehmen muss anschiffbar bleiben und will Flutschäden vermeiden.“ Unter dem S-Bahnhof Veddel hindurch gelangen wir in den Spreehafen. Idylle pur. Ein paar Angler am Ufer und picknickende Pärchen, bunte Hausboote und Hafenlieger. „Eine hafennahe Nutzung ist hier erlaubt, wohnen auf dem Wasser nicht“, erklärt Bohmann. „Schade“, sagt Otis.

Wir fahren an der Spreehafeninsel vorbei. Linker Hand wird eine neue Ausbesserungshalle für die Hafenbahn gebaut, rechts stehen historische Verladekräne. Es riecht würzig und süß. Aron Bohmann erklärt uns, dass die Veddel der deutschlandweit zweitgrößte Umschlagplatz für Kakao ist. Am neuen Fähranleger Ernst-August-Schleuse vorbei, auch ein IBA-Projekt, fahren wir durch den Reiherstieg Richtung Landungsbrücken. Über uns der neue Radweg, der zwischen St. Pauli und Wilhelmsburg angelegt wurde. „Europas teuerste Radstrecke“, sagt Bohmann.

Nachdem wir die historische Flint-Werft und mehrere Schwimmdocks passiert haben, taucht die Hamburger Skyline vor uns auf. „Michel, Fernsehturm und Elbphilharmonie – alles ist da!“, freut sich Mechthild Amend aus Groß-Gerau. Sie mag Hamburg und hat hier schon viele Touren unternommen. „Immer abseits der Touristenpfade“, sagt sie.

Wir biegen in die Norderelbe ein und kommen an den Gebäuden der HafenCity vorbei. Otis lacht, als Aron Bohmann erzählt, der Marco-Polo-Tower werde auch liebevoll Dönerspieß genannt. Und Mona Dittrich freut sich, als wir an dem Neubau der HafenCity-Universität vorbeischippern. Sie studiert im zweiten Semester Bauingenieurswesen und wird im Winter hier einziehen. „Es ist bestimmt toll, hier im Hafen zur Uni zu gehen“, sagt die Alsterdorferin.

Unser Rückweg führt durch den Hansahafen, am Hafenmuseum mit seinen historischen Kränen und Schiffen vorbei. Bohmann deutet auf mächtige Kranteile am Ufer. „Die Kräne dort standen früher vor dem Kakaospeicher, der jetzigen Elbphilharmonie“, sagt er. „Nach ihrer Restaurierung werden sie dort wieder aufgestellt.“

Wir biegen in den Saalehafen ein. Hinter uns liegt der Moldauhafen. „Noch bis 2018 tschechisches Staatsgebiet“, weiß unser Reiseführer.

Als das IBA-Dock naht, halten wir uns fest: Wir sind auf den Rums vorbereitet, mit dem die Barkasse anlegt und unsere Entdeckertour endet.

Die IBA bietet mehr als ein Dutzend Führungen an: zu Fuß, mit dem Fahrrad, per Bus oder Barkasse. Auch private Touren sind möglich. Informationen unter www.iba-hamburg.de/erleben/touren-2013.