“Zu viele Rotklinker-Fassaden verschwinden.“ Ein breites Bündnis von Fachleuten fordert Umdenken bei Klimaschutz-Programmen.

Etliche der typischen Backstein- Fassaden Hamburgs sind bereits hinter dicken Dämmplatten aus Kunststoff verschwunden. Immer wieder haben einzelne Architekten und Historiker vor einem Verlust des historischen Stadtbildes gewarnt: Jetzt hat sich in der Hansestadt eine bisher beispielslose Initiative aus Städteplanern, Architekten, Ingenieuren und Denkmalschützern gebildet. Sie fordern ein radikales Umdenken bei Klimaschutzmaßnahmen an Rotklinkergebäuden. Ihr Warnruf: Durch die fortschreitende Fassadendämmung sei das "baukulturelle Erbe Hamburgs" gefährdet. "Uns geht es dabei um einen wesentlichen Teil des Stadtbildes, der nicht hinter Schaumstoff verschwinden darf", sagt der Hamburger Landesvorsitzende des Bundes deutscher Architekten (BDA), Heiner Limbrock.

Hinter dieser Forderung steht die komplette Standesvertretung Hamburger Bauplaner: BDA, Architektenkammer, Hamburgische Ingenieurkammer-Bau, die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung, die Freie Akademie der Künste, der Architekten- und Ingenieurvereins Hamburg, der Denkmalpflege- Verein sowie die Gustav-Oelsner- und die Fritz- Schumacher-Gesellschaft. Oelsner hat als Bausenator in Altona und Schumacher als Oberbaudirektor in Hamburg Anfang des 20. Jahrhunderts ganze Stadtviertel im Backsteinstil geprägt. In Altona, Barmbek, Dulsberg oder Hamm stehen bis heute viele Gebäude aus dieser Zeit. "Diese Siedlungen aus den 20er-und 30er-Jahren mit ihren rund 130 000 Wohnungen sind heute das Tafelsilber Hamburgs und genauso wertvoll wie die Gründerzeitviertel", so Heiner Limbrock. Konkret will die Architekten- Initiative am Montag bei einer Pressekonferenz vom Senat eine Art Millieuschutz für die Rotklinker-Siedlungen der 20er- und 30er-Jahre fordern. Dort müsse komplett auf Wärmedämm-Maßnahmen an den Fassaden verzichtet werden.

Für die Klinkerbauten der Nachkriegszeit sei indes eine auf jedes einzelne Gebäude abgestimmte Sanierung gefordert. Weiter fordert die Initiative, dass künftig in Hamburg eine unabhängige Institution Wärmeschutzmaßnahmen bewerten solle, wenn sie sich wesentlich auf das Stadtbild auswirken sollten. "Die Initiative richtet sich nicht gegen Klimaschutz und Energiesparen", sagt Claas Gefroi von der Architektenkammer Hamburg. Doch Praxis und Theorie hätten gezeigt, dass es Alternativen zur Fassaden-dämmung gebe. Mit neuer Haustechnik, Dämmung von Kellern und Dächern sowie neuen Fenstern könnte ein Neubau- Standard erreicht werden. Fassadendämmung sei eben oft nur der einfachere Weg.

Gefroi: "Das sollte bei der staatlichen Förderung von Wärmedämmung bedacht werden sonst bekommen wir in Hamburg ein Stadtbild charakterloser Beliebigkeit."